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Kapitel 2: Operationsplanung und Kampfführung Rudolf Jaun Lagebeurteilungen und Operationsabsichten
der Armeeführung 1914–1918

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Wer im Aktivdienstbericht 14/18 von General Ulrich Wille und Generalstabschef Theophil Sprecher von Bernegg nach den zentralen Lagebeurteilungen, Operationsabsichten und Truppenaufstellungen der Schweizer Armee sucht, braucht nicht viel Zeit.1 Genau betrachtet gab es gerade einen einzigen Operationsbefehl, der noch während des Bezuges des Mobilmachungsdispositivs erlassen wurde. Das im August 1914 bezogene Grunddispositiv der Schweizer Armee blieb mit Retuschen bis 1918 gültig.

Zwischen 1914 und 1918 gab es aber eine ganze Menge möglicher Lageentwicklungen, die präsumtiv extrapoliert wurden und die zu Eventualplanungen und damit zu variantenreichen Operationsüberlegungen führten.2 Ob diese Eventualplanungen die grundlegenden Änderungen der Kampfführung auf den Kriegsschauplätzen des Ersten Weltkrieges nach dem Scheitern strategisch und taktisch offensiver Kriegführung an der Marne im September 1914 aufnahmen, ist von grösstem Interesse. Wollte die Schweizer Armee einem eingebrochenen Gegner nach wie vor offensiv entgegentreten, wie beispielsweise ihr Oberbefehlshaber beharrlich betonte?

Neben den in den Eventualplanungen angedachten Vorgehensweisen gibt es ein Quellendokument, das in diesem Zusammenhang zu interpretieren ist: den «Säbelrasslerbrief» von General Wille vom 20. Juli 1915 an Bundesrat Arthur Hoffmann in Sachen Import-Export-Kontrolle der Alliierten, der sogenannten Société Suisse de surveillance. Da steht:

«Frankreich und England (müssen) an ihrer grossen Front sich jetzt auch gefasst halten, denn sehr viel deutsche und österreichische Truppen können jetzt aus dem Osten abtransportiert werden. Bei dieser Lage der Dinge wäre es Frankreich wie Italien sehr unangenehm, wenn wir uns nicht anders helfen könnten, als ebenfalls zu den Waffen zu greifen. […] Ich möchte beifügen, dass ich nach wie vor die Erhaltung des Friedens für unsere oberste Aufgabe erachte, aber dass ich, wenn die Erhaltung unserer Selbständigkeit und Unabhängigkeit dies erfordert, den gegenwärtigen Moment für das Eintreten in den Krieg als vorteilhaft erachte.»3

Im Rahmen der Themenstellung dieses Artikels stellen sich folgende Fragen: Weist diese Quellenstelle über die Geistesverfassung und Sympathien von General Wille hinaus auf konkrete militärstrategische und operative Planungen hin? Wollte General Wille wirklich ohne Verletzung des neutralen Territoriums der Schweiz an der Seite der Mittelmächte in den Krieg eintreten? Erhielt der Generalstabschef den Auftrag, Aufmarschplanungen auszuarbeiten und operative Vorgehensweisen zu studieren?

Diese Fragen sollen im Kontext der in diesem Aufsatz behandelten Aspekte angegangen werden: 1. Potenzielle Problemlagen der Operationsplanung. Es geht darum darzustellen, welche Bedrohungslagen grundsätzlich für möglich gehalten wurden. 2. Manifeste Lagebeurteilungen und operative Absichten 1914–1918. Es wird der Frage nachgegangen, welche Lagebeurteilungen vorgenommen wurden und welche operativen Absichten dabei formuliert wurden. 3. Potenzielle Lageentwicklungen und Eventualplanungen 1914–1918. Hier soll der Frage nachgegangen werden, welche Lageentwicklungen für möglich gehalten wurden und welche Planungen entsprechend präsumtiv in Angriff genommen wurden.

Am Rande des Sturms: Das Schweizer Militär im Ersten Weltkrieg / En marche de la tempête : les forces armées suisse pendant la Première Guerre mondiale

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