Читать книгу Geschichte Japans - Группа авторов - Страница 16

3 Der frühe Feudalismus
Von Detlev Taranczewski

Оглавление

Epochenüberblick

Hof und Hofadel haben in der Epoche des Altertums von ihrer Residenzstadt aus das kulturelle, politische und wirtschaftliche Geschehen beherrscht. In der nun folgenden Epoche machen ihnen Krieger, Bauern und Geistliche diese Vorherrschaft streitig und drängen sie schließlich in wenigen Jahrhunderten ganz an den Rand der Handlung. Um diese lange währende, von den Provinzen ausgehende Umwälzung und die sich herausbildende neue Struktur schlagwortartig zu charakterisieren, erschienen uns die Begriffe Feudalismus und Mittelalter, die beide aus der europäischen Geschichte vertraut sind, angemessen. Das japanische Mittelalter umfasst eine Zeitspanne vom ausgehenden 11. bis zum späten 16. Jahrhundert. Mit dem europäischen Mittelalter hat es gemein, dass es wie dieses als Zwischen-Epoche verstanden wird. Beginnend mit der Desintegration eines »antiken« zentralistischen Staatswesens endet es mit der Frühen Neuzeit, einer Epoche staatlicher Rezentralisierung. Die Tendenz zur Dezentralisierung politischer Herrschaft ist das hervorstechende Merkmal des japanischen wie auch des europäischen Mittelalters. Im damit umfassten Zeitraum unterscheiden sich jedoch beide: Das europäische Mittelalter beginnt im 5. oder 6. Jahrhundert, also ein halbes Jahrtausend vor dem japanischen. Dagegen liegt das Ende des Mittelalters in beiden Fällen nicht weit auseinander – in Europa um die Wende vom 15. zum 16., in Japan im späten 16. Jahrhundert.

»Mittelalter« und »Feudalismus« gehören beide zum festen Begriffsbestand der modernen japanischen Geschichtsschreibung. Mit Feudalismus assoziieren wir zunächst bestimmte Formen der soziopolitischen Organisation innerhalb der herrschenden Aristokratie, deren Grundelemente Vasallität und Lehnswesen sind. Vasallität bezeichnet als idealer Typus von Vergesellschaftung ein auf freiwilligem Vertrag unter rechtlich Gleichen gegründetes Verhältnis zwischen Vasall/Gefolgsmann und Herrn, in dessen Rahmen der Vasall Unterstützung vor allem militärischer Art verspricht, wofür er im Gegenzug vom Herrn rechtlichen Schutz gewährt bekommt. Das Lehnswesen bildet die materielle Seite der Vasallität. Der Herr überlässt seinem Vasallen Herrschafts- und Nutzungsrechte über Territorien oder auch andere Einkunftsquellen, kurz: Lehen, um sich so seiner Treue zu versichern und um außerdem seinen Herrschaftsbereich durch fähige Männer seines Vertrauens zu schützen und zu verwalten. Im weiteren Sinne umfasst der Begriff Feudalismus – oder genauer: Feudalgesellschaft – auch bestimmte Formen von Herrschaft über Land und Leute, insbesondere über die ackerbäuerlichen Produzenten. Aber auch autonome Geistlichkeit, Städte und freies Stadtbürgertum sowie selbstverwaltete Landgemeinden und Landschaften gehören in das Bild speziell der frühen Feudalgesellschaft – in Europa wie in Japan. In Japan deckt sich der frühe Feudalismus mit dem Mittelalter, der vom 11. bis 16. Jahrhundert dauernden Epoche der Dezentralisierung. Auch die nachfolgende Epoche, die Frühe Neuzeit (spätes 16. bis Mitte des 19. Jahrhunderts, s. Kap. 5), wird in der japanischen Geschichtsschreibung oft als feudal verstanden und wegen ihrer zentralistischen politischen Struktur mit dem europäischen Absolutismus verglichen. Um die Tiefe des Umbruchs von der alten zur feudalen sozialen Ordnung zu verdeutlichen, folgt zunächst eine Schilderung der Ausgangslage im Altertum und der tiefgreifenden Veränderungen, die im Lauf des 10. Jahrhunderts vor allem die Agrarverfassung und -politik betrafen. Die Differenzierung der Rechte am Land in den Provinzen und die politischen und ökonomischen Folgen für Provinzen und Hauptstadt legt der darauffolgende Abschnitt dar. In den beiden nächsten Abschnitten wird die innovative Rolle lokaler Grundherren im Ackerbau beleuchtet und die militärische Seite der lokalen Grundherren sowie die neuen Formen sozialer Organisation, die sie hervorbringen, beschrieben. Nachdem so die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Voraussetzungen der mittelalterlich-feudalen Epoche umrissen sind, wirft der folgende Abschnitt einige Schlaglichter auf den politischen Prozess, in dem die neuen kriegeradligen Protagonisten die Verfassung des Landes von Grund auf umgestalten. Der abschließende Abschnitt richtet den Blick auf die innovative Dynamik, die im Mittelalter die gesamte Gesellschaft erfasst hat.

