Читать книгу Praxisbuch Ethik in der Intensivmedizin - Группа авторов - Страница 70
7.6.5 Verletzlich und hoffend
ОглавлениеMenschliches Leben ist verletzlich und bedürftig [Lehmann 2008; Rehbock 2005]. Daraus erwachsen der Wunsch, Hilfe zu bekommen, und der Antrieb, Hilfe zu leisten. Medizin bezieht ihren Auftrag aus der Mangelhaftigkeit des Menschen, die sie – so differenziert und engagiert sie sein mag – nicht aufheben kann, da Mangelhaftigkeit wesenhaft zum Menschen gehört.
Zum Menschen gehört aber auch die Hoffnung, Gefahren meistern und den Tod – wenn nicht abschaffen – so doch wenigstens hinausschieben zu können. Soweit sie sich auf Minderung des Leidens und Steigerung von Lebensqualität richtet, muss sie vom Intensivteam bestärkt werden, weil das Ressourcen des Kranken mobilisiert. Wenn keine Hilfe zum Überleben möglich ist, kann sie in der Zusage bestehen, Schmerzen und Leiden zu lindern sowie Begleitung durch vertraute Menschen zu ermöglichen.
Unbegrenztes Leben, Fehlen von Krankheit und uneingeschränkte Heilung bleiben Utopie. Eine Medizin, die den Eindruck vermittelt, das erreichen zu können, ist unredlich und muss an ihrer Überheblichkeit scheitern.
Intensivmedizin ist begrenzte Hilfe in der Zeit. Die Verletzlichkeit des Menschen als Motivation ist zugleich ihre Grenze, die den Patienten und Angehörigen nicht verschleiert werden darf, weil sonst die Chance genommen wird, sich auf die Grenzen des Lebens und des Miteinanders einzustellen.