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7.6.4 Biografische Geschichtlichkeit
ОглавлениеIntensivpatienten haben eine Biografie. Die ist zu beachten.
Der Mensch ist eingebunden in Zeit und Geschichte, sein Leben hat Anfang und Ende. Dazwischen durchlebt jeder seine individuelle Biografie, die Verhalten und Sosein bedingen. Es geht um die Lebensgeschichte des Kranken, nicht der Krankheit [Gahl 1999; Heim 1998; Uexküll 2002]. Sozialanamnese, Lebensgewohnheiten und Vorerfahrungen, z. B. mit Krankheiten oder Lebensschicksalen, sollten dem Team bekannt sein.
In der zeitgerichteten Existenz hat jede Lebensphase trotz spezifischer Besonderheiten gleichen Wert für den Menschen, der jederzeit ganzheitliches Individuum, Mitmensch und in einen transzendentalen Sinnzusammenhang eingebunden ist. Alter ist kein Defektzustand, sondern wie Kindheit, Adoleszenz oder mittleres Lebensalter von je eigenen Fähigkeiten, physiologischen Normalwerten und sozialen Bezügen gekennzeichnet. Lebensalter darf kein Kriterium für oder gegen eine Therapie sein. Wenn alte Menschen im Mittel eine geringere Chance haben, mit Intensivmedizin ein für sie tragbares Leben zu erreichen, liegt das an Multimorbidität, geringeren eigenen Ressourcen zur Rehabilitation sowie an der häufiger zu findenden Haltung, das nahende Lebensende zu akzeptieren und nicht mehr alle Mittel nutzen zu wollen [DIVI 2020].