***

um 750 Staatlich betriebene Erschließungsfelder für das Kloster Tō dai-ji (»frühe shōen«); älteste Flurpläne; widersprüchliche Gesetzgebung über die Rechte an erschlossenem Ackerland

879 Ausweisung von 4000 chō / ha Nassreisfeldern in Hauptstadtnähe als staatlich betriebene »Amtsfelder« (gangyō kanden)

902 Reformen der Ära Engi (Neuordnung des shōen-Grundbesitzes)

914 Throneingabe von Miyoshi Kiyoyuki über die Missstände in den Provinzen

931 Aufforderung des Hofs zur Erschließung von Brachland in allen Provinzen

935–941 Rebellion von Taira no Masakado im Osten und Fujiwara no Sumitomo im Westen des Landes

939, 945 Religiös-soziale Bewegung im Westen erreicht die Hauptstadt

950 Eingetriebene Steuermenge Hauptkriterium für die Dienstbewertung der Provinzgouverneure

974 Zeremonie zur Besänftigung der »Zorngeister« (goryō e) am Gion-Schrein in der Hauptstadt

976 Schweres Erdbeben erschüttert den Großraum Kyōto

984, 987, 1040 Gesetze zur Kontrolle und Neuordnung der shōen (Ären Eikan, Eien und Chō kyū)

988 Klage der Provinzbewohner gegen das Missregiment des Gouverneurs der Provinz Owari

1028–1031 Feldzug gegen die Rebellion des Taira no Tadatsune im Kantō-Gebiet

1045 Shō en-Kontrollgesetz (Ära Kantoku): alle shōen, die lediglich über eine Genehmigung des Provinzgouverneurs, nicht aber der Zentralregierung, verfügen, sind nach Ende seiner Dienstzeit aufzuheben

1047–1189 Weitgehend autonome Herrschaft der Ōshū-Fujiwara im Nordosten (Mutsu, Dewa) mit Hauptsitz in Hiraizumi

1051–1062 Neunjähriger Krieg im Nordosten (gegen die Abe in Mutsu)

1055, 1065 Shō en-Kontrollgesetze (Ären Tengi und Jiryaku): alle nach 1045 errichteten shōen sind aufzuheben

1069 Shō en-Kontrollgesetz (Ära Enkyū): Verbot aller nach 1045 errichteten shōen sowie solcher mit unklarem Rechtsstatus; Zwang zur Fixierung der mit Abgaben und Diensten belasteten Parzellen und zur Erstellung von Verzeichnissen aller Flächen mit den Namen der Rechteinhaber; Einrichtung einer zentralen Behörde zur Kontrolle der shōen (kirokusho)

1083–1087 Dreijähriger Krieg im Nordosten (gegen die Kiyohara in Mutsu)

1086 Mit Shirakawa-Tennō beginnt das System der sog. »Exkaiserregierung« (insei)

1091 Verbot der höfischen Regierung, dass die Krieger und lokalen Grundherren in den Ost-Provinzen ihre Rechtstitel an Ackerland auf Minamoto no Yoshi’ie übertragen, um sich seiner Schutzherrschaft zu unterstellen

