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Vorwort
ОглавлениеGeschichte und Kultur Japans üben seit den ersten Kontakten zwischen beiden Welten um die Mitte des 16. Jahrhunderts auf Europa eine besondere Anziehungskraft aus. Ein Teil dieser Faszination geht sicherlich auf die Tatsache zurück, dass die Geschichte dieses von Europa räumlich so weit entfernten Landes auffallende Ähnlichkeiten und Parallelen zu jener Europas zur jeweils gleichen Zeit aufweist, oder dass sie zumindest in dieser Weise interpretiert werden kann. So haben die Hidalgos und Jesuitenmissionare des 16. Jahrhunderts in Japan eine ihnen ohne Schwierigkeiten verständliche Feudalgesellschaft vorgefunden. Diese empfundene Europa-Nähe führte in der Folge dazu, dass Japan in der europäischen Geistesgeschichte vielfach als Vorbild – etwa in der Gegenreformation und Früh-Aufklärung – oder als Ort einer Europa-Kritik dargestellt wurde. Nach der Öffnung des Landes und dem Beginn der Modernisierung ab 1868 lassen sich Parallelen insbesondere mit der Geschichte Deutschlands, das ja erst drei Jahre nach Japan 1871 mit dem Aufbau des modernen Nationalstaates begonnen hat, aufzeigen. Nicht von ungefähr hat sich daher Japan in diesem Zeitabschnitt vielfach an deutschen Vorbildern orientiert. Auch im 20. Jahrhundert sind solche Parallelen mit Entwicklungen in Deutschland auffällig. Vor allem das Bündnis zwischen beiden Mächten im Zweiten Weltkrieg – wiewohl von beiden Seiten ungeliebt und zu Recht als »hohle Allianz« bezeichnet – sowie der ähnlich verlaufene wirtschaftliche Wiederaufstieg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben dazu geführt, dass in beiden Ländern eine gewisse Vertrautheit mit dem jeweils anderen vorausgesetzt und in der Bevölkerung auch so gefühlt wird. Heute gehören beide Länder zu den führenden Industrienationen der Welt, sehen sich aber auch den gleichen Problemen wirtschaftlicher, sozialer – besonders demographischer – und auch kultureller Art gegenüber, die wiederum ein engeres Zusammengehen erforderlich machen.
Die deutschsprachige Japanforschung hat in den vier Jahrhunderten ihrer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Japan, seiner Geschichte, Kultur und Gesellschaft, eine Reihe ganz herausragender Ergebnisse erbracht, nicht nur auf dem Gebiete der Beschreibung, sondern auch auf dem der Deutung und Interpretation. Ein Teil dieser Ergebnisse ist heute noch gültig und integraler Bestandteil aller Japan-Diskurse.
Zuallererst muss hier der Name Engelbert Kaempfer genannt werden, ein Arzt, Botaniker und Entdeckungsreisender aus Lemgo in Lippe/Westfalen (1690–92 im Dienste der holländischen Vereenigten Oostindischen Compagnie (VOC) in Japan). Kaempfers Manuskript hat in seiner postum 1627 erschienenen englischen Übersetzung The History of Japan das Japanbild des Westens wie auch das Selbstbild Japans ganz nachhaltig geprägt mit seiner Darstellung der harmonischen Gesellschaft Japans als Vorbild für Europa. Als erster formulierte Kaempfer die Idee, Japan hätte sich Anfang des 17. Jahrhunderts freiwillig von der Außenwelt abgeschlossen, um den inneren Frieden zu sichern.
Weiter ist der Würzburger Arzt und Naturforscher Philipp Franz von Siebold zu nennen, der 1823–29 im Dienste des niederländischen Kolonialministeriums, 1859–63 als Angestellter einer holländischen Handelsfirma, dann als Berater der Shōgunatsregierung in Japan war. Siebolds Hauptwerk Nippon. Archiv zur Beschreibung von Japan und dessen Neben- und Schutzländern (Leiden 1832–52) interpretiert zumindest in seinem Titel die sogenannte »Landesabschließung« nicht als solche, sondern als eine durchdachte Maßnahme der Außenpolitik, mit der Japan sich eine eigene, von China verschiedene Machtsphäre mit einem Kordon von »Nebenländern«, nämlich Korea, Ryūkyū und den Ainu-Landen (Ezo = Hokkaidō, Sachalin, Kurilen) im Norden geschaffen habe.
