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Die Piloten vom 11. September und ihre Unterstützer

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Einer von ihnen war Mohammed Atta, der Sohn eines ägyptischen Rechtsanwaltes. Er gehörte zur fünfköpfigen Gruppe der Entführer der American-Airlines-Maschine, die während des Fluges 11 in den Nordturm des Welthandelszentrums gelenkt wurde, und soll der Kopf des Kommandos gewesen sein. Atta wurde im Nildelta geboren. Seine Familie lebte in Giseh bei Kairo und gehörte dem konservativ-islamistischen Milieu an, das die säkulare Politik des damaligen Präsidenten Hosni Mubarak ablehnte. Attas Vater gab nach dem Anschlag gegenüber der Presse an, sein Sohn sei vom israelischen Geheimdienst entführt worden. Das Attentat sei nicht von Muslimen, sondern vom israelischen Geheimdienst Mossad durchgeführt worden, um Muslime zu diskreditieren. Attas akademische Laufbahn verlief unspektakulär und erfolgreich. Er studierte Architektur in Kairo und erwarb dort 1990 einen Diplomabschluss. Dann bewarb er sich für ein Studium in Deutschland und wurde angenommen. Von 1992 bis 1999 war er an der Technischen Universität Hamburg-Harburg eingeschrieben und schloss mit einem Diplom im Fach Stadtplanung ab. Bereits 1992 fand er eine gut bezahlte Halbtagsanstellung als Bauzeichner in einem Stadtplanungsbüro in Hamburg-Altona, in dem er vier Jahre lang tätig war. Sein Studium soll er, nach Angaben seiner Dozenten, mit Eifer und Fleiß verfolgt haben. Für seine Diplomarbeit über die Sanierung arabischer Altstädte am Beispiel eines Stadtteils von Aleppo in Syrien erhielt er ein Stipendium der „Carl Duisburg Gesellschaft“. Noch Jahre später wurde ihm von seinem Betreuer eine sehr gute Leistung und eine soziale Herangehensweise an das Problem menschenwürdigen Lebens in arabischen Städten bescheinigt. In einem Filmbeitrag des ARD-Magazins „Panorama“ aus dem Jahr 2014 bezeichnete der Dozent den Atta, den er kannte, sogar als Humanisten.12 Atta war weder diskriminiert noch gehörte er einer prekären gesellschaftlichen Gruppe an. Vielmehr war er ein Mitglied der ägyptischen Oberschicht, das zur weiteren Karriereförderung einen Auslandsaufenthalt einplante, um mit einem dort erworbenen akademischen Titel in der Heimat besser aufgestellt zu sein. Seine Anstrengungen wurden in Deutschland mit Anerkennung und akademischem Erfolg belohnt, sodass klassische Radikalisierungstheorien, wie diejenige von Roy, hier nicht greifen. Für Personen, die ihn kannten, war allerdings auffällig, dass er sich zunehmend als frommer Muslim gerierte.

Beim zweiten Attentäter handelte es sich um Ziad Dscharrah aus dem Libanon, dessen wohlhabende Eltern das Studium des Sohnes im fernen Deutschland mit monatlich 2.000 Dollar unterstützten.13 Er steuerte vermutlich das Flugzeug, das bei Pittsburgh abstürzte. Dscharrah lernte zunächst im Studienkolleg in Greifswald die deutsche Sprache und begann 1997 an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg-Harburg ein Studium im Fachbereich Flugzeugbau und Flugzeugtechnik. Der Dekan der Hochschule bezeichnete ihn als „sehr religiös“.14 Seine ehemalige Vermieterin berichtete nach den Anschlägen von einer Veränderung Dscharrahs, die 1998 begonnen habe. Er habe sich einen Bart wachsen lassen und begonnen, viel zu beten. Die damalige Freundin, mit der er seit 1999 zusammenlebte, beklagte sich offenbar über seine zunehmende religiöse Rigidität. Er habe nicht nur verlangt, dass sie ihren Kopf bedecke, sondern auch ihre Hände mit Handschuhen bekleide. Bereits zum damaligen Zeitpunkt muss Dscharrah in radikalen Kreisen verkehrt haben. Viele Zeichen deuten darauf hin, dass der Anschlag sich bereits im Zustand der konkreten Planung befand. Er wolle sich in den USA zum Piloten ausbilden lassen, erfuhr die Vermieterin, und die Freundin meldete ihn einmal als vermisst, weil er für einige Zeit verschwand.15

Auch das Flugzeug, das in den zweiten Turm des Welthandelszentrums stürzte, wurde möglicherweise von einem Hamburger Studenten gesteuert. Im Verdacht stand Marwan Mohammed al-Schahi, der mit einem gut dotierten Regierungsstipendium der Streitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate nach Hamburg gekommen war. Wie Atta und Dscharrah stammte al-Schahi aus einer begüterten Familie. Monatlich sollen 3.000 DM auf seinem Konto eingegangen sein. Anders als Atta und Dscharrah habe sich al-Schahi zwar an der Technischen Hochschule in Hamburg-Harburg eingeschrieben, aber offenbar hat er nicht wirklich studiert.

