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IGGY AND THE STOOGESRaw Power Christof Meueler

[Columbia] 1973

»Die Stooges sind ein gottverdammtes Monster,

die fressen dich auf.«

Iggy Pop

»Heute sind sie eine der einflussreichsten Rock’n’Roll-Bands, 1973, als sie sich auflösten, waren sie Dreck.« So beginnt »Gimme Danger«, der Dokumentarfilm von Jim Jarmusch über die Stooges. »Gimme Danger« heißt das zweite Lied auf »Raw Power«, dem dritten Album der Band. Man sagt, diese Musik sei Urpunk. Aber das sagt man auch über die MC5 aus Detroit. Dabei hatten die nur ein Stück, das so klang: »Kick Out The Jams«. Das wiederum überzeugte Iggy Pop, Ron und Scott Asheton sofort, als sie es zum ersten Mal hörten: Es dröhnte durch die geschlossene Tür eines Clubs. Dann gingen sie rein und waren begeistert. Danach gründeten sie The Stooges, 1967 in Ann Arbor, einer Nachbarstadt von Detroit.

Ihre ersten drei Alben sind allesamt kanonisch. Jedes weist in eine andere Richtung: zum Protopunk (»The Stooges«, 1969), zum Noise (das wahnsinnige »Fun House«, 1970) und zum Hardrock (»Raw Power«, 1973). Die Lehre der Stooges ist allmächtig, weil sie wahr ist. Für Iggy Pop waren sie ein »niederträchtiges Pack, das gut miteinander umging« bzw. »wahre Kommunisten, die ihr Geld und ihr Essen teilten«. Lester Bangs fasste es so zusammen: »Alle haben eine coole Zeit und am Ende steht Befreiung.« Ihre Platten verkauften sich fast gar nicht. Als die Stooges schon hinüber waren und Iggy Pop jede Droge nahm, »die ihm in die Finger kam, vor allem Heroin«, wie Simon Reynolds in »Glam« schreibt, tauchte David Bowie aus England in den USA auf und wollte ihn zum Star machen. Ebenso wie Lou Reed, der Velvet Underground verlassen hatte. Aber vor allem sich selbst. Denn Bowie wollte die USA, den größten Musikmarkt der Welt, erobern.

Das war die Idee seines neuen Managers Tony Defries. Dessen Firma MainMan verordnete Bowie Glamrock, Science Fiction und sexuelle Ambivalenz. Für die dunklen Seiten des Lebens präsentierte er sich der Presse zusammen mit Lou Reed und Iggy Pop, den Underground-Helden aus USA. Und dann wurde seine »Ziggy Stardust«-Tournee 1972 ein Triumph. Im selben Jahr produzierte er im August in London »Transformer«, die beste Platte von Lou Reed. Einen Monat später war Iggy Pop dran. Der kam mit seinem Kumpel James Williamson, dem zweiten Gitarristen der Stooges. Auch er war voll drauf. In »Please Kill Me« beschreibt ihn Kathy, die jüngere Schwester der Ashetons, als »schwarze, sich herabsenkende Wolke«.

Die erste Entscheidung von Iggy und Williamson war: Die Asheton-Brüder sollten nachkommen. Denn in England hatten sie keine bessere Rhythmusgruppe auftreiben können. Ursprünglich hatte man bei MainMan gedacht, sie könnten sich die Musiker bei anderen Formationen, zum Beispiel bei Musikgruppen der Loony Left wie Third World War oder Edgar Broughton Band ausleihen. Doch Pop und Williamson winkten ab. Sie fanden an den Ashetons toll, dass sie »primitive Männer« waren, wie es Iggy in »Gimme Danger« ausdrückte. Und die freuten sich sehr, nach London zu kommen. Da hatten sie endlich wieder etwas zu tun.

Im Gegensatz zu David Bowie als Produzent. Der konnte sich auch in späteren Interviews nicht beruhigen, wie Iggy Pop das CBS-Studio in London benutzte: Von 24 Spuren brauchte er nur drei Stück: eine für die Band, eine für die Leadgitarre von James Williamson und eine für seine Vocals.

Aufgewachsen in einem Wohnwagen, war Iggy für Beschränkung. Auch die Lyrics seiner Songs sollten kurz sein, damit sie wirken. Das hatte er aus dem Kinderfernsehen der späten 1950er, wo es hieß: Briefe an den Sender dürften niemals länger sein als 25 Wörter, sonst würden sie nicht wahrgenommen.

