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5.4.7 Konsequenzen für Prävention, Therapie und Rehabilitation
ОглавлениеAuf der Basis der vorliegenden Einsichten zur Plastizität des menschlichen Organismus können einzelne Schlussfolgerungen für Prävention, Therapie und Rehabilitation gezogen werden:
Um Funktionseinbußen präventiv zu begegnen ist kontinuierliches, lebenslanges Lernen erforderlich und – vor dem Hintergrund der andauernden Plastizität von Organismen – erfolgversprechend. Ferner sind kontinuierliche Übung und Nutzung der wichtigen vorhandenen geistigen Fähigkeiten erforderlich, deren Funktionsniveau sich mit steigendem Lebensalter stärker zwischen Individuen unterscheidet. Voraussetzungen für fast alle Arten von Lernen, Entwicklung und Aufrechterhaltung von Funktionen sind dabei eine hohe Motivation, ein positiver emotionaler Zustand des Lernenden sowie günstige Anregungs-bzw. Lernbedingungen, in Kombination mit informativem Feedback. Überall da, wo diese personenbezogenen und umweltabhängigen Voraussetzungen erfolgreichen Lernens und der Aufrechterhaltung des Erlernten nicht gegeben sind, ist auch eine hohe Plastizität des Organismus für dessen erfolgreiche Anpassung nicht hinreichend gegeben.
Betrachtet man therapeutische Maßnahmen mit Blick auf das Plastizitätskonzept, so lässt sich feststellen, dass hier das optimale Timing einer therapeutischen Maßnahme – bezogen auf ein kritisches Ereignis wie z. B. einen Schlaganfall oder Unfall – eine wesentliche Rolle spielt. Traditionell setzen therapeutische Maßnahmen vor allem direkt an der Funktion an (z. B. Logopädie, Krankengymnastik) und werden pharmakologisch unterstützt (z. B. medikamentöse Stimulation). Um die Plastizität des Organismus optimal zu nutzen, werden in jüngerer Zeit auch neurochirurgische Maßnahmen für die (Teil-)Wiederherstellung von Funktionen eingesetzt (z. B. Implantierung von einzelnen Neuronen zur Versorgung mit Neurotransmittern) sowie neuro-therapeutische Interventionen genutzt, die auch an Gehirnprozessen ansetzen (z. B. Biofeedback-Methode). In diesem Bereich lässt sich also eine zunehmende Kombination von verhaltensbezogener zu neuraler Therapie feststellen.
Bei der Betrachtung von organismischer Plastizität in Zusammenhang mit Rehabilitation ist die Unterscheidung zwischen Restitution und Kompensation wichtig. Nicht jede Rehabilitationsmaßnahme muss bzw. kann das Ziel verfolgen, die ursprüngliche Funktion wiederherzustellen. Wirksam sind auch Kompensationsmaßnahmen, durch die eingeschränkte oder verloren gegangene Funktionen ersetzt werden können. Hier ist einerseits an technische Hilfsmittel zu denken (z. B. externe Gedächtnishilfen; Roboter, die alltägliche Teilfunktionen übernehmen) oder an den Erwerb neuer Fertigkeiten, die alte Fertigkeiten substituieren können (z. B. Erlernen der Blindenschrift bei Erblindung). Ebenso an intrapsychische Kompensationsmechanismen, mittels derer beispielweise eine starke, vorhandene psychische Funktion vermehrt genutzt wird, um eine schwächer werdende psychische Funktion zu unterstützen (z. B. vermehrte Nutzung des lange stabilen impliziten Gedächtnisses, wenn das explizite Gedächtnis bei Patienten mit Alzheimer-Demenz zunehmend seine Funktionstüchtigkeit verliert).