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5.5.2 Theorie der kognitiven Reserve

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Die Hypothese der kognitiven Reserve leitet sich aus der klinischen Beobachtung ab, dass die klinische Symptomatik und die kognitiven Defizite bei demenziellen Erkrankungen nur bedingt mit dem Ausmaß der zerebralen Veränderungen korrespondieren. So untersuchten zahlreiche MRT-Studien die Zusammenhänge zwischen deklarativen Gedächtnisdefiziten als Kardinalsymptom der Alzheimer-Demenz und atrophischen Veränderungen des Hippocampus wie sie in zahlreichen neuropathologischen Studien beschrieben wurden. Die MRT-Studien bestätigten hochsignifikante Korrelationen zwischen Gedächtnisdefiziten und hippocampalen Veränderungen, die jedoch nur einen relativ kleinen Anteil der Varianz erklärten (Pantel und Schröder 2006): Führen einerseits schon relativ geringfügige Volumenverluste des Hippocampus bei manchen Betroffenen zu schweren Gedächtnisdefiziten, können derartige Veränderungen bei anderen noch lange kompensiert bleiben, sodass vergleichbare neuropsychologische Defizite erst später im Verlauf entstehen. Diese Zusammenhänge sind gerade bei der Interpretation hippocampaler und anderer zerebraler Veränderungen in der klinischen Demenzdiagnostik zu beachten (Schröder und Pantel 2016) und machen den Rückschluss vom Ausmaß hippocampaler Veränderungen auf das klinische Zustandsbild zumal bei beginnenden Demenzen schwierig.

In einer schon als klassisch zu bezeichnenden Studie beschrieben Alexander et al. (1997) die Effekte der prämorbiden Intelligenz auf die Zusammmenhänge zwischen neuropsychologischen Defiziten und Hirnveränderungen. Hierzu wurde der zerebrale Glukoseumsatz in Positronenemissiontomografien (PET) mit Fluordesoxyglukose als Tracer bei 46 Patienten mit Alzheimer-Demenz untersucht. Die Studie ergab unter Berücksichtigung des Schweregrades der demenziellen Symptomatik umgekehrte Zusammenhänge zwischen prämorbiden Intelligenzniveau und einer verringerten Glukoseaufnahme im anterioren Cingulum, frontalen und parietalen Kortizes sowie rechten Thalamus. Bei Betroffenen mit hoher prämorbider Ausgangsbegabung führten demnach erst stärker ausgeprägte Hirnveränderungen zu Defiziten; die dagegen bei Betroffenen mit einem geringeren Ausgangsniveau schon bei kleineren Veränderungen entstanden. Damit konnten Alexander et al. erstmals die zerebrale Grundlage der kognitiven Reserve fassen. Ein hohes intellektuelles Ausgangsniveau erhöht demnach die Fähigkeit des Gehirns, Veränderungen zu kompensieren. Dieser Zusammenhang korrespondiert zwanglos mit dem oben diskutierten Rückgang des Demenzrisikos der in epidemiologischen Studien in Abhängigkeit von einer verbesserten Schulbildung bzw. eines höheren kognitiven Aktivitätsniveaus bei jüngeren Geburtsjahrgängen beschrieben wurde.

Die physiologischen Mechanismen, die diesen Effekten zugrunde liegen, sind nur in Umrissen bekannt. Untersuchungen mit funktionellen bildgebenden Verfahren ergaben eine Ökonomisierung der Hirnaktivierung unter Training. Erhöhte Anforderungen, etwa im Rahmen eines kognitiven Trainings, führen demnach zu Leistungsverbesserungen bei gleichbleibender bzw. sogar verringerter Hirnaktivierung (Übersicht in: Degen und Schröder 2014); ein Mechanismus, der zumindest hypothetisch auch die Kompensationsfähigkeit des Gehirns erhöhen könnte. Tatsächlich wurde ein solcher Ökonomisierungseffekt nicht nur bei Gesunden, sondern auch Patienten mit Alzheimer-Demenz unter Training beschrieben (Huntley et al. 2017).

Verschiedene theoretische Modelle versuchen, die interindividuellen Unterschiede hinsichtlich der Kompensationsfähigkeit des Gehirns zu erklären. In diesem Zusammenhang werden passive und aktive Modelle unterschieden, die die Kompensationsfähigkeit des Gehirns entsprechend entweder als passiven oder aktiven Prozess verstehen (Stern 2002).

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