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5.4.6 Zusammenfassende Bewertung

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Plastizität bildet die organismische Grundlage für Entwicklung. Der Mensch verfügt durch seine hohe Plastizität, d. h. seine immense Variabilität und Flexibilität im Verhalten und in der Ontogenese, über einen evolutionären Vorteil gegenüber anderen Spezies: Er kann sich den verschiedensten ökologischen und kulturellen Bedingungen anpassen und dabei erfahrungsbasiert seine Fähigkeiten selbst trainieren und anwenden. Vor allem profitiert er durch seine Fähigkeit, die Verhaltensstrategien Anderer zu imitieren und andere zu instruieren. Dabei hängt das kognitive Leistungsvermögen eines Menschen sowie dessen Plastizität hängen von verschiedenen Faktoren ab. Zum einen spielen genetische Aspekte eine Rolle, welche den Leistungs- und Plastizitätsspielraum abstecken. Zum anderen hängt das individuelle Leistungspotenzial von den Anregungen und Informationen aus der Umwelt ab als auch davon, ob und inwiefern diese situationsadäquat und effektiv genutzt werden. Solche Anpassungen an die Umwelt können zu positiven wie auch negativen Entwicklungsergebnissen führen.

Zudem können Befunde zur Entwicklung eines Menschen im Zusammenhang mit dem jeweiligen Studiendesign diskutiert werden. Das Defizitmodell, das sich vor allem auf die Befundmuster klassischer Querschnittsanalysen stützt, zeichnet ein zu pessimistisches Bild des kognitiven Alterns. Legt man Längsschnitt- sowie Trainingsstudien zur Beurteilung des Entwicklungsverlaufs zugrunde, so ergibt sich ein optimistischeres und dynamischeres Bild und die umwelt- und übungsabhängige Variabilität von Entwicklung zwischen und innerhalb von Personen kommt zum Vorschein. Zur Beurteilung von allgemeinen und differenziellen Entwicklungsverläufen sind heutzutage methodische Mischansätze aus Quer- und Längsschnittuntersuchungen, Trainingsstudien als auch neurowissenschaftliche Methoden (bspw. bildgebende Verfahren) angezeigt, wie vor allem auch die simultane Erfassung von Trainingseffekten und deren wechselseitige Bedingtheit. Zusätzlich muss es verstärkt darum gehen, wirksame Trainingsprogramme zu optimieren, die die Effekte von schon wirksamen Programmen mittels kombinierter Vorgehensweisen noch steigern (Gheysen et al. 2018).

Betrachtet man das Konzept der Plastizität abschließend, so wird die Bedeutungsvielfalt und die potenzielle Erklärungsmächtigkeit offensichtlich. Plastizität wird im Zusammenhang mit normaler lebensumspannender Entwicklung benutzt, also mit Funktionsverbesserungen in Zusammenhang gebracht, wie sie durch Trainingsprogramme für normal alternde Personen in vielen Bereichen studiert und nachgewiesen werden. Im Zentrum dieses Forschungsansatzes stehen das normale Altern und die Frage der Zwangsläufigkeit der dabei vielfach beobachtbaren alterskorrelierten Einschränkungen. Das Konzept findet aber auch Anwendung, wenn es um den Erwerb neuer Fertigkeiten im Alter geht. Diese Möglichkeit ist zentral im Zusammenhang mit der ausgedehnteren beruflichen Phase besonders wichtig, welche die kontinuierliche Weiterentwicklung des beruflichen Wissens und Könnens verlangt. Und schließlich wird Plastizität im Zusammenhang mit (neuro-)therapeutischen Maßnahmen für alte Menschen genutzt. Dabei ist das Konzept mit großen therapeutischen Hoffnungen verknüpft, auch zentralnervöse Regenerationen (zumindest teilweise) erreichen zu können.

Wichtiges Ziel zukünftiger Forschung muss es sein, die seit langem bemühte Vorstellung von Plastizität und ihrer unterschiedlichen Formen begrifflich sowie empirisch klarer zu bestimmen (Lövdén et al. 2010). Welche Grundtypen von Plastizität gibt es? Wie hängen diese zusammen? Verändern sie sich über die Lebensspanne unterschiedlich? Gibt es eine funktionsabhängige, altersabhängige Plastizität? Ist Plastizität vom Ausgangsniveau abhängig oder nicht? Wie drückt sich Plastizität auf der Gehirnebene aus? Wie dauerhaft sind durch Training herbeigeführte Veränderungen und welche Mechanismen liegen diesen zugrunde (Teil- bzw. Wiederherstellungen von Funktionen; kompensatorischen Prozessen)? Solche Forschungsbemühungen werden weiter angestrengt, um eine vollständigere Beschreibung und Erklärung von menschlichen Entwicklungsverläufen zu erreichen. Dies mag helfen, optimale Formen des Trainings, der Umweltstimulation und der Rehabilitation zu finden, um den Plastizitätsspielraum auch im Alter zu maximieren.

Praxishandbuch Altersmedizin

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