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5.4.4.2 Neuroplastizität
ОглавлениеDie Neuroplastizität meint alle Veränderungen von Hirnfunktionen, die durch Erfahrung und Umweltbedingungen zustande kommen; Reifungsprozesse sind hierbei nicht einbezogen. Sie umfasst dabei sowohl Veränderungen morphologischer Strukturen als auch neurophysiologische und neurochemische Reaktionen. Anhand einer Trainingsstudie von Boyke et al. (2008) soll illustriert werden, inwiefern Neuroplastizität am Beispiel der Fertigkeit zum Jonglieren gegeben ist, die sich – ähnlich wie die Reaktionszeit, die motorische Reaktionsgeschwindigkeit sowie die Augen-Hand-Koordination – mit zunehmendem Alter typischerweise verschlechtert. Alte Teilnehmer (50–67 Jahre) an dieser Studie verfügten über keinerlei Vorerfahrungen mit Jonglieren und sollten diese Fertigkeit neu erlernen. In einer Dreizeitpunkterhebung wurden mittels Kernspintomografie strukturelle Gehirnmerkmale gemessen; einmal vor Beginn des Trainings, zum anderen direkt nach den drei Trainingsmonaten und schließlich ein drittes Mal weitere drei Monate später, in denen kein Training durchgeführt wurde und die Studienteilnehmer das Jonglieren auch nicht übten. Verglichen wurden diese Daten mit den Befunden von untrainierten Personen im gleichen Altersbereich. Die Studie erbrachte eine signifikante bilaterale Volumenvergrößerung der grauen Substanz im mittleren Temporallappen, im linken posterioren intraparietalen Sulcus sowie dem visuellen Assoziationskortex und zwar ausschließlich bei den Trainingsteilnehmern. In der anschließenden Phase ohne Training verminderte sich dieser Trainingseffekt. Diese Trainingsstudie legt nahe, dass das menschliche Gehirn auch nach dem Erlangen der Reife (ca. mit dem 20. Lebensjahr) noch die grundsätzliche Fähigkeit zur strukturellen Plastizität besitzt. Die Aufrechterhaltung dieser Strukturveränderung ist allerdings an die Fortsetzung der Übung geknüpft. Dieses Ergebnis ist zum einen von grundsätzlicher Bedeutung für die Alternsforschung, da es generell noch an Evidenzen für die lebenslange Plastizität des Gehirns mangelt. Zum anderen ist es von praktischer Bedeutung; so können neue Fertigkeiten im Alter erworben werden, auch dann noch, wenn sie in enger Beziehung zu nachlassenden anderen kognitiven Fähigkeiten stehen (z. B. Reaktionsgeschwindigkeit).