Verglichen mit den Leistungen auf den Gebieten der Literaturwissenschaft, Philologie und – in den letzten Jahrzehnten verstärkt – der Sozialwissenschaften sind allerdings zusammenfassende Darstellungen geschichtswissenschaftlicher Art eher selten geblieben. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind nur wenige Überblicke zur Geschichte Japans in deutscher Sprache erschienen. 1968 erschien Das japanische Kaiserreich des US-Amerikaners John Whitney Hall in deutscher Übersetzung. Bis heute ist dies noch immer die zuverlässigste Geschichte Japans, sieht man einmal davon ab, dass allein schon das Erscheinungsjahr der Erstausgabe eine wirklich umfassende Darstellung und abschließende Interpretation der Nachkriegsgeschichte bzw. der Entwicklungen bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts unmöglich macht und vielfach umwälzende neuere Forschungen zu allen Teilbereichen der japanischen Geschichte nicht berücksichtigt sind. Hans Adalbert Dettmers Grundzüge der Geschichte Japans ist ebenso wie Reinhard Zöllners Geschichte Japans. Von 1800 bis zur Gegenwart ein Ergebnis des Hochschulunterrichts. Beide sind eher knapp gehalten bzw. beschränken sich auf einen Ausschnitt der gesamten Geschichte und wenden sich in erster Linie an Studierende. Die ursprünglich 1963 bis 1966 in japanischer Sprache in drei Bänden erschienene Nihon no rekishi von Inoue Kiyoshi ist 1995 von Manfred Hubricht als Geschichte Japans übersetzt herausgekommen. Sie ist ein typisches Produkt der marxistisch orientierten Geschichtsauffassung der liberalen »Nachkriegsdemokratie« Japans und setzt eine nähere Kenntnis dieser inner-japanischen Diskussion voraus, kann also kaum als erste Einführung empfohlen werden.
Die meisten Darstellungen der japanischen Geschichte benutzen für eine notwendige Gliederung des Stoffes ein Periodisierungsschema, das auch von der japanischen Geschichtsschreibung verwendet wird (s. Tab. S. 468 f.) und das sich ausschließlich an einem einzigen Kriterium orientiert. Dieses ist die Unterscheidung nach dem geographischen Ort, dem Sitz der die Macht ausübenden jeweiligen Regierung bzw. Regierungsorgans. Diese Gliederung beginnt im Jahre 710, als im nördlichen Teil der Yamato-Ebene (geographisch auch Nara-Becken genannt) die erste längerfristige Hauptstadt Heijōkyō (»FriedenspalastHauptstadt«) nach dem stadtplanerischen Vorbild von Chang’an, der Hauptstadt der chinesischen Tang-Dynastie, errichtet wurde. Nach dem späteren Namen der an Bedeutung rasch verlierenden Stadt wird diese Epoche als Nara-Zeit bezeichnet.
784 wird der Sitz des Tennō und der Regierung aus Nara wegverlegt, nicht zuletzt um dem Druck und den politischen Machenschaften der buddhistischen Klöster zu entgehen, und 794 das heutige Kyōto unter der Bezeichnung Heian-kyō (»Friedenshauptstadt«) als Regierungssitz etabliert. Die davon ihren Namen ableitende Heian-Zeit dauert bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, als 1192 eine in inneren Kämpfen die Vorherrschaft davontragende Militärclique im Ort Kamakura, im damals äußersten Osten des japanischen Reichsgebietes, ein Bakufu errichtet. Bakufu wird meist als »Zelt-Regierung« übersetzt. Der Begriff baku/maku bedeutet jedoch den übermannshohen, mit dem Wappen des Feldherrn geschmückten Spann-Vorhang, der das Oberkommando im Feldlager auf drei Seiten umgibt und vor Einsicht schützt. Die Bezeichnung »Feldlager-Regierung« sollte auf die militärische Genügsamkeit und Disziplin der neuen Machthaber, im Gegensatz zu dem ausufernden Prunk des Hofes und der Hofaristokratie, hinweisen.