1092 Aufhebung aller von Minamoto no Yoshi’ie in den verschiedenen Provinzen errichteten shōen

Kriegermönche des Kō fuku-ji aus Nara brennen in der Nähe der Hauptstadt die Häuser von Widersachern nieder – Großbrand in der Hauptstadt

1094 Feldzug gegen den Nordosten

1095 Einrichtung einer Leibgarde des Exkaisers (hokumen no bushi)

1096 Großer Dengaku-Tanz führt zu einem mehrtägigen Chaos am Hof und in der Hauptstadt

1099 Shō en-Kontrollgesetz (Ära Kō wa): alle neu errichteten shōen sind aufzuheben

1111 Wiedereinrichtung der shōen-Kontrollbehörde (kirokusho)

1119 Der Exkaiser verwirft das Ansinnen, in der Provinz Kō zuke (Ostjapan) shōen mit einer Gesamtfläche von 5000 chō / ha zu errichten

1126 Fujiwara no Kiyohira, lokaler Magnat im Nordosten, errichtet den wegen seiner Pracht landesweit berühmten Tempel Chūzon-ji in seiner Residenzstadt Hiraizumi in Mutsu

1135 Feldzug von Taira no Tadamori gegen die Piraten im Westen

1156 Hō gen-Krieg; Beginn der Hegemonie der Krieger am Hof Shō en-Kontrollgesetz (Ära Hō gen); erneute Einrichtung der shōen-Kontrollbehörde

1159 Heiji-Krieg; Taira no Kiyomori etabliert seine Vorherrschaft

Beginn der Exkaiserherrschaft von Go-Shirakawa

1167 Taira no Kiyomori wird Großkanzler – erstmals bekleidet ein Kriegeraristokrat das höchste Hofamt

1173 Die shōen der 15 großen Klöster von Nara werden konfisziert

1177 Putschversuch von Exkaiser Go-Shirakawa gegen Taira no Kiyomori

1180 Vorübergehende Verlegung der Hauptstadt nach Fukuhara (Kō be) durch Taira no Kiyomori

Minamoto no Yoritomo errichtet seine Residenz in Kama kura und beginnt die Rebellion gegen Taira no Kiyomori

1181 Taira no Kiyomori stirbt

1184 Minamoto no Yoritomo beginnt mit dem Aufbau seines Regierungsapparats in Kamakura

1185 Seeschlacht bei Dan-no-ura, Vernichtung der Parteigänger von Taira no Kiyomori

Yoritomo setzt militärische Provinzprotektoren und Landverwalter ein (shugo und jitō)

1186 Erneute Einrichtung der shōen-Kontrollbehörde, die nunmehr als eine der zentralen Regierungsbehörden des Hofs in der Hauptstadt zur Dauereinrichtung wird

1189 Yoritomos Feldzug gegen die Ōshū-Fujiwara; Tod Minamoto no Yoshitsunes

1192 Yoritomo wird zum Shōgun ernannt; Aufschwung des Rinzai-Zen nach Rückkehr des Mönches Eisai aus China

1199 Yoritomos Tod

1205 Verbot der populären buddhistischen Erweckungsbewegung des senshū nembutsu; Shinran, Initiator einer reformbuddhistischen Laiengemeinschaft, wird nach Echigo (Nordjapan) verbannt

1221 Missglückter Putsch des Exkaisers Go-Toba gegen das Shōgunat: er und zwei weitere Exkaiser werden in entfernte Provinzen verbannt (Jō kyū no ran)

1223 Erlass des Shōgun zur Anlage von Feldregistern (ō tabumi) in allen Provinzen

1225 Taira no Masako, nach dem Tod ihres Gemahls Minamoto no Yorimoto Machthaberin im Kamakura-Shōgunat, stirbt; shōen-Kontrollgesetz (Ära Karoku)

1227 Gründung der Sō tō-Schule des Zen durch Dō gen nach seiner Rückkehr aus China

1232 Abfassung des ersten umfassenden Gesetzeskodex des Shōgunats Goseibai Shikimoku

1274 1. Invasion der Yuan-Truppen (»Mongolen-Invasion«)

