Читать книгу Praxisbuch Ethik in der Intensivmedizin - Группа авторов - Страница 76
8.2 Fokussierung auf die sogenannte Sterbehilfe 8.2.1 Straf- und zivilrechtliche Aspekte
ОглавлениеDie juristische Beurteilung der Zulässigkeit der verschiedenen Formen von sog. Sterbehilfe erfolgt zumeist aus dem Blickwinkel des Strafrechts. Das liegt daran, dass die vorsätzliche oder fahrlässige Verursachung des (vorzeitigen) Todes eines Menschen den Tatbestand eines Tötungsdelikts erfüllt und eine unzureichende Leidenslinderung sowie eine dem Patientenwillen klar widersprechende medizinische Behandlung als Körperverletzung strafbar sein können. Es besteht daher für die mit Therapieentscheidungen in Grenzsituationen konfrontierten Ärzte ein besonderes Interesse daran, ihr Verhalten strafrechtlich abzusichern, auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, geschweige denn einer – dann allerdings Existenz gefährdenden – Verurteilung tatsächlich äußerst gering ist. Demgegenüber wird das höhere Risiko einer zivilrechtlichen Inanspruchnahme auf Schadensersatz und Schmerzensgeld als weniger gravierend empfunden. Daher sollen auch die folgenden Überlegungen auf das Strafrecht beschränkt bleiben, zumal die strafrechtliche Beurteilung zwar nicht rechtlich, wohl aber faktisch präjudiziell für die zivilrechtliche Haftung ist. Besonderer Erwähnung und Beachtung bedarf das Zivilrecht allerdings insoweit als es um die betreuungsrechtlichen Aspekte von Behandlungsentscheidungen bei nicht einwilligungsfähigen Patienten geht, die mittelbar auch für die strafrechtliche Würdigung Bedeutung haben (s. Kap. 8.2.6). So sollten Ärzte wissen:
wer einwilligungsunfähige Patienten mit welchen Kompetenzen vertritt,
was ärztlicherseits bei noch nicht geregelter Stellvertretung zu veranlassen ist,
wie in Eilfällen zu verfahren ist,
welche Bedeutung Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten haben und
wann eine Entscheidung des Betreuungsgerichts eingeholt werden muss.
Das Risiko des Arztes, wegen der Behandlung eines Patienten an dessen Lebensende in ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren verstrickt oder gar verurteilt zu werden, ist faktisch sehr gering. Aufgrund der besonderen Belastungen, die ein Strafverfahren mit sich bringt, spielt die Furcht, sich strafbar zu machen, gleichwohl eine erhebliche Rolle und kann das ärztliche Entscheidungsverhalten im Sinne einer nicht wünschenswerten Rechtfertigungsmedizin beeinflussen.