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Lehren aus dem 11. September 2001
ОглавлениеWenn es Lehren gibt, die aus den Anfängen des Dschihadismus in Deutschland gezogen werden können, dann sind es die folgenden:
1. Obwohl ökonomische und politische Momente keineswegs irrelevant sind, ist offenkundig, dass islamischer Extremismus primär ein religiöses Phänomen darstellt. Dschihadisten haben dies niemals verschleiert, sondern haben ihre Taten meist explizit in einen religiösen Kontext gestellt, wenngleich die theologische Begründung nicht immer so elaboriert gelungen ist wie bei Mohammed Atta. Das dschihadistische Narrativ verspricht einen unmittelbaren Zugang des Attentäters zum Paradies und zu einer erotischen Vision, die jenseits jeglicher irdischer Realitäten ist. Wer wirklich daran glaubt, wird mit weltlichen Argumenten nicht zu überzeugen sein. Solange die islamische Theologie sich einer kritisch-historischen Analyse verweigert, bleibt das Problem bestehen.
2. Eine Lösung könnte in einem theologischen Gegennarrativ bestehen, wenn dieses in die muslimischen Communities hineingetragen und dort akzeptiert wird. Da das religiöse Personal in deutschen Moscheen allerdings fast immer aus dem Ausland bezogen wird, werden progressive Theologen, die an deutschen Universitäten ausgebildet wurden, keinen Einfluss entfalten können. Wer daran etwas ändern möchte, steht vor großen Hürden. Sinnvoll wären Beschäftigungsverbote für ausländische Imame oder ein Verbot ausländischer Finanzierungen von Moscheen, wie dies bereits in Österreich der Fall ist. Dies wird jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt rechtlich nicht möglich sein. Machbar wären aber die Offenlegung problematischer Strukturen sowie eine Verpflichtung zur Transparenz bezüglich finanzieller Transferleistungen und theologischer Inhalte in islamischen Einrichtungen.
3. Religiöse Einrichtungen stehen in Deutschland unter einem besonderen Schutz. Aus diesem Grund vergehen oft viele Jahre, bevor radikale Vereine verboten oder extremistische Moscheen geschlossen werden. Auch die Hamburger al-Quds-Moschee, die für die Hamburger Zelle eine große Bedeutung besaß, wurde erst viele Jahre nach dem 11. September geschlossen. Der Schaden, der durch Zuwarten entsteht, ist immens. Daher wäre es dringend angeraten, zeitnahe Konsequenzen durchzusetzen, wenn es begründete Verdachtsfälle auf gewaltbegünstigende Orientierungen gibt.
1 Olivier Roy, Heilige Einfalt. Über die politischen Gefahren entwurzelter Religionen (München: Siedler, 2010).
2 Olivier Roy, „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod“. Der Dschihad und die Wurzeln des Terrors (München: Siedler, 2017).
3 Roy, Heilige Einfalt, S. 20.
4 Ebd., S. 70.
5 Ebd., S. 107.
6 Vgl. u.a. Gilles Kepel, Terror in Frankreich. Der neue Dschihad in Europa (München: Kunstmann, 2016); Gilles Kepel, Die Spirale des Terrors. Der Weg des Islamismus vom 11. September bis in unsere Vorstädte (München: Piper, 2009).
7 Roy, Heilige Einfalt, S. 70.
8 Michael Kiefer et al, „Lasset uns in sha’a Allah ein Plan machen.“ Fallgestützte Analyse der Radikalisierung einer WhatsApp-Gruppe (Wiesbaden: Springer VS, 2018).
9 Vgl. beispielsweise einen Artikel des Präventionsanbieters ufuq: Sindyan Qasem, „Erfahrungen von Rassismus als Radikalisierungsfaktor. Ein (Gegen)Beispiel2, in: https://www.ufuq.de/erfahrungen-von-rassismus-als-radikalisierungsfaktor-ein-gegen-beispiel/ [abgerufen am 2.6.2021].
10 Aladin El-Mafaalani, „Salafismus als jugendkulturelle Provokation. Zwischen dem Bedürfnis nach Abgrenzung und der Suche nach habitueller Übereinstimmung“, in Thorsten Gerald Schneiders (Hrsg.), Salafismus in Deutschland. Ursprünge und Gefahren einer islamisch-fundamentalistischen Bewegung (Bielefeld: Transcript, 2014), S. 355–362.
11 Vgl. u a. Lila Abu-Lughod, „Do Muslim women really need saving. Anthropological reflections on cultural relativism and its others”, American Anthropologist 104, 3 (2002), S. 783–790.
12 https://www.ardmediathek.de/video/panorama/todespilot-atta-die-andere-seite-der-bestie/das-erste/Y3JpZDovL25kci5kZS9lZTdkYjA4ZS05MzY4LTQyOWQtYmQyMy00YzBjYjc5M2ZkNTI/ [abgerufen am 2.6.2021].
13 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-20184253.html [abgerufen am 2.8.2017].
14 https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/20184253 [abgerufen am 1.6.2021].
15 a.a.O.
16 http://www.sueddeutsche.de/politik/mounir-el-motassadeq-gottesfuerchtig-und-sittenfest-1.799717 [abgerufen am 2.8.2017].
17 https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/73529/islamisten_im_fokus_die_strukturelle_zusammensetzung_des_islamistischen_personenpotenzials_in_hamburg_zwischen_2000_und_2020.pdf [abgerufen am 3.6.2021].
18 Die Zitate sind einer Dokumentation der Zeitschrift Der Spiegel vom 30. September 2001 entnommen: https://www.spiegel.de/politik/im-namen-gottes-des-allmaechtigen-a-bcc2a090-0002-0001-0000-000020240157 [abgerufen am 2.6.2021].
19 https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/20184253 [abgerufen am 1.6.2021].
20 Moez Khalfaoui, „Das Frauenbild der ‚Geistlichen Anleitung’ der Attentäter des 11. September 2001“, Zeitschrift für Religionswissenschaft 1 (2006): https://journals.openedition.org/zjr/885 [abgerufen am 1.6.2021].
21 Albrecht Fuess, Moez Khalfaoui, Tilman Seidensticker, „Die ‚Geistliche Anleitung’ der Attentäter des 11. September“, in Hans G. Kippenberg, Tilman Seidensticker (Hrsg.), Terror im Namen Gottes. Die „Geistliche Anleitung“ der Attentäter des 11. September 2001 (Frankfurt: Campus, 2004).
22 Fuess et al, „Die ‚Geistliche Anleitung‘“, S. 19.
23 Ebd., S. 18f.
24 Ebd., S. 18.
25 A.a.O.
26 Fuess et al, „Die ‚Geistliche Anleitung‘“, S. 22.
27 Ebd., S. 24.
28 Bruce Lincoln, „Die Meditationen des Herrn Atta, 10. September 2001: Eine genaue Textlektüre“, in Kippenberg, Seidensticker, Terror im Namen Gottes, S. 39–54, hier S. 50.
29 Tilman Seidensticker, „Die in der ‚Geistlichen Anleitung‘ gegebenen Anweisungen“, in Kippenberg, Seidensticker, Terror im Namen Gottes, S. 29–38, hier 29f.
30 Fuess et al., „Die ‚Geistliche Anleitung‘“, S. 19.
31 Vgl. Albrecht Fuess, „Die islamische Schlachtrede und die ‚Geistliche Anleitung‘“, in Kippenberg, Seidensticker, Terror im Namen Gottes, S. 39–54, hier S. 59.
32 Fuess, „Die islamische Schlachtrede“, S. 64.
33 Khalfaoui, „Das Frauenbild der ‚Geistlichen Anleitung‘“.
34 Rüdiger Lohlker, Andrea Nowak, „Das islamische Paradies als Zeichen. Zwischen Märtyrerkult und Garten“, Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 99 (2009), S. 199–225, hier S. 202.
35 Gudrun Krämer, Geschichte des Islam (Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 2005), S. 22ff.
36 Vgl. Stefan Reichmuth, „Jihad – Muslime und die Option der Gewalt in Religion und Staat“, in Thorsten Gerald Schneiders (Hrsg.), Islamverherrlichung (Wiesbaden: Springer VS, 2010), S. 185--197, hier S. 189.
37 Krämer, Geschichte des Islam, S. 25.
38 Hartmut Bobzin, Der Koran (München: Beck, 2015), S. 160.
39 Ebd., S. 162.
40 Rüdiger Lohlker, Salafismus. Der Aufstand der Frommen (München: Beck, 2014), S. 16.
41 Vgl. Susanne Schröter, Politischer Islam. Stresstest für Deutschland (Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2019), S. 26ff.
42 Vgl. Guido Steinberg, Der nahe und der ferne Feind. Die Netzwerke des islamistischen Terrors (München: Beck, 2005).
43 Vgl. Mariella Ourghi, Muslimische Positionen zur Berechtigung von Gewalt. Einzelstimmen, Revisionen, Kontroversen (Würzburg: Ergon, 2010).