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5.3.5 Versorgung multimorbider Patienten: Umdenken erforderlich!

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Aus der oben dargelegten Problemanalyse ergibt sich zusammenfassend, dass in der Versorgung von Patienten mit Multimorbidität der (heutige) krankheitszentrierte Ansatz zu kurz greift. Dieser muss zugunsten einer patientenzentrierten Versorgung verlassen werden, um den oftmals komplexen biopsychosozialen Problemen multimorbider Patienten gerecht zu werden. Das US-amerikanische Institute of Medicine definierte 2001 das Wesen eines patientenzentrierten Ansatzes als »den Respekt vor und die Verantwortung für die Präferenzen, Bedürfnisse und Werte eines individuellen Patienten, die sicherstellen, dass die Wertvorstellungen von Patienten bei allen klinischen Entscheidungen handlungsleitend sind«6 (Committee on Quality of Health Care in America et al. 2001). In qualitativen Untersuchungen zeigte sich, dass Hausärzte, die die meisten der multimorbiden Patienten behandeln, diesem Ansatz folgen (Fried 2011b, Luijks et al. 2012). Die befragten Hausärzte waren von der Notwendigkeit überzeugt, die medizinische Versorgung von multimorbiden Patienten an deren individuellen Kontext anzupassen wie bspw. an deren Vitalität, persönliche Präferenzen (z. B. Erhalt der Unabhängigkeit) und sozioökonomische Bedingungen. Gerade die Kernelemente einer allgemeinmedizinischen Versorgung, wie die langfristige Kontinuität und Koordination verschiedener Behandler, unterstützen die Entwicklung einer persönlichen Arzt-Patienten-Beziehung, die wiederum als Grundlage für ein patientenzentriertes Vorgehen angesehen wird (Luijks et al. 2012; Sinnott et al. 2013).

In unserem Fallbeispiel von Frau M ( Fallbeispiel) ist die depressive Symptomatik von zentraler Bedeutung: sie kann zu (weiterer) sozialer Isolation und nachlassender Therapietreue führen, kann sich negativ auf das chronische Schmerzproblem auswirken und so die bestehenden Immobilitätstendenzen verstärken, was sich wiederum negativ auf die somatischen Erkrankungen, wie Herzinsuffizienz, Diabetes mellitus und Hypertonus auswirkt. Zugleich sind viele Antidepressiva bei Herzinsuffizienz kontraindiziert (AEZQ German Agency for Quality in Medicine 2009).

Es muss in der medizinischen Versorgung multimorbider Patienten also darum gehen, potenzielle Gefahren, die aus (vermeidbaren) Interaktionen erwachsen, zu minimieren, die Belastungen durch Diagnostik und Therapie auf ein vom Patienten toleriertes Maß zu senken und dabei die Präferenzen und Prioritäten des Patienten zu berücksichtigen. Zur Unterstützung dieser komplexen Prozesse wurden von einer internationalen Arbeitsgruppe die sogenannten Ariadne-Schlüsselprinzipien vorgeschlagen (Muth, van den Akker et al. 2014). Obgleich expertenbasiert, wurden diese Prinzipien aufgrund ihrer Augenscheinvalidität und des aufwändigen mehrstufigen Entwicklungsprozesses, der weitere Kliniker und Hausärzte einbezog, gewürdigt (Bower 2014, NICE National Institute for Health and Clinical Excellence 2016), ihre Praxisimplementierung wird aktuell in einer randomisierten kontrollierten Studie untersucht, deren Ergebnisse für 2019 angekündigt wurden (Prados-Torres et al. 2017; pers. Kommunikation Prados-Torres, 26.11.2018).

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