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Als geschiedener Single ohne Geldnöte lebt es sich gut. Mein Apartment bietet reichlich Platz, ein Wohn- und ein Schlafzimmer, ein Arbeitszimmer sowie einen Meditations- und Kraftsport-Raum.

Meine Tätigkeit als Verhaltens-Coach macht mir Spaß.

Diese Lebensweise aufzugeben wäre mir noch vor einem Jahr kaum in den Sinn gekommen. Bis an einem Samstag Mittag im vorigen Juli zwei fremde Welten heftig zusammenstießen.

Ein unschöner Vorfall in der Frankfurter Goethe-Straße zwang mich, in einem VW-Bus der Kripo Platz zu nehmen. Für die notwendige Befragung setzte sich mir Kriminalhauptkommissarin Corinna Sandner gegenüber, damals noch zuständig für schweren Raub. Inzwischen arbeitet sie im Dezernat K 11 „Kapitaldelikte“, Schwerpunkt „Straftaten gegen Leib und Leben“ im Frankfurter Polizeipräsidium.

Frau Sandner stellte sich höflich vor, fragte ruhig, sachbezogen und ohne Argwohn, zeigte Interesse an meiner beruflichen Tätigkeit. Dabei sah sie mich durchgängig offen und wohlwollend an; einmal mit einem Blick und einer Handbewegung seitwärts durch die Haare ... Jedenfalls bin ich rot geworden. Eine Woche später, bei einer zufälligen Begegnung in einem Einkaufzentrum an der Zeil, hockten wir fast zwei Stunden bei Tee und Nussecken zusammen. Und fanden gute Gründe, uns miteinander zu beschäftigen. Zunächst beruflich, dann mehr und mehr privat.

Sich in die Augen schauen, lächeln, reden, spazieren gehen.

In kleinen Schritten kamen wir uns näher. So geht das gewöhnlich in unserem Alter. Der unerwartet brutale, nächtliche Angriff eines missgünstigen Kollegen auf Corinna und mich sowie die anschließenden Ermittlungen festigten unsere Beziehung beträchtlich. Dennoch folgte daraus für Corinna nicht zwangsläufig ein gemeinsames Wohnen. Sie schätzte ihre Unabhängigkeit; das Alleinleben war ihr vertraut und angenehm; Jahre länger als mir.

Für ihre Einstellung hatte ich durchaus Verständnis.

Ende Oktober kurz nach meiner Rückkehr aus San Francisco geschah das Unerwartete. Corinnas Sonnenseite zog bei mir ein. So lautet ihre offizielle Begründung. Was soll ich gegen überzeugende Argumente einwenden?! Meine anfänglichen Bedenken gegen halbe Sachen erhöhten nur ihre Entschlossenheit.

Also kaufte ich in neues Doppelbett mit körpergerechten Matratzen. Die planvollere Aufbewahrung meiner Jacken, Hemden und Hosen im Kleiderschrank schaffte den nötigen Platz für das mäßig anspruchsvolle weibliche Bekleidungseinerlei. Seither genieße ich beinahe jede Minute eines unverhofften Familienlebens der Marke Flickenteppich.

Corinnas Schattenseite und ein Teil ihres Standard-Outfits – Jeans, Blusen, Sweatshirts sowie dezente Jacketts – blieben in Frankfurt. Von Montag bis Freitag nutzt sie weiterhin ihre Wohnung in der Nordweststadt. Von dort ist es ein Katzensprung zu ihrer Dienststelle.

Wie arbeitsfrei ihre Abende unter der Woche sind, bleibt gelegentlich unklar. Ihr Dienst widersetzt sich gern dem Wunsch nach regelmäßigem Feierabend. Als Ausgleich bringt Corinna ab und zu Akten einzelner Fälle mit hinaus zu uns.

*

Anfangs hatte ich Mühe zu erkennen, woran Corinnas Herz mehr hing; an ihrem Beruf oder inzwischen fünfundzwanzigjährigen Tochter Mona.

Die plagte eine üble Geschichte. Was im vorigen Februar als Herzensangelegenheit begann, endete drei Monate später gewalttätig.