1281 2. Invasion der Yuan-Truppen

1293 Stärkung der Rolle der shōen-Kontrollbehörde unter Fushimi-Tennō

1297 Allgemeiner Schuldenerlass durch das Shōgunat; das Shōgunat erlässt Bestimmungen über Geldverleih, Wechsel und Handel mit Pfandbriefen

1320 Aufstand des Volkes der Ezo (Emishi) in Nordost-Japan

1333 Sturz des Kamakura-Shōgunats; Go-Daigo-Tennō macht die shōen-Kontrollbehörde zu einem zentralen Regierungsorgan für die Kontrolle der Besitzverhältnisse

1334 Versuch von Go-Daigo-Tennō zur Etablierung einer unmittelbaren Kaiserherrschaft

1336 Kō myō wird Tennō

Beginn des Doppelkaisertums

1338 Ashikaga Taka’uji wird Shōgun

1339 Go-Daigo-Tennō stirbt

1352 Gesetz über die Auferlegung einer neuen Militärsteuer auf shōen durch die shugo

1358 Tod von Ashikaga Taka’uji

1378 Shōgun Ashikaga Yoshimitsu errichtet seine Residenz im Stadtteil Muromachi im nordöstlichen Kyōto (Kinkaku-ji, »Goldener Pavillon«)

1392 Thronfolgekompromiss zwischen Nord- und Südhof durch Vermittlung des Shōgunats – Ende des Doppelkaisertums

1393 Erlass zur Besteuerung der Geldverleiher

1441 Ermordung des Shōgun Ashikaga Yoshinori durch den shugo-daimyō Akamatsu Mitsusuke (Kakitsu no ran); auf die Forderungen der großen Einung der Landleute in den hauptstadtnahen Provinzen (Kakitsu no do-ikki) gibt das Shōgunat schließlich einen Schuldenerlass

1444 Allgemeiner Landpfennig (tansen) des Shōgunats zur Wiedererrichtung des Kaiserpalastes

1447 Kampf zwischen den Klöstern Kō fuku-ji und Tō daiji in Nara

1448 Das Shōgunat verbietet die Versammlungen der Landleute (domin-shue)

1466 Einströmen großer Mengen von Kupfermünzen aus Ming-China

1467–1477 Krieg in Zentraljapan mit den Häusern Yamana und Hosokawa als Protagonisten (Ōnin-Bummei no ran)

1485 Große Provinzeinung von Yamashiro (Yamashiro no kuni-ikki); Forderung nach Truppen-Abzug

1488 Große Ikkō-Provinzeinung von Kaga (Kaga no Ikkō – ikki); shugo Togashi Masachika wird in den Kämpfen getötet

1491 Ise Naga’uji, gen. Hōjō Sō un, beginnt Schaffung seines weite Teile von Kantō umfassenden daimyō-Fürstentums

1495 Ise Naga’uji errichtet seine Hauptfestung Odawara

1497 Rennyo, Oberhaupt der buddhistischen Gemeinschaft Jō do-Shinshū, errichtet den Haupttempel Hongan-ji in Ishiyama (Ōsaka)

1501 Der Kaiserhof ersucht das Shōgunat um Finanzmittel für die Thronbesteigungszeremonie

1506 Kampf der Anhänger der buddhistischen Ikkō-Gemeinschaften gegen das shugo-Haus Asakura von Echizen

1521 Das Shōgunat gewährt dem Kaiserhof mit 20jähriger Verspätung die Mittel für die Thronbesteigungszeremonie – Verarmung des Kaiserhofs

Beginn des Baus von Burgstädten (Yamaguchi, Odawara)

1536 Auf Druck der Geldverleiher setzt das Shōgunat einen zuvor gegebenen Schuldenerlass wieder außer Kraft

1568 Oda Nobunaga erhebt Militärsteuer in Settsu und Izumi, außerdem hebt er alle Zollschranken auf

Einzug Nobunagas in Kyōto

1571 Oda Nobunaga brennt den Tempelberg Hieizan bei Kyōto nieder, mehrere tausend Mönche werden dabei getötet

1573 Oda Nobunaga vertreibt den Shōgun Ashikaga Yoshiaki

Ende des Muromachi-Shōgunats

Geschichte Japans

Подняться наверх