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Grundherren und Ackerbau
ОглавлениеEine Schlüsselstellung in dem Konfliktfeld zwischen hauptstädtischen Grundherren und Provinzverwaltung nahm seit der Mitte des 11. Jahrhunderts die lokale Führungsschicht in den Provinzen ein, an erster Stelle die Distriktsvorsteher (gunji). Sie hatten kaum noch etwas mit ihren Vorläufern in der ritsuryō-Zeit gemein. Mittlerweile bildeten die Distrikte die einzige Verwaltungsebene unter dem Provinzgouverneur und seinem Stab. So waren die Weisungsstränge in der Provinz kürzer und effizienter geworden. Die Distriktsvorsteher rekrutierten sich aus der Schicht mächtiger lokaler Sippen, die ihre Stellung ihrer Kompetenz als Steuerpächter und Agrarier, aber auch ihren militärischen Fähigkeiten verdankten.
Viele dieser Distriktsvorsteher stammten von in der Provinz ansässig gewordenen ehemaligen Gouverneuren oder sonstigen aus der Hauptstadt entsandten Provinzbeamten ab. Ihr Amtstitel war ebenso mit dem typisch mittelalterlichen Grundwort -shiki versehen (gunji-shiki), hier im Sinne der Einheit hoheitlicher Kompetenzen mit bestimmten Einkünften aus dem gun-Distrikt; schon im 12. Jahrhundert war ihr Amt zu einem vererbbaren Besitz geworden. Ihre Kompetenzen umfassten Steuereintreibung, niedere Gerichtsbarkeit, Polizeigewalt und die Sorge für das Gedeihen des Ackerbaus, vor allem Instandhaltung oder Neuanlage von Bewässerungseinrichtungen. Die Distrikte waren in Steuerpachtbezirke (myō) aufgeteilt. Auch die Distriktsvorsteher selbst waren Steuerpächter. Sie bekleideten außerdem Ämter in der Provinzbehörde, dazu hielten sie wie die übrigen Provinzbeamten teilexemte »Sonder-myō« (betsu-myō) – Steuerpachtbezirke, auf denen sie ein stabileres Besitzrecht zu günstigeren Bedingungen etablieren konnten, als das auf den alten fumyō möglich war. Die Aufgaben der Distriktsvorsteher glichen im wesentlichen denen des lokalen geshi-Verwalters einer shōen-Grundherrschaft. Bedeutung und Autonomie dieser Schicht lokaler Machthaber wuchsen im Lauf des 12. Jahrhunderts rasant. Sie stellten in dieser Zeit schon als »lokale Grundherren« einen eigenen Typus von Grundherren dar im Unterschied zu den hauptstädtischen shōen-Grundherren wie den oben erwähnten ryō ke und honke. Wenn die lokalen Grundherren auch einzelne Phasen ihres Lebens in der Hauptstadt (etwa bei Militärdienst) zubrachten, so bildete doch die Provinz, die lokale Gesellschaft das wichtigste Feld ihrer Aktivitäten.
Im Zentrum ihres Lebensbereichs lag ihre Residenz (tachi oder yakata) mit dem Hausgrund (yashiki) von etwa einem Hektar Fläche. Er bot Raum für die herrschaftlichen Wohngebäude, für die Unterkünfte der jüngeren Vasallen (rotō), die den Wachdienst in der Residenz versahen, und für das unfreie Gesinde (shojū). Außerdem befanden sich auf dem Hausgrund Getreidespeicher, Geräteschuppen, Stallungen und sonstige Betriebseinrichtungen sowie Gärten und Koppeln. Der Hausgrund im engeren Sinne war von einem mit einer einfachen Fachwerkmauer oder mit Palisaden bewehrten Wall und einem Wassergraben umgeben. Das über eine Brücke zugängliche Eingangstor war mit einem Aufbau versehen, der zugleich Wachturm und kleines Waffenarsenal (yagura) war. Der Wassergraben diente nicht nur der Verteidigung, sondern oft auch als Wasserreservoir. Bei der üblichen geringen Wassertiefe erwärmte sich das Wasser leichter, was dem Wachstum der daraus bewässerten Reispflanzen förderlich war. Von hier aus wurde auch die Bewässerung der umliegenden Nassreisfelder reguliert. Der Hausgrund bildete den Kern der lokal-grundherrlichen Eigenwirtschaft, um