Читать книгу Praxisbuch Ethik in der Intensivmedizin - Группа авторов - Страница 66

Autonomie anzuerkennen bedeutet, die Therapieentscheidungen dem Willen des Patienten gemäß zu treffen. Sie ist unabhängig von intellektueller Leistung und Bewusstlosigkeit eines Patienten hebt sie nicht auf, sondern führt dazu, seinen vorausverfügten oder mutmaßlichen Willen zu erkunden. Auch im fürsorglichen Umgang geht es darum, die Autonomie wirksam werden zu lassen [Rehbock 2005].

Das heißt: aktiv nach dem Willen des Patienten fragen; sich nach Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten erkundigen; den Patienten und autorisierte Angehörige über Diagnose, Befunde, Therapie und Perspektiven informieren, um sie entscheidungsfähig zu machen; partnerschaftlich mit dem Kranken umgehen, denn trotz des Gefälles in der Fachkompetenz begegnen sich zwei autonome Individuen. Das bedeutet, auch die Autonomie und Bedürfnisse der Mitarbeiter zu beachten und gegebenenfalls in Stationskonferenzen oder bei Supervisionen zum Thema zu machen.

Intensivmedizin zielt auf Organfunktionen, wirkt aber immer auf den ganzen Menschen mit Körper und Psyche. Für den Kranken greift eins ins andere. In einem ganzheitlichen Menschenbild sind alle Aspekte gleichgewichtig, wenn auch nicht immer gleichzeitig. Der Erhalt der Organfunktionen ist unverzichtbares Element von Humanität, weil der Körper Basis für das ganzheitliche menschliche Leben ist. Daher steht er zurecht zunächst auch im Vordergrund. Ist die Lebensbedrohung überwunden, bekommen psychische und spirituelle Aspekte Gewicht. Die apparativ gestützte Medizin wird ohne Zuwendung als unmenschlich empfunden. Eine persönliche Zuwendung ist aber ebenso inhuman, wenn dabei z. B. die Ateminsuffizienz nicht durch eine mögliche Beatmung überbrückt oder therapierbare Schmerzen nicht gemindert werden [Salomon 1996].

Jede einseitige Medizin – ob nur technisch oder nur psychisch orientiert – ist inhuman.