Im Jahre 1333 wurde Kamakura in Feldzügen rivalisierender Clans niedergebrannt, und die siegreiche Partei verlegte ihr Bakufu zurück nach Kyōto in den Stadtteil Muromachi, um eine stärkere Kontrolle über den Hof auszuüben. Während jahrzehntelanger Kriegswirren im 16. Jahrhundert wurde Kyōto völlig zerstört. Der Jesuit Franz Xaver berichtet im Jahre 1550, er hätte nur armselige Hütten zwischen Brandruinen vorgefunden. Dennoch war die ideologische Bedeutung dieser Stadt als Sitz sowohl des Tennō als auch des Shōgun so groß, dass der erste der drei sogenannten »Reichseiniger«, Oda Nobunaga, erst mit der Besetzung Kyōtos 1568 seinen Machtanspruch als Herrscher ganz Japans anmelden konnte. Seinen Herrschaftssitz erbaute Nobunaga 1576 am Ort Azuchi am Biwa-See in Gestalt einer durch die Berichte der portugiesischen Jesuiten auch in Europa berühmten Burg. Sein Nachfolger, der Feldherr und kampaku (Reichskanzler) Toyotomi Hideyoshi, errichtete seine Residenz in Momoyama südlich von Kyōto und gleichzeitig 1583 die Zwingburg Ōsaka zur Sicherung der Herrschaft seiner Familie. Im Anschluss an die Perioden Kamakura und Muromachi werden daher die letzten Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts als Azuchi-Momoyama-Zeit bezeichnet.
Anfang des 17. Jahrhunderts errichtete der aufgrund eher zweifelhafter Genealogien Anspruch auf das Amt des Shōgun erhebende dritte »Reichseiniger« Tokugawa Ieyasu erneut ein Bakufu mit Sitz in Edo, einem damals unbedeutenden Fischerdorf am Nordende der Bucht von Tōkyō. Dort verblieb der Sitz des Shōgunates der Edo-Zeit bis zur Rückgabe des Amtes an den Tennō im November 1867.
So einsichtig und praktisch sich diese Gliederung auf den ersten Blick erweist, so schwierige Probleme birgt sie in sich. Zunächst ist klar, dass die japanische Geschichte nicht erst im Jahre 710 beginnt und auch nicht 1867 endet. Das erste Problem versuchte man dadurch zu lösen, dass man den Namen der Landschaft Asuka in der Südostecke des Nara-Beckens, in der sich bis auf wenige Ausnahmen die kurzfristig errichteten und wieder aufgegebenen Paläste und Regierungssitze mehrerer Herrscher im 7. Jahrhundert befanden, als Bezeichnung dieses Zeitabschnittes des altjapanischen Staates verwendete. Asuka ist allerdings genuin ein Terminus der Kunstgeschichte und als solcher im Zusammenhang mit politischer und Ereignisgeschichte missverständlich. Das zweite Problem ist noch einfacher umgangen worden, indem – ganz in Übereinstimmung mit dem oben angeführten Kriterium des Ortes des Regierungssitzes – nach 1868 von Tōkyō-Zeit gesprochen wurde. Allerdings gibt es in den etwa 150 Jahren, in denen Tōkyō nun schon Hauptstadt Japans und gleichzeitig auch Sitz des Tennō ist, mehrfach tiefgehende Brüche, die es schwierig machen, diesen Zeitabschnitt unter einem Terminus und Begriff zu subsumieren; es sei hier nur auf die sogenannte Meiji-Verfassung 1889, das Kriegsende 1945 und die darauf folgende »Friedens-Verfassung« von 1946 verwiesen.