Angeblich wurde »Raw Power« in wenigen Tagen aufgenommen. Bowie sollte die Platte mixen, doch ihm blieb nichts weiter zu tun, als ein bisschen die Lautstärke zu pegeln. Und auch das misslang: Die Platte hörte sich schon lange vor der Digitalisierung an wie eine schlechte MP3. Ein merkwürdig dumpfer Sound. Iggys Gesang und Williamson Gitarre laufen irgendwie neben der Musik, die sehr verwaschen wirkt. Die Drums sind noch wahrnehmbar, so als würde im Hintergrund jemand auf Blech prügeln, doch der Bass, den hier Ron Asheton spielt, ist verschollen. Angeblich war dieser Sound ein Kompromiss, da Tony Defries vom ursprünglichen Mix vollkommen angewidert gewesen sein soll.

Noch merkwürdiger ist der Umstand, dass der neue Mix der Platte, den Iggy 1997 veröffentlichte, weil er meinte, der von Bowie stecke voller »Unkraut«, sich fast genauso verwaschen anhört. Am merkwürdigsten aber ist, dass genau diese Dumpfheit am besten knallt, da der »Original Studio Mix«, der schon 1994 auf dem Label von Greg Shaws Fanzine »Bomp« unter dem Titel »Rough Power« erschienen war, zwar klarer klingt, damit aber auch konventioneller und lascher.

Denn Iggys isolierter Peitschengesang harmoniert hervorragend mit Williamsons sich säureartig durch die Songs wie die Raupe Nimmersatt aus dem Kinderbuch durchfressendem Gitarrenspiel. Ihr Verhältnis hat Iggy in »Gimme Danger« so beschrieben: »Die Gitarre spielte James Williamson so, als würde man einen Drogensuchhund in sein Haus lassen: Er fand jede Ecke und füllte sie. Ich suchte nach dem Raum, der noch übrig war, in dem ich dann singen konnte.« Williamson wiederum legt im Film Wert auf die Feststellung, dass die Ashetons an Bass und Drums am wichtigsten gewesen waren – auch wenn man sie kaum hört.

Punk-präambelgleich beginnt »Raw Power« mit dem Überklassiker »Search and Destroy«, den sich Iggy auf einer Parkbank in den Kensington-Gärten ausgedacht hat, während er Heroin schnupfte, wie er im Booklet zum 1997er-Mix schreibt. Den Titel hatte er aus einem Text in der »Times«, der vom Vietnamkrieg handelte. Damit entwarf er existenzphilosophisch auch eine Parole des Zorns für alle, die sich später, sei es nun im Punk oder im Metal, irgendwie als gefährliche Biester imaginieren wollten: »I’m a streetwalking cheetah with a heart full of napalm / I’m a runaway son of the nuclear A-bomb / I am the world’s forgotten boy / The one who searches and destroys«. Als wenn er in einem Manuskript mit fettem roten Marker viel unterstreichen müsste, ruft Iggy immer wieder »hey hey« dazwischen, barmt »Somebody gotta save my soul / Baby, penetrate my mind« und wiederholt gegen Ende mehrmals »forgotten boy, forgotten boy«. Was für ein Statement, Manifest, Kunstwerk!

Doch das sind »Raw Power« und »Shake Appeal« ja ebenfalls, nur nicht ganz so lebensgefährlich schillernd, auch wenn Iggy über letztere im Booklet meint, nie wieder so nahe dran an Little Richard gewesen zu sein, einem seiner Vorbilder. Reynolds unterstellt Iggy ein »Method Acting«: den Lärm auf sich selbst anwenden, um das Publikum auf die Probe zu stellen.

Und so fordert er gleich im zweiten Lied: »Gimme danger little stranger«. Es hat die beste Stelle auf dem ganzen Album, dann, wenn Iggy in der zweiten Strophe nach der Zeile »Raise my feelings one more time« aufschreit und das Lied in zwei Hälften bricht, indem er diese Ballade brüllend beschleunigt, aber dann auch wieder blitzartig das Tempo runterfährt, um sie sozusagen im Höllenfeuer verglimmen zu lassen.

MainMan hatte angeordnet, dass sich auf »Raw Power« zwei Balladen befinden sollten. Auch die zweite, »I Need Somebody« auf der B-Seite, wird gegen Ende hin geschreddert, in kongenialem Teamwork von Iggy Pop und James Williamson, der mit seiner Gitarre die Lieder zersägt, mit skizzenartigen, improvisierten Soli, die er aneinanderreiht. Er ist das destruktive Echo von Iggys aufreizend unheilvollem Gesang, dem er bei allem Grobianismus letztlich geschmeidig folgt. »I need somebody, baby« – geht es überhaupt universaler? Ich brauche jemand, aber bitte auf drei Spuren: einen Iggy, einen Williamson, eine Band namens Stooges.

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