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b) Aramäisch
ОглавлениеEinige kurze Textpassagen der Hebräischen Bibel sind auf Aramäisch geschrieben worden. Auch das Aramäische gehört zur nordwest-semitischen Sprachfamilie; es hat sich in Syrien entwickelt und wurde in der neuassyrischen und neubabylonischen Administration als Verwaltungssprache verwendet. Einige Besonderheiten des Aramäischen sind auch in Übersetzungen erkennbar, so etwa die Vokabel bar für »Sohn«110; das Hebräische hat ben111. Aus dem eigentlichen Stammgebiet Syrien und Nordmesopotamien sind eine Reihe altaramäischer Inschriften erhalten, denen wichtige historische und religiöse Hintergrundinformationen über die lokalen Verhältnisse in der frühen Eisenzeit zu entnehmen sind. Die eingangs wiedergegebene Szene mit dem Rabschake vor Jerusalem (2Kön 18) belegt, dass das Aramäische auch in der südlichen Levante als internationale Verständigungssprache bekannt war. In der persischen Zeit wurde es dann zur Lingua Franca des Perserreichs von Ägypten bis weit in den Osten ins heutige Afghanistan und Pakistan hinein. Der Sprachstand dieser Epoche wird in der Regel als »Reichsaramäisch« bezeichnet. Gut erhalten sind z. B. aus dem 5. Jh. die aramäischen Papyri einer jüdischen Siedlung auf der Nilinsel Elephantine an der Südgrenze Ägyptens. Erhalten ist sogar eine aramäische Version von Psalm 20, die in ägyptisch-demotischer Schrift geschrieben wurde und wohl aus dem 4. Jh. stammt.
Vor diesem Hintergrund ist überraschend, dass nur geringe Teile des AT auf Aramäisch geschrieben wurden; das Faktum belegt die große Bedeutung des Biblisch-Hebräischen als Überlieferungsträger und wohl auch Identitätsmarker. An zwei Stellen wird das Aramäische als literarisches Mittel eingesetzt: in Gen 31,47 benennen Jakob und Laban einen Steinhaufen je in ihrer Sprache als gal’ed (Hebräisch) oder jegar-śāhadûtā’ (Aramäisch); beides bedeutet etwa »Stele des Zeugnisses«. In Jer 10,11 steht im hebräischsprachigen Kontext ein einzelner Vers auf Aramäisch, hier werden die fremden Nationen in ihrer eigenen Sprache angesprochen: »Die Götter, die weder den Himmel noch die Erde gemacht haben, werden verschwinden von der Erde und unter diesem Himmel«. Die Distanz zwischen eigener und fremder Gottesvorstellung wird durch den Einsatz der fremden Sprache gesteigert.
Umfangreichere Textabschnitte in Aramäisch finden sich in den Büchern Esra und Daniel. Ihr Sprachstand wird als Biblisch-Aramäisch bezeichnet, weil erneut der ursprüngliche Konsonantenbestand mit der späteren masoretischen Vokalisation verbunden wurde, woraus sich einige Unstimmigkeiten ergeben. In Esr 4,8–6,18 wird die aramäische Sprache verwendet, um Dokumente wie einen Brief an Artaxerxes oder das berühmte Edikt des Kyros (Esr 6,3) einzuführen; das Gleiche gilt für Esras Beauftragung durch den Perserkönig in 7,12–26. So soll die Authentizität dieser Dokumente unterstrichen werden, wobei in der Forschung allerdings strittig ist, ob diese Texte tatsächlich auf originale Dokumente zurückgehen. In Esr 4–6 wird zusätzlich der ganze Erzählverlauf in Aramäisch gestaltet, in 6,19 wird ohne sprachliches Signal ins Hebräische zurückgewechselt.
Die aramäischen Abschnitte des Danielbuchs gelten allgemein als die ältesten Elemente dieser Schrift. Der Sprachwechsel geschieht in Dan 2,4b, als die Sterndeuter den König Nebukadnezzar auf Aramäisch nach seinem Traum fragen. Von da an wird durchgängig bis an das Ende von Kapitel 7 Aramäisch verwendet. Es gibt Hinweise darauf, dass auch Dan 1,1–2,4a ursprünglich in Aramäisch verfasst war, dann aber ins Hebräische übersetzt wurde, als die hebräischen Kapitel 8–12 dem Grundbestand zuwuchsen. Das Aramäische des Danielbuchs ist eine deutlich spätere Sprachstufe als das des Esrabuchs.
Neben der in den biblischen Kanon aufgenommenen Literatur gab es im damaligen Judentum noch eine Fülle weiterer aramäischer Texte, die nun zumindest fragmentarisch durch die Funde in der judäischen Wüste zugänglich sind. Erwähnenswert ist besonders das Buch Tobit, dessen griechische Übersetzung zu den Apokryphen des AT gehört. Von ihm sind sowohl hebräische als auch aramäische Texte gefunden worden, so dass nicht sicher zu entscheiden ist, welche Version die originale Sprache und welches die Übersetzung war. Doch zusammen mit der griechischen Version belegt dies eindrucksvoll die Vielsprachigkeit des Judentums in der hellenistischen Zeit.