Ebenfalls problematisch, weil kontrovers diskutiert, sind die jeweiligen Angaben von bestimmten Jahren für den Beginn bzw. das Ende der einzelnen Zeitabschnitte sowie die Frage der Behandlung von Übergängen. Für die Nara-Zeit ist z. B. das Jahr 710 als Beginn sowie 784 als Ende von Heijō-kyō als Regierungssitz durch kaiserliche Erlasse eindeutig. Die darauffolgenden zehn Jahre bis zur Etablierung von Heian-kyō wurden einfach als Weiterführung der Nara-Zeit behandelt. Ausgrabungen aus neuester Zeit haben jedoch eindeutig gezeigt, dass am Ort Nagaoka an der Verbindungsstrecke zwischen Heian/Kyōto und Ōsaka bereits Palast- und Regierungsbauten vollendet waren, nach 784 ein Regierungsumzug dorthin vollzogen worden war und man also folgerichtig zwischen 784 und 794 von einer Nagaoka-Zeit sprechen muss. Ebenso ist für das Ende der Heian-Zeit 1180 der Neubau einer Hauptstadt Fukuhara (im Gebiet der heutigen Stadt Kōbe) durch den Taira-Clan bekannt, in der auch der Tennō seinen Sitz nehmen musste. Am Übergang von der Kamakurazur Muromachi-Zeit wiederum kam es zu einem Schisma des Hofes. Der die kaiserlichen Regalien (Spiegel, Schwert und Krummjuwel) mit sich führende und daher als rechtmäßig anerkannte Süd-Hof nahm in den Bergen von Yoshino südlich der Nara-Ebene Zuflucht. Japanische Historiker nehmen dies zum Anlass, um von Nagaoka-, Fukuharabzw. Yoshino-Zeit zu sprechen, auch wenn dies zu einem immer komplizierteren Periodisierungsschema führt.
Da schließlich das Bakufu der Muromachi-Zeit mit den Bürgerkriegen der Ōnin- und Bummei-Ära ab 1467 seine zentralen Funktionen fast vollständig einbüßte, gab dies für die Geschichtsschreibung den Ausschlag, um für das 16. Jahrhundert von dem Kriterium des Regierungssitzes für die Gliederung von Geschichtsabschnitten abzugehen und die Zeit ab 1467 nach einem Terminus aus der chinesischen Geschichtsschreibung (Zhanguo, 476–221 v. Chr.) als Sengoku-jidai (»Periode der Streitenden Reiche«) zu bezeichnen, wobei deren Ende mit so verschiedenen Daten wie 1568 (Einzug Oda Nobunagas in Kyōto), 1598 (Tod Toyotomi Hideyoshis), 1600 (Entscheidungsschlacht von Sekigahara und Sieg von Tokugawa Ieyasu), 1616 (Fall der Burg von Ōsaka und Untergang der Familie Toyotomi) oder noch anderen belegt wird.
Dass sich eine nach einem so einfachen Kriterium aufgebaute und dabei gleichzeitig so komplizierte Fragen aufwerfende Periodisierung so lange gehalten hat, ist in erster Linie wohl dem Umstand zuzuschreiben, dass sie in ihren Grundzügen mit einer ebenfalls schon früh entwickelten Gliederung nach einem weiteren höchst einfachen Prinzip übereinzustimmen scheint, nämlich dem Prinzip des die tatsächliche Macht ausübenden Geschlechtes (de nomine ist dies immer die keinen Namen tragende Familie des Tennō-Clans). Schon in der Asuka-Zeit gewinnt die Familie der Fujiwara die Vorherrschaft unter einer Reihe um die Macht rivalisierender Clans. Sie kann ihre Stellung in der Nara-Zeit ausbauen, und in der Heian-Zeit ist sie so einflussreich, dass sie über Generationen hinweg die jeweilige Hauptfrau des Tennō stellt. Im 12. Jahrhundert beginnt dann der Aufstieg zweier »neuer«, sich auf Zweigfamilien der Tennō-Linie zurückführender Geschlechter, der Taira (Heike) und der Minamoto (Genji). Sie dominieren die Zeitabschnitte Fukuhara bzw. Kamakura, ebenso wie dies für die mit den Minamoto weitläufig verwandte Familie der Ashikaga in der Muromachi-Zeit und für die Tokugawa in der Edo-Zeit gilt.