Zu der Zeit kannte ich die zwei Frauen noch nicht.

Mir fällt es leicht, beide zu lieben. Dem Aussehen und Wesen nach sind sie „mein“ Typ; schlank und beweglich, Corinna mit graubraunen, Mona mit mahagoniroten, mittelkurzen Fransenhaaren, in Heimarbeit wahrscheinlich mit der Heckenschere gestutzt. Beide rauchen nicht, für mich eine Grundvoraussetzung, eine Frau zu mögen. Natürlich wollen Mutter und Tochter nicht wahrhaben, wie sehr sie sich in vielen Verhaltensweisen ähneln. Sie sind entscheidungsfreudig, selbstbewusst bis eigenwillig, selten um eine Antwort verlegen.

Sie ernähren sich einigermaßen gesundheitsbewusst.

Ich rieche sie gern und fühle mich wohl in ihrer Nähe.

Das zählt für mich.

Dafür nehme ich locker in Kauf, dass Corinna mich gelegentlich an ihr über zwanzigjähriges Dasein als stolze Alleinerziehende erinnert.

„Ich schätze, ich muss Beziehung erst wieder lernen.“

„Tröste dich, Frau Hauptkommissarin, das geht mir ähnlich.“

Dass wir nicht jeden Morgen gemeinsam aufwachen, war wahrscheinlich zusätzlich hilfreich. Zumindest für den Anfang.

Mona, wie gesagt.

In Frankfurt-Bornheim hat sie eine eigene, kleine Wohnung. Um so verblüffter war ich Mitte November. Eines Mittwoch Nachmittags stand sie unangekündigt vor meiner Tür, herzallerliebst strahlend. Sie trug eine große Reisetasche und ein dickes Bündel in mein Meditationszimmer, schob die Dojo-Matte ein Stück nach links, entfaltete an der rechten Wand ein Luftkissen-Reisebett, breitete eine Wolldecke aus und zog ein hellbraunes Spannbetttuch darüber.

„Fertig; den Rest hole ich morgen,“ stellte sie zufrieden fest, erfreut über die gelungene Überraschung.

Mona hat grüne Augen, die mein Herz auch nach einiger Gewöhnung hin und wieder zu einem kleinen Hüpfer anstoßen.

„Was Mammi kann, kann ich auch. Seit heute hast Du eine Wochenend-Tochter!“

Sie streifte die Schuhe ab, wandte sie sich der Kraftmaschine neben der Dojo-Matte zu, ballte ihre erhobene rechte Faust, griff sich mit der linken Hand an den rechten Oberarm.

„Ich hasse Fett an den falschen Stellen.“

Nicht eine Sekunde kam mir in den Sinn, Mona wegzuschicken.

Statt ihr die Hantelmaschine zu erklären ging ich in mein Arbeitszimmer, holte Geld und EC-Karte aus einem Minitresor.

Mona folgte mir.

„Was treibst Du da, wenn ich fragen darf?“

„Du darfst, Mona. Schuhe anziehen, komm mit.“

Auf dem Weg zum Auto schwieg ich beharrlich, insgeheim mächtig erfreut. Wir fuhren ins benachbarte Eschborn. Auf dem Parkplatz neben drei Möbel-Tempeln wurde klar, was anstand.

Nach einer knappen Stunde zogen wir mit Bequemsessel, einer Stehlampe und einem Regalschrank davon. Der restliche Nachmittag ging mit Möbelzusammenbauen, Hin- und herrücken und Teetrinken drauf.

Es wurde eine zweischneidige Überraschung.

Freitag Abend staunte Corinna nicht schlecht. Als sie in meiner – unserer – Küche ihre Tochter antraf, die mit gediegener Selbstverständlichkeit eine Orange schälte. Mammi schien nur verhalten erfreut, als Mona sie strahlend umarmte. Anschließend führte sie Corinna schmatzend und kauend ihren mit Kerzen und einem violetten Fenstervorhang geschmückten Wohnschlafraum vor.

Die Hexe zum Abschied

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