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PINK FLOYDMore Arno Frank

[EMI, 1969]

Um 1900 entdeckten Schwammtaucher in einem antiken Schiffswrack vor der ionischen Insel Antikythera einen Mechanismus, der seiner Zeit um mehr als tausend Jahre voraus war. Fragmente des 2000 Jahre alten, heftig korrodierten Gerätes lassen sich im Archäologischen Nationalmuseum von Athen bewundern. Wahrscheinlich handelt es sich um eine astronomische Uhr von atemberaubender Präzision. Zahnräder und epizyklische Getriebe, anhand derer sich der Stand von Sonne, Mond und allen Planeten berechnen ließ. Die Existenz eines solchen analogen Computers aber setzt Wissen und Fertigkeiten voraus, die den damaligen Menschen eigentlich niemand zugestehen will. Es ist, um ein Zitat von H. P. Lovecraft oder auch Metallica zu verwenden, »the thing that should not be«. Der »Mechanismus von Antikythera« kommt mir immer in den Sinn, wenn ich »More« höre.

Unter zeitgenössischen Geschmackswächtern hat sich die Ansicht durchgesetzt, Pink Floyd für ihre späteren Platten als Produzenten von psychedelischem Pomp abzutun. Maximal findet sich ein Bescheidwisser, der dann den Finger hebt und einwirft: »Die waren gut, solange Syd Barrett noch dabei war!« Beide Ansichten haben ihre perspektivische Berechtigung. Zusammen ergeben sie aber einen toten Winkel von 1968 bis 1970. In die Zeit zwischen Barrett und Pomp fallen allerlei Experimente und Auftragsarbeiten, von »A Saucerful Of Secrets« bis »Ummagumma«. Und auf einer dieser vergessenen Platten, um auch mal eine Ansicht zu Gehör zu bringen, haben Pink Floyd ganz beiläufig den Heavy Metal erfunden.

»More« war der Soundtrack zum gleichnamigen Film von Barbet Schroeder und aus Sicht der Plattenfirma ein Projekt, bei dem Pink Floyd absolut freie Hand hatten. Beim ersten Hören – und verglichen mit der obsessiven Homogenität späterer Alben – klingt »More« wie eine lockere Ansammlung zerstreuter Skizzen, die man auch hätte verwerfen können. Beim zweiten Hören fällt auf, dass beinahe jede einzelne dieser Skizzen eine Suchbewegung ist. Avantgarde, von der damals aktuellen »musique concrète« (»Quicksilver«) über flirrenden Proto-Ambient (»Main Theme«) und pulsierenden Proto-Krautrock (»Up The Khyber«) bis zu pastoralem Proto-Freakfolk (»Cirrus Minor«). Spätestens beim dritten Hören leuchtet ein, dass alle diese Entwürfe im Grunde nur den Schlamm bilden, in dem der korrodierte Proto-Metal von »The Nile Song« und »Ibiza Bar« erhalten ist.

Denn Schlamm, »sludge«, ist das entscheidende Stichwort. Okay, in »Boris The Spider« von The Who hört man 1966 erstmals den Growl, und der harte Rock’n’Roll von »Helter Skelter« erschien nur wenige Monate zuvor. Andere Anwärter auf den Titel »Erster Metal-Song aller Zeiten« erschienen entweder später (»Black Sabbath«, 1970) oder entfalteten ihre einschlägigen Qualitäten nur auf der Bühne – wie »Dazed And Confused« von Led Zeppelin oder »Wring That Neck« von Deep Purple. Die identischen Brüder »The Nile Song« und »Ibiza Bar« dagegen klingen schon auf Platte, wie sie gemeint sind – gemein. Niemandem würde auffallen, fänden sich »Ibiza Bar« und der noch einen Tick kompromisslosere »The Nile Song« auf einem Album von Mastodon, den Melvins oder Voivod.

Beide Titel geschrieben hat Roger Waters, vorangetrieben werden sie von seinem in Moll abrollenden Bass und dem wuchtig polternden Schlagzeuggeröll von Nick Mason. Beherrscht aber werden beide Titel von David Gilmour, der mehrere Spuren seiner Fender Stratocaster zu hohen und immer höheren Gebirgen auftürmt und sich in dessen Schluchten heiser die Seele aus dem Leib brüllt. Dieses Zwillingsgeschütz aus »The Nile Song« und »Ibiza Bar« ist nicht einfach nur ein Vorläufer, der mit gutem Willen bereits Kommendes erahnen lässt. Es ist Sludge Metal »avant la lettre« und in Vollendung, the thing that should not be.

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