ihn herum waren Nassreis- und Trockenfelder angelegt, die durch die Arbeitskraft des unfreien Gesindes, bäuerlicher Fröner oder kleinbäuerlicher Tagelöhner bestellt wurden. Wegen seiner engen räumlichen und rechtlichen Bindung an die Residenz wurde das Eigenwirtschaftsland »Pfortenfelder« (mondenbata) genannt. Die Residenz bildete einen autonomen, unverletzlichen Friedensbezirk und unterstand der uneingeschränkten hausherrlichen Gewalt. Das Eigenwirtschaftsland, das etwa 10 Hektar umfasste, war frei von allen Leistungspflichten an die Obrigkeiten. Hausgrund und Eigenwirtschaftsland – oft zusammenfassend yashiki »Hausgrund« genannt – bildeten den ideellen, rechtlichen und betrieblichen Kern der lokalen Grundherrschaft, das Eigentumsrecht daran war das ganze Mittelalter hindurch faktisch unangreifbar. Wegen des spezifischen Charakters des Hausgrundes und seiner Funktion im Ackerbau wurden vom lokalen Grundherrn oft Herrschaftsrechte auf das umliegende Land geltend gemacht. In der Nähe der Residenz waren die Hausstätten unfreier Bauern (shojū) gelegen, auch die Siedlung der freien Vollbauern (hyakushō) lag oft nicht weit entfernt. Die bäuerlichen Gehöfte waren zwar kleiner als die lokalgrundherrliche Residenz, zeigten aber einen ähnlichen Aufbau. Auf dem Hausgrund (yashiki) von 1/10 bis 3/10 Hektar Fläche stand das Wohngebäude des bäuerlichen Haushalts, der in der Regel nur aus einer Kernfamilie bestand und manchmal auch einige unfreie Mägde oder Knechte (genin) umfasste. Der kleinbäuerliche Familienbetrieb herrschte spätestens seit dem 11. Jahrhundert vor. Gutsherrschaft oder Latifundien-Betriebe haben in Japan nie eine bedeutende Rolle gespielt. Auf dem Hausgrund standen außerdem Betriebsgebäude und ein Verschlag für einen Büffel; Gartenland grenzte an, auf dem neben Ackerfrüchten für den Eigenbedarf auch solche für grundherrliche Abgaben angepflanzt wurden – z. B. Maulbeerbäume für die bäuerliche Seidenraupenzucht zur Herstellung von Steuerseide, Hanf für einfache Kleiderstoffe oder Zitrusfrüchte. Die Hausstätte war von einem Zaun oder einer Hecke eingefriedet und durch einen Torbogen zugänglich. Auch der bäuerliche Hausgrund stellte einen Friedensbezirk dar, den nicht einmal der Abgesandte des Grundherrn ohne Erlaubnis des bäuerlichen Hausherrn betreten durfte. Wie beim grundherrlichen Anwesen waren die Pfosten des Torbogens im oberen Bereich mit einem geweihten Tau aus Reisstroh verbunden, das unliebsame Geister fernhalten und den Besitzanspruch symbolisieren sollte. Um die Dorfsiedlungen (die natürlich nicht immer in der Nachbarschaft einer lokalgrundherrlichen Residenz gelegen waren) erstreckte sich die geschlossene Ackerflur aus Nassreis- und Trockenfeldern. Sie war in die bäuerlichen Arbeitsparzellen aufgegliedert, die überwiegend im Gemenge lagen. Zu einer Bauernwirtschaft gehörten durchschnittlich 1 Hektar Nassreisland oder das Doppelte an Trockenfeldern, was damals etwa einer Ackernahrung (Lebensunterhalt der bäuerlichen Familie und herrschaftliche Abgaben) entsprach, die wegen der günstigeren Naturbedingungen deutlich unter den im mittelalterlichen Nordwesteuropa üblichen 5–10 Hektar lag. Nicht nur an ihrer Hausstätte, sondern auch an einem Großteil des von ihnen bestellten Ackerlandes hatten die Bauern schon im 12. Jahrhundert meist ein stabiles Besitzrecht. Dies dürfte angesichts des besonders arbeitsintensiven Nassreisanbaus wohl auch einer latenten Arbeitskräfteknappheit geschuldet sein. In Jahrespacht bestelltes Land nahm bei der bäuerlichen Kernschicht nur einen unbedeutenden Teil ihrer Gesamtbetriebsfläche ein.