Sehr früh hat die Geschichtswissenschaft erkannt, dass die Namen der einzelnen Geschlechter für verschiedene Gesellschaftsschichten stehen. Insbesondere die stark marxistischen Denkschemata verhaftete japanische Geschichtsschreibung des 20. Jahrhunderts hat auf der Grundlage dieser Periodisierungsansätze versucht, zu größeren Einteilungen zu gelangen. So entspricht die Herrschaft der Fujiwara in der Nara- und Heian-Zeit in der Sozialgeschichte der Vorherrschaft des Hofadels kuge bzw. des Kaiserhofes; die Form der Machtverwaltung entspricht dem Beamtenstaat nach chinesischem Vorbild, wie er durch die Verwaltungserlasse ritsu und ryō im Jahre 701 geschaffen wurde. Die Geschlechter der Taira, vor allem jedoch jene der Minamoto, Hōjō, Ashikaga und der Tokugawa repräsentieren die Macht des Schwertadels buke, die bis ins 19. Jahrhundert hinein aufrechterhalten werden konnte. Sie wird im Gegensatz zu europäischen Idealformen jedoch in »dezentralisierten« (Kamakura- und Muromachi-Zeit) und »zentralisierten« (Edo-Zeit) Feudalismus unterteilt, unterbrochen von der bereits erwähnten Unruhezeit des 16. Jahrhunderts. Das Aufkommen einer bürgerlichen Kultur im 17./18. Jahrhundert (Edo-Zeit) wird als möglicher Ansatz zu einer »Herrschaft der Bürger« (chōmin) diskutiert, aber keineswegs allgemein in dieser Form anerkannt. Die »Herrschaft des Volkes« (kokumin, als Stand eher shimin) wird im modernen Nationalstaat ab 1868 nach marxistischer Geschichtsauffassung durch den japanischen Kapitalismus beeinträchtigt, wenn nicht unterdrückt, und kommt erst nach 1945 voll zum Tragen.
Parallel zur Gliederung der europäischen Geschichte werden schließlich jeweils mehrere dieser mehr oder weniger deckungsgleichen Perioden und Zeitabschnitte zu großen, übergreifenden Epochen zusammengefasst: Das Altertum der japanischen Geschichte, kodai oder jōdai, entspricht Asuka-, Nara- und Heian-Zeit mit der Herrschaft des Hofadels, insbesondere dem Geschlecht der Fujiwara. Kamakura- und Muromachi-Zeit, d. h. die Periode der Herrschaft des Schwertadels im Abschnitt des dezentralisierten Feudalismus, werden als Mittelalter chūsei zusammengefasst, wobei der Übergang zur Frühen Neuzeit kinsei der Edo-Zeit (Tokugawa-Shōgunat bzw. zentralisierter Feudalismus) nicht immer eindeutig festgelegt ist. Der darauffolgende Abschnitt der Neuzeit kindai umschließt die Tōkyō-Zeit ab Mitte des 19. Jahrhunderts bis 1945, danach folgt die Gegenwart gendai ab 1945.
Im Hinblick auf die angeführten Schwierigkeiten, die diese bisher üblichen Einteilungsversuche einer Überblicksdarstellung in den Weg stellen, haben wir uns entschieden, in der vorliegenden Beschreibung einen anderen Weg zu gehen. Die Darstellung der verschiedenen, im Laufe der japanischen Geschichtsschreibung in den Vordergrund gerückten »großen« Daten der politischen oder der Ereignisgeschichte treten in den Hintergrund, und langfristige Entwicklungen, ausgehend von zunächst noch wenig auffälligen Veränderungen in Wirtschaft, Gesellschaft oder im Wertesystem, gewinnen an Bedeutung. Vor allem kommt es zu jeweils längeren Übergängen und Überlagerungen, da ja Institutionen, selbst wenn sie mit einem Edikt neu geschaffen bzw. aufgelöst werden, ihre volle Bedeutung niemals sofort entfalten oder beenden. Dies gilt vielleicht in ganz besonderem Maße für Japan, wo zumindest ab Mitte des 6. Jahrhunderts die Linie des Tennō-Geschlechts ungebrochen an der Spitze des Staates steht, ohne jedoch durchgehend auch die Macht in Händen zu halten. Auch das Bakufu/Shōgunat hat nach seiner Schaffung 1192 ungebrochen bis 1867 bestanden.
Für die Periodisierung bieten sich folgende Institutionen an, die jeweils im Mittelpunkt der Darstellung eines durch sie geprägten Geschichtsabschnittes stehen, über diesen hinaus aber Bestand haben: In der Geschichte des altjapanischen Staates von der Frühzeit bis zum 8. Jahrhundert sind es die sog. uji (»Geschlechter« oder »Clans«), mächtige Familienverbände, die in wechselnden Koalitionen um die Vorherrschaft zunächst in der Yamato-Ebene und später darüber hinaus kämpften. Aus ihnen geht die im darauffolgenden Geschichtsabschnitt, der durch die Machtkonzentration auf die Institutionen Hof und Hofadel geprägt ist, dominierende Familie der Fujiwara hervor. In peripheren Regionen halten sich jedoch regional stark verwurzelte Familienverbände bis ins Mittelalter hinein. Sie bilden die Machtbasis des Süd-Hofes während des Schismas im 14. Jahrhundert und werden erst durch die Kämpfe der Reichseinigung im 16. Jahrhundert bzw. den zentralen Machtapparat des Tokugawa-Bakufu völlig vernichtet.
Das erste Edikt, das im Jahre 830 erblichen Anspruch auf Landbesitz, der von Besteuerung, Gerichtsbarkeit und militärischen Gefolgschaftsleistungen ausgenommen ist, anerkennt, öffnet den Weg zu der für die Etablierung des »dezentralisierten« Feudalismus grundlegenden Institution der shōen-Grundherrschaften, deren Reste erst im 16. Jahrhundert aufgelöst werden. Für das Mittelalter bietet sich die als einzige von außen Japan angebotene Institution, das von der chinesischen Hegemonialmacht etablierte System des »Tributhandels«, d. h. der freiwilligen Einordnung in das mit Handelsfreiheiten verknüpfte Hegemonialsystem der Großmacht China, an. In Ansätzen lässt es sich schon in vorgeschichtlicher Zeit und dann wieder im Altertum erkennen; für das Königreich Ryūkyū ist es bis 1879 politische Leitlinie, doch für Japan (einschließlich Ryūkyū) ist vor allem jener Zeitabschnitt, der durch die Vollendung dieses außenpolitischen und ideologischen Systems durch die Ming-Dynastie Chinas ab dem 14. Jahrhundert geprägt ist, entscheidend. Die Umdeutung dieser Institution durch die ersten Tokugawa-Shōgune Anfang des 17. Jahrhunderts im Sinne eines nun von Japan dominierten Hegemonialsystems zeigt Japans neues politisches Bewusstsein.
Der moderne Nationalstaat der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts baut auf dieser Vorstufe auf. Seine Ideologie öffnet Wege zu einem Verständnis des japanischen Imperialismus, der Kolonialfragen bis hin zu Problemen der Aufarbeitung von Krieg und Nachkriegszeit in der Gegenwart. Da der Schwerpunkt unserer Darstellung auf der Neueren und der Gegenwartsgeschichte Japans liegen soll, haben wir im 20. Jahrhundert noch weitere, detailliertere Teilungen eingeführt und der Beschreibung der bürgerlichen Gesellschaft in den 1920er Jahren (»Taishō-Demokratie«), des Militarismus in den 1930er Jahren (kurai tanima, »Dunkles Tal«) und schließlich der ökonomischen Institutionen in ihrem Wirken während des wirtschaftlichen (Wieder-)Aufstieges Japans in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Japan als Handelsstaat, Technologiestaat und schließlich als Informationsgesellschaft) breiteren Raum eingeräumt. Die Autorinnen und Autoren dieses Buches sind zahlreichen Kolleginnen und Kollegen im In- und Ausland, vornehmlich in Japan, für langjährige und wertvolle Unterstützung zu großem Dank verpflichtet, zu vielen, um sie hier einzeln und namentlich zu nennen. Herr stud. phil. Christian Gmür von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat die Tabellen des Anhanges zusammengestellt. Herr Jens Ostwald, Tōkyō, hat in der Endphase der Redaktion sein Fachwissen eingebracht. Die Karten stammen von Herrn Dipl. Ing. Martin Gref von der Abteilung Kartographie des Geographischen Instituts der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Ihnen allen gilt an dieser Stelle unser herzlicher Dank, wobei abweichende Interpretationen und Fehler ausschließlich uns anzulasten sind.