Ein viertes Mitglied der Hamburger Gruppe war Said Bahadschi, Sohn eines Marokkaners und einer Deutschen, der an der Technischen Hochschule Hamburg-Harburg Elektrotechnik studierte. Er war für einen Teil der Logistik zuständig, beteiligte sich aber nicht an den Flügen, sondern verschwand kurz vor dem Attentat vermutlich zu al-Qaida in die Grenzregion zwischen Pakistan und Afghanistan. Ermittler fanden in seiner Wohnung radikal-islamistische Schriften, u.a. von Osama bin Laden. Er hatte einen Newsletter abonniert, in dem Anweisungen für die Vorbereitung gewalttätiger Aktivitäten verbreitet wurden. Über diesen Newsletter existierten Verbindungen in radikal-islamistische Kreise Londons. Bahadschi war verheiratet und Vater eines kleinen Sohnes. Er und seine Frau sollen ein streng nach islamistischen Normen ausgerichtetes Leben geführt haben. Die Hochzeit habe man in der Hamburger al-Quds-Moschee geschlechtergetrennt und ausschließlich unter Familienangehörigen gefeiert. Die Ehefrau war voll verschleiert und verhüllte sogar ihr Gesicht bis auf die Augen.

Als weiterer Komplize Attas wurde der Marokkaner Mounir al-Motassadeq, Sohn eines Arztes aus Marrakesch, zu einer 15-jährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Al-Motassadeq, von dem der Journalist Hans Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung schrieb, er sei gottesfürchtig und antisemitisch gewesen, hatte Elektrotechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg studiert.16 Im Jahr 2000 soll er in ein dschihadistisches Trainingscamp nach Afghanistan gegangen sein.

Die Mitglieder der Hamburger Zelle widerlegen die gern geäußerte Annahme, dass es die Benachteiligten und Abgehängten der deutschen Gesellschaft seien, die in ihrer Verzweiflung zu Terroristen werden. Bis auf Said Bahadschi, der wegen seiner Mutter die deutsche Staatsbürgerschaft besaß, handelte es sich bei den oben Genannten und auch bei anderen Mitgliedern der Hamburger Zelle um Ausländer.17 Das Landesamt für Verfassungsschutz stellte damals fest, dass sich die islamistische Szene zum überwiegenden Teil aus Nordafrika, dem Irak oder Syrien zusammensetzte. Teilweise gerieten die Personen in diesen Zusammenschlüssen bereits in ihren Herkunftsländern wegen radikaler Umtriebe in das Visier von Sicherheitsorganen und beantragten deshalb Asyl in Deutschland. Teilweise wurden sie erst später von radikalen Akteuren angeworben. Ein Beispiel ist Osama A., der Vorsitzende des Islamischen Zentrums in Münster, der für die Radikalisierung der Hamburger Studenten eine besondere Rolle gespielt haben soll. Er hatte 1996 auf dem Frankfurter Flughafen Asyl beantragt und soll Kontakte zu extremistischen Gruppen in Ägypten unterhalten haben, die wiederum mit Osama bin Laden verbunden waren. Islamischer Extremismus war in seinen Anfängen ein importiertes Phänomen. Deutschland war für diese Islamisten eine komfortable Ruhezone, um internationale Strukturen aufzubauen und Gewalttaten vorzubereiten.

Die Männer, die die Anschläge des 11. September 2001 organisierten und umsetzten, gehörten in ihren Heimatländern mehrheitlich der reichen Oberschicht an. In Deutschland waren sie ebenfalls keine marginalisierten Underdogs. Die mehr als üppigen finanziellen Zuwendungen, die sie von ihren Familien erhielten, machten sie zu einer ökonomischen Elite innerhalb der Studentenschaft. Auch die Mutmaßung, Dschihadisten seien religiös ungebildet, widerlegen die Hamburger. Sie waren allesamt fromm, kamen teilweise aus streng religiösen Familien und hielten Kontakt zu religiös-extremistischen Kreisen wie der Hamburger al-Quds-Moschee, die als islamistisches Zentrum bekannt war.

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