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2. Die Schriftkultur im antiken Israel und Juda

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Die Schriftkultur im antiken Israel und Juda ist Teil und Erbe des altorientalischen Schul- und Schreiberwesens.6 Die Schreiberausbildung in der antiken Welt war stark vom Studium der Klassiker geprägt und daraufhin ausgerichtet, dass deren Inhalte von den künftigen Angehörigen der Schreiberklasse memorisiert wurden. Die Textbeherrschung der Schreiber war also im Wesentlichen über deren Gedächtnis vermittelt. Zitate und Anspielungen konnten sie in der Regel aus ihrer Erinnerung abrufen. Für die historische Exegese der Hebräischen Bibel sind diese Überlegungen von erheblicher Bedeutung: Besonders in denjenigen Textbereichen, die durch Vorgänge innerbiblischer Schriftauslegung geprägt sind, wird man zurückhaltender als bisher sein müssen, wörtliche Berührungen zwischen verschiedenen Texten sogleich als »literarische Bezüge« einzustufen, die allein auf schriftlicher Ebene zu interpretieren sind. Selbstverständlich lassen sich solche Bezüge erkennen und natürlich sind sie von Belang für die Interpretation einer biblischen Schrift. Doch hat man sich ihre Entstehung wohl in einer Vielzahl von Fällen anders vorzustellen als dergestalt, dass der Autor des betreffenden Texts verschiedene biblische Schriftrollen vor sich gehabt hätte, aus denen er dann zitiert hätte. Vielmehr dürften ihm die der historischen Rekonstruktion als biblische Intertexte erschließbaren Bezugstellen in seinem Gedächtnis erinnerlich gewesen sein, die er dann verarbeitete.

Die Hebräische Bibel ist also dort, wo es durch schriftgelehrte Arbeit geprägt ist, weniger als ein textliches Mosaik unterschiedlicher Zitationen zu interpretieren, sondern vielmehr als ein Werk von Schriftgelehrten, das aus kombinatorischen Exegesen von Texten und Themen resultiert, die über die Erinnerung seiner Schreiber vermittelt sind. Im Blick auf die Vollzüge exegetischer Arbeit wird man sich also hüten müssen, sich aufgrund moderner Rekonstruktionsmittel zu Schlüssen verleiten zu lassen, die den kulturgeschichtlichen Gegebenheiten der antiken Welt nicht entsprechen.

Die literatursoziologischen Rahmenbedingungen der Entstehung der biblischen Literatur werden seit längerer Zeit kontrovers diskutiert. Dabei ist der Umstand zu berücksichtigen, dass es im bronzezeitlichen Kanaan zweifellos Schrift, Schreiber und Schulen gegeben haben muss. Das wohl eindrücklichste Beispiel ist die Amarnakorrespondenz, die der Jerusalemer Stadtkönig Abdi-Ḥepa mit dem Pharao Echnaton führte und deren Erzeugnisse in dessen Residenz Tel el-Amarna gefunden worden sind. Aber es sind auch weitere Schriftzeugnisse erhalten geblieben, die funktionierende Schreiberschulen in Kanaan voraussetzen. Besondere Aufmerksamkeit hat in den letzten Jahren ein 2005 entdecktes Abecedarium aus Tel Zayit auf sich gezogen, das aus dem 10. Jh. v. Chr. stammt, woraus manche Forscher weitreichende Folgerungen für das Vorhandensein eines frühen Staates bzw. einer damals schon sehr ausgeprägten Schriftkultur gezogen haben, was allerdings umstritten geblieben ist. Allerdings deutet der epigraphische Befund aus dem königszeitlichen Israel bezüglich Schrift und Orthographie aufgrund deren vergleichsweise hohen Standardisierungsgrads mit hinreichender Sicherheit darauf hin, dass es entsprechende Ausbildungsorte – »Schulen« – gegeben hat, in der die Schreiber diesbezüglich trainiert worden sind. Anders sind solche Standardisierungen nicht erklärbar.

Wie man sich solche »Schulen« vorzustellen hat, ist allerdings unklar. In der Bibel werden sie nur in Sir 51,23 und Apg 19,9 erwähnt. Der Stand des Schreibers ist sowohl epigraphisch wie auch biblisch gut bezeugt (vgl. z. B. 2Sam 8,17; 1Kön 4,3; Jer 32; 36; 43; 45; Esr 7,6.12–26; Neh 13,12f.; Sir 38f.). Die Bezeichnungen »Schreiber des Königs« bzw. »königlicher Schreiber« (2Kön 12,11; 2Chr 24,11, vgl. Est 3,12; 8,9) weisen darauf hin, dass eine solche Ausbildung wohl zunächst am königlichen Palast angesiedelt war, an dem es laut Jer 36,12 auch eine »Schreiberkammer« gab. Auch militärische Belange sind von Schreibern dokumentiert worden, wie es das Amt eines »Schreibers des Heerführers« (2Kön 25,19; Jer 52,25) belegt. In der Perserzeit dürfte die Schreiberausbildung dann v. a. am Jerusalemer Tempel stattgefunden haben, der aber wohl bereits in der Königszeit auch Schreiber vor allem zur Pflege der religiösen Texte trainiert haben dürfte.

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