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1. Einführung

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Der Begriff »Kanon« für die endgültig festgelegte Sammlung von biblischen Schriften als norma normans der kirchlichen Lehre ist seit dem 4. Jh. n. Chr. verwendet worden. So wird der Ausdruck des »Kanonisierten« bei Athanasius im Jahr 367 im Zusammenhang der Abgrenzung »kanonischer Bücher« gegenüber »apokryphen« Schriften verwendet.30 Hierbei ist das Verständnis des Kanonbegriffs als zentraler kirchlicher Normbegriff leitend gewesen. Unter dem absoluten Sprachgebrauch »der Kanon« (griechisch: ho kanōn) wurde das »(…) normativ Unterscheidende hinsichtlich Bekenntnis, Lebensführung u. kirchlicher Ordnung auf den Begriff gebracht.«31 Insofern zeigt die frühkirchliche Verwendung des Begriffs seine zugleich abgrenzende und identitätssichernde Qualität auf. Es wird zudem deutlich, dass dieser Begriff zwar geeignet scheint, ähnliche vorgängige Phänomene wie z. B. die Redaktion der alttestamentlichen Schriften unter bestimmten leitenden Gesichtspunkten zu beschreiben, das Wort selbst in diesem Zusammenhang aber gar nicht verwendet wird. Dabei ist das griechische Wort »Kanon« ein semitisches Lehnwort: Es handelt sich bei qānæh, so die althebräische Form, um ein semitisches Primärnomen, das auch im Akkadischen, Ugaritischen, Aramäischen usw. mit der Bedeutung »Schilfrohr«, »Röhre«, »Halm«, aber auch »Messrute« und »Waagbalken« belegt ist. So ist zwar die Idee der Normierung bereits im semitischen Sprachgebrauch enthalten, aber nicht in derjenigen Weise, wie es der Gebrauch des griechischen Äquivalents nahelegt. Selbst der Blick in die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die Septuaginta, lässt keine weitergehenden Schlüsse zu, weil der Begriff kanōn erstens an keiner Stelle das hebräische qānæh übersetzt und zweitens der griechische Begriff selbst auch nur an drei Stellen begegnet: Mi 7,4; Jud 13,6; 4Makk 7,21. Nur der letztgenannte Beleg, der vom »unverkürzten Maß der Philosophie« spricht, bezeugt die Rezeption des zeitgenössischen griechischen Sprachgebrauchs, der den Begriff des Kanons vor allem im Bereich der Exaktheit in Kunst und Musik sowie Ethik und Erkenntnistheorie verwendete, und zwar in einer Aufnahme und Weiterentwicklung der semitischen Wurzel, nämlich technisch als Maßstab für gerade und ungerade bzw. erkenntnistheoretisch/ethisch für richtig und falsch.32 Insofern sind Kanonbildungen insgesamt als dynamische Entscheidungsprozesse zu beschreiben, die sich selbstverständlich nicht nur in der frühkirchlichen Auswahl bestimmter normativer Schriften finden, sondern auch in vielen anderen Schriftkulturen,33 ohne dass hier der Begriff selbst begegnet – sich aber in den Nomenklaturen benachbarter Fachdisziplinen einiger Beliebtheit erfreut, wie die folgenden Beispiele zeigen können.

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