Читать книгу Kirche - Группа авторов - Страница 65

Öffnungspotenziale

Оглавление

Welche Potenziale zum Spielen kommen, sobald die Enge der kerngemeindlichen Provinz verlassen und die Weite aller Welt riskiert wird, ist von den Fresh Expressions allerdings eindrücklich zu lernen: Sobald Beziehung und Beteiligung in der ersten Reihe spielen, treten Ressourcensorge und Verteilkampf in die zweite oder dritte Reihe zurück. Der gewöhnliche Fall entpuppt sich als Stellvertreterschauplatz: Wo es nur noch um Ressourcen geht, ist längst der Auftrag entglitten. Sind aber Beziehungen erst mal geknüpft und Beteiligungen am gemeinsamen Weg geübt, dann entlasten Freiwillige die Personalressourcen, Umnutzungen die Raumressourcen und Legate die Projektkosten.

Wichtiger als das manifeste Kapital sind aber hoffentlich das kulturelle und das religiöse Kapital der Lebenswelten. Hier liegt ein riesiges, von der Kirche kaum schon gesehenes Potenzial. Der bekannte Teil auf der Lebensweltkarte, der territorial, monokulturell und institutionell funktioniert, nimmt ab, während der unbekannte Teil, der vital, divers und clustermäßig funktioniert, zunimmt. An die Stelle des gepflegten und ordentlichen output der Religion, die sichtbar ist in den großen Manifestationen des Heiligen Kosmos, tritt im selben Maß der ungepflegte und unordentliche input der Religion, die erkennbar wird in der Sehnsucht des Individuums nach Sinn. Sie äußert sich konkret als Sehnsucht nach Orientierung in der Kredibilitätskrise, nach Verortung in der Mobilitätskrise, nach Beziehung in der Medialitätskrise, nach Annahme in der Autonomiekrise. Die tägliche Sehnsucht nach Sinn ist das religiöse Kapital der Postmoderne: Wem kann ich glauben, wenn so vieles unglaubwürdig wird? Wo bin ich zu Hause, wenn mich unsere schöne Mobilität heimatlos macht? Wer bleibt mir treu, wenn die vielen Kontakte und Freunde sich ebenso rasch wegklicken wie einloggen? Wer nimmt mich an, wie ich bin, wenn ich überall zuerst wer sein muss? Vermutlich gleichen sich die postsäkulare und die präkonstantinische Zeit der Kirche genau an diesem Punkt: im religiösen Potenzial, das so groß ist wie selten in institutionellen Zeiten.

Die Fresh Expressions sind unterwegs mit diesem Potenzial. Sie sammeln quasi die Gemeindefernen, aber Kirchennahen, jene also, die sich zwar für die institutionelle parish kaum interessieren, wohl aber für die präinstitutionelle Bibel. Entsprechend versteht sich die community einer Fresh Expression nicht als congregation, sondern nennt sich church. Entsprechend sollten wir von Kirchenbildung statt von Gemeindeaufbau reden. Entsprechend ist jeder Name einer Fresh Expression ein brand, wie ihn der Wettbewerb im Dschungel der Postmoderne gewohnt ist, aber kein Ortsname, wie klassische Territorialität ihn kennt. This is our church! heißt denn auch der selbst gedrehte Film, den uns die Fresh Expression mit dem brand Sorted in Bradford stolz vorgeführt hatte: gepiercte und tätowierte Jugendliche aus der Lebenswelt der Pleasure Seekers, bei uns die Eskapisten oder Hedonisten. Was den Modelabels True Religion oder All Saints recht ist, ist den Kirchenlabels Moot oder Sanctus1 billig: Es gilt, das Potenzial religiöser Sehnsucht zu nutzen. Keine Frage, dass es der Kirche um den nonprofit, der biblisch Reich Gottes heißt, geht!

Kirche

Подняться наверх