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ОглавлениеKeine Kooperationen mit legalistischen Islamisten eingehen, um Dschihadisten zu bekämpfen, Diese Strategie kann nicht funktionieren, da beide Gruppen maßgebliche ideologische Dogmen teilen. Machen staatliche Institutionen legalistische Islamisten zu Partnern im Kampf gegen den Dschihadismus, kommt dies einem Zuwachs an symbolischem Kapital für erstere Islamismusvariante gleich.
Jegliche Aufwertung legalistischer Islamisten vermeiden, d.h. keine Kooperationen, keine Berufung von Personen aus diesem Umfeld in Expertenkreise, Gremien, Kommissionen und Beiräte. Keinerlei finanzielle Förderung von Gruppen, bei denen nicht eindeutig geklärt ist, dass sie die Prinzipien des freiheitlichen Verfassungsstaates aus einer inneren Disposition heraus mittragen.
Die Finanzierung islamistischer Strukturen aus dem Ausland so weit als möglich unterbinden. Das österreichische Islamgesetz aus dem Jahr 2015, das die Auslandsfinanzierung von Imamen verbietet, kann hierfür als Vorbild dienen.
Es dürfen keine Verbände zu Kooperationspartnern für den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht in staatlichen Schulen gemacht werden, bei denen nicht zweifelsfrei feststeht, dass sie keine Verbindungen ins islamistische Spektrum haben. Es ist besser, keinen bekenntnisorientierten Religionsunterricht anzubieten, als dies mit problematischen Partnern zu tun.
Legalistische Islamisten versuchen ihre Ziele in westlichen Ländern zu erreichen, indem sie sich auf Verfassung und Gesetz berufen. Anders gesagt: Ihr Bestreben ist es, den Westen mithilfe seiner eigenen Werte zu unterwandern. Aus diesem Grund strengen sie zahlreiche Gerichtsverfahren an. Sie machen es sich dabei zunutze, dass ihre Forderungen an islamische Glaubensinhalte und -praktiken gekoppelt sind, und die Verfassungsgerichte sich äußerst schwertun, zwischen Religion und politisch instrumentalisierter Religion zu unterscheiden. Um dieser Zweckentfremdung der Religionsfreiheit für politische Belange entgegenzuwirken, sollte die Verfassungsgerichtsbarkeit Maßstäbe entwickeln, die dazu geeignet sind, Religion und politisierte Religion unterschiedlich zu behandeln. Dazu gehört im Fall kollidierender Grundrechte, dass Religionsfreiheit gegenüber anderen Freiheitsrechten sowie Rechtsgütern mit Verfassungsrang nicht länger in dem Maß priorisiert wird wie bislang. Dies erfordert aufseiten der Verfassungsgerichtsbarkeit deutlich mehr Wissen über den legalistischen Islamismus, denn nur so kann sie erkennen, wo es zum Schutz der Gesellschaft vor dem Erstarken des Islamismus geboten ist, das Recht auf Glaubensausübung einzuschränken.
Insbesondere die Neutralität staatlicher Institutionen, die legalistische Islamisten in ihrem Sinne durchbrechen möchten, gilt es zu wahren – und nicht nur in der Justiz, sondern vor allem auch in Bildungseinrichtungen. Islamismus zählt definitiv nicht zur gemeinwohlförderlichen Pluralität einer Gesellschaft. Gerade das zweite Kopftuchurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2015 zeigt ein mangelndes Verständnis der Richter dafür, wem sie im Namen der Religionsfreiheit und des Bildungsziels der religiösen Pluralität die Option eröffnet haben, den staatlichen Raum religiös aufzuladen. Um dieses islamistische „Einfallstor“ zu schließen, sollte künftig die Neutralität des Staates höher wiegen als das Recht von Staatsbediensteten auf das Tragen religiöser Symbole bei der Ausübung ihrer Tätigkeit, auch wenn damit die Einschränkung der Religionsfreiheit für alle einhergeht, die religiös konnotierte Kleidungsstücke und Symbole tragen möchten.
Islamisten präsentieren sich gerne als Opfer. Sie verwenden dazu bevorzugt Diskursbausteine, für die es in der Mehrheitsgesellschaft einen gut bestellten Resonanzboden gibt. So argumentieren sie, dass das Verbot des Tragens religiöser Kleidungsstücke für Staatsbedienstete vor allem muslimische Frauen betreffe. Damit würde in erster Linie die Gruppe unter dem Verbot leiden, die ohnehin schon doppelt benachteiligt sei, nämlich als Frau und als Muslimin. Es ist richtig, dass in den meisten westlichen Ländern zahlenmäßig Musliminnen von solchen Verboten am stärksten betroffen sind. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch, dass dort, wo Staatsbedienstete religiöse Symbole tragen dürfen, das Kopftuch dominiert. Je mehr kopftuchtragende Staatsbedienstete es gibt, desto häufiger tritt der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern mit einem Symbol gegenüber, das eindeutig einer Religion zuzuordnen ist. Gerade in Bildungseinrichtungen ist zu bezweifeln, inwiefern Kinder dann noch in der Lage sind, den Staat als religiös neutral und plural wahrzunehmen. Daher: Das Argument des Verstoßes gegen das Gleichberechtigungsprinzip der Geschlechter muss als das erkannt werden, was es ist: ein Mittel, um Islamisten Sichtbarkeit im staatlichen Raum zu verschaffen.
Entscheidungsträger müssen sich der islamistischen Herausforderung stellen, auch dann, wenn es sein kann, dass, aufgrund der religiösen Fundierung der islamistischen Ideologie, Muslime Kritik am Islamismus als Generalkritik an ihrer Religion auffassen. Die Einhegung des Islamismus kann letztlich nur gelingen, wenn auch eine kritische Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten erfolgt, auf die sich Islamisten stützen. Worauf es ankommt, ist, dass die Kritik auf die entsprechenden Glaubensinhalte abzielt und nicht zu einer generellen Kritik am Islam oder gar „den“ Muslimen wird. Daran schließt sich die Empfehlung an, Muslime als facettenreiche Individuen und nicht als Träger eines Kollektivmerkmals zu betrachten und zu behandeln.
Eine vielfältige Gesellschaft ist erstrebenswert. Dabei darf aber nicht aus dem Blick geraten, dass Vielfalt nicht gleich Vielfalt ist. Islamisten dürfen auf keinen Fall von den mittlerweile zahlreichen Programmen zur Vielfaltsförderung profitieren. Das erfordert vor allem auf der politischen Seite mehr Klarheit darüber, welche Vielfalt gefördert werden soll und welche nicht nur von der Förderung ausgenommen, sondern wo immer rechtlich möglich, in die Schranken verwiesen werden muss.
1 „EU’s response to the terrorist threat”, European Council, 19. Juli 2021: https://www.consilium.europa.eu/en/policies/fight-against-terrorism/.
2 https://www.brown.edu/news/2019-11-13/costsofwar; https://www.usnews.com/news/politics/articles/2021-07-12/the-cost-of-the-afghanistan-war-in-lives-and-dollars
3 Heinz Gärtner, „Der Irakkrieg und die Folgen“, in Ines-Jacqueline Werkner und Ulrike Kronfeld-Goharani (Hrsg.), Der ambivalente Frieden. Die Friedensforschung vor neuen Herausforderungen (Wiesbaden: Springer VS, 2011), S. 153–169; Deutscher Bundestag, Drucksache 19/284, 15. Dezember 2017; https://www.lpb-bw.de/islamischer-staat#c22714.
4 Mehdi Mozaffari, „What Is Islamism? History and Definition of a Concept”, Totalitarian Movements and Political Religions 8 (1), 2007, S. 21–24.
5 Ivo Mijnssen, „Österreichs Kopftuchverbot an Schulen verstösst gegen die Verfassung“, NZZ, 11. Dezember 2020: https://www.nzz.ch/international/kopftuchverbot-in-oesterreich-ist-verfassungswidrig-ld.1591695.
6 Bundesverfassungsgericht, Leitsätze um Urteil des Zweiten Senats vom 19. Dezember 2000 – 2 BvR 1500/97: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2000/12/rs20001219_2bvr150097.html
7 Elham Manea, Der alltägliche Islamismus. Terror beginnt da, wo wir ihn zulassen (München: Kösel, 2018), S. 118; Yusuf al-Qaradawi, Islamic Education and the School of Hasan Al Banna (Kairo: Wahba Library, 1982), S. 4, 23, 26f, 35.
8 Bundesverfassungsgericht, Leitsätze zum Beschluss des Zweiten Senