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Individualisierung der gesundheitlichen Versorgung zur Erreichung der Therapieziele
Оглавление• Abwägung, ob der zu erwartende Nutzen die Risiken und potenziellen Nebenwirkungen übersteigt – dabei Berücksichtigung des individuellen Erkrankungsrisikos und der Patientenpräferenzen
• Einschätzung der Gesamtbelastung sowie der inkrementellen Belastungen einzelner Behandlungsmaßnahmen für Patient (und pflegende Angehörige)
• Erwägung von Selbstmanagement-Maßnahmen unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Fähigkeiten des Patienten (und pflegender Angehöriger)
• Bereitstellung von Sicherheitsanweisungen (z. B. Verhalten bei Auftreten von Krankheitssymptomen oder Nebenwirkungen – safety netting)
• Vereinbarung von Folgekontakten zur Nachbeobachtung des Erreichens von Therapiezielen und ggf. erneuten Interaktionsbewertung
• Koordination mitbehandelnder Ärzte, Therapeuten und Pflegender – idealerweise Kommunikation der vereinbarten Therapieziele und -entscheidungen
In unserem Fallbeispiel von Frau M wäre es also zunächst wichtig zu eruieren, welchem ihrer Gesundheitsprobleme (u. a. Gelenkschmerzen und Harndrang unter Diuretika) sie selbst die höchste Bedeutung beimisst und welche Therapieziele ihr wichtig sind, bevor weiterführende Maßnahmen veranlasst werden. Hat für sie die Schmerzlinderung die höchste Priorität, steht nach einer klinischen – und ggf. radiologischen – Beurteilung der betroffenen Gelenke (Stadieneinteilung zur weiteren Therapieplanung) die Schmerztherapie im Vordergrund. Wegen ihrer gleichzeitig bestehenden Herzinsuffizienz und daraus resultierenden Interaktionen (systemische nicht-steroidale Antirheumatika beeinträchtigen die Wirkung von ACE-Hemmern bzw. AT1-Antagonisten und sollten daher bei chronischer Herzinsuffizienz vermieden werden; (Muth et al. 2014a)) würden vorzugsweise nicht-pharmakologische Maßnahmen eingesetzt (z. B. lokale Anwendungen von Kälte oder Wärme, Physiotherapie und Krankengymnastik; (Jobst und Mücke 2018)) und deren Therapieerfolg im Verlauf beurteilt werden. Würde sich im Gespräch mit Frau M hingegen z. B. herausstellen, dass der diuretikabedingte häufige Harndrang ein zentrales Problem darstellt, welches sie an sozialer Teilhabe und Mobilität hindert, wäre die individuelle Anpassung der Diuretikatherapie zentral und würde u. a. folgende Fragen bearbeiten: wie schwerwiegend ist die Herzinsuffizienz und braucht die Patientin das Diuretikum (noch)?, ist eine Dosisreduktion gerechtfertigt?, kann die Patienten ggf. unter Selbstkontrolle von Gewicht und ggf. weiteren Parametern in die Dosierung (und ggf. Flexibilisierung) des Diuretikaregimes aktiv einbezogen werden? In der einen wie der anderen Entscheidungssituation (Gelenkschmerz oder diuretikaindizierter häufiger Harndrang) geht es darum, Behandlungsprioritäten zu setzen, die von Arzt und Patient gemeinsam verfolgt werden, um nach deren Lösung die ausstehenden Probleme erneut zu priorisieren und zu bearbeiten. Dieses an der Erreichung von Therapiezielen orientierte Vorgehen wurde insbesondere auch darum vorgeschlagen, da Ärzte die Behandlung von Patienten mit Multimorbidität oft negativ erleben und in qualitativen Untersuchungen berichteten, von der Fülle der Probleme »überwältigt« zu sein (Sinnott et al. 2013).