Das Ödland, das sich an die Ackerflur anschloss, wurde von den Dorfbewohnern gemeinsam für die Gewinnung von Gründünger und Nutzholz sowie als Weide für das wenige Vieh genutzt. Der Holzeinschlag war streng reguliert, damit der Wasserhaushalt des Bodens nicht beeinträchtigt wurde. Zu einer shōen-Grundherrschaft oder einer Untereinheit des Provinzlandes gehörten meist mehrere Dörfer mit ihren Gemarkungen. Oft waren aber die Grenzen grundherrschaftlicher Territorien unter Missachtung der Grenzen der Dorfgemarkung gezogen worden; in solchen Fällen hatten die Dorfbewohner verschiedenen Herren Leistungen zu entrichten.
Über die Ackerflur verstreut lagen auch die steuerbefreiten, von den Bauern in Jahrespacht bearbeiteten »Gehaltsfelder« (kyūden) und die teilbefreiten myō-Parzellen, die zum Besitz des lokalen Grundherrn gehörten und die von den bäuerlichen Betrieben bestellt wurden. Die lokale Grundherrschaft war gewissermaßen in konzentrischen Kreisen, die auch die abnehmende Stärke des Besitzrechts anzeigen, aufgebaut: Den Kern bildete die Residenz, die vom Eigenwirtschaftsland umgeben war, weiter entfernt lag das Gehaltsland und am weitesten die »Amts-myō«, von denen ein Teil der Erträge an den shōen-Grundherrn bzw. an die Provinzbehörde abzuliefern war. Im weiteren Umkreis lagen die freibäuerlichen Betriebe, von denen der lokale Grundherr Dienste und Abgaben für den in der Hauptstadt ansässigen shōen-Grundherrn oder für die Provinzbehörde einzog. Um die Verteilung der Rechte an den Erträgen entflammten immer wieder Konflikte zwischen Bauern, lokalem Grundherrn und übergeordneten Gewalten. Die polizeilichen und gerichtlichen Vollmachten des lokalen Grundherrn und seine »Fürsorge für den Ackerbau« erstreckten sich auf die gesamte Dorfgemarkung oder auf alle Dorfgemarkungen, die zu der von ihm verwalteten shōen-Grundherrschaft bzw. zu der Grundherrschaft auf Provinzland gehörten.
Lage und Funktion der Residenz des lokalen Grundherrn in der Agrarlandschaft sind Ausdruck seiner engen Beziehung zum Ackerbau. Vor allem das frühe Mittelalter war das Zeitalter des Landesausbaus, für den weniger eine quantitative denn eine qualitative Orientierung charakteristisch ist. Man veranschlagt, dass die Nassreisanbaufläche auf dem gesamten japanischen Archipel – ausschließlich der Ryūkyū-Inseln im Südwesten und Hokkaidōs im Nordosten – im frühen 10. Jahrhundert bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 4 Millionen Menschen etwa 860 000 Hektar umfasste. Diese Fläche war in der Mitte des 14. Jahrhunderts bei einer Bevölkerung von ca. 10 Millionen Menschen auf nur etwa 940 000 Hektar angewachsen. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war dann schließlich mit rund 1 600 000 Hektar (Bevölkerung etwa 25 Mio.) ein großer Sprung nach vorn gelungen. Diese Zahlen belegen, dass mit derselben Fläche eine immer größere Zahl von Menschen ernährt werden konnte. Diese »Intensivierung« des Anbaus ist gerade für das frühe und hohe Mittelalter typisch. Dazu trug besonders die größere Effizienz der Be- und Entwässerungsanlagen bei. Auch die Anbaumethoden wurden ertragbringender – z. B. durch das Umsetzen der Reispflanzen, die Verbesserung von Düngung und Arbeitsgeräten und den Einsatz neuer, an die jeweiligen klimatischen Gegebenheiten besser angepasster Reissorten, die z. T. vom Festland eingeführt worden waren. Seit dem 12. Jahrhundert sind Felder mit zwei, stellenweise sogar mit drei Ernten im Jahr (abwechselnd als Nassreis- und Trockenfeld genutzt) nachzuweisen.