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Sprache der Liebe
ОглавлениеSpiritualität hat etwas mit Übersetzen, Deuten und Sprache zu tun. Eine Spiritualität, die sprachlos macht oder gar die Sprachlosigkeit als höhere Form der Vergeistigung anpreist, steht für mich in der Gefahr, lieb-los zu werden. Sprachverweigerung ist intensivste Liebesverweigerung. Das hat mich ein Ehepaar gelehrt, dessen Streitigkeiten |28| jeweils so ausgetragen wurden, dass der Mann schwieg, von einer Woche bis zu zwei Monaten. Während einer solchen Phase, wurde ich zum Essen eingeladen. Das Gespräch ging im Dreieck über mich. Ich bin noch nie so nahe an einen hysterischen Schreianfall geraten. Schweigen kann seine Zeit haben, Schweigen kann wohltuend und sogar verbindend sein, aber es braucht die Deutung der Sprache, die Begrenzung durch Sprache, sonst wird Schweigen chaotisch und tödlich.
Ich habe grosse Hemmungen beim Tanzen im gottesdienstlichen Rahmen und habe mich gefragt, warum. Zum einen bin ich extrem scheu, wenn es darum geht, dass andere mich anschauen wenn ich mich bewege, und zum andern kommt es mir so künstlich vor. Pina Bausch, die Choreografin aus Wuppertal, erzählt, dass sie in Mexiko in einen Saal geführt wurde, wo Hunderte von Paaren – junge, alte – getanzt haben. Gesittet sei es zugegangen, aber im Saal habe eine fast greifbare Erotik geherrscht: «Es war so schön; ich habe weinen müssen.»
Vielleicht fehlt mir im heutigen Spiritualitätsboom die Erotik, die Sprache der Liebe.
Erschienen in FAMA 3/1999: «Erkundungen zu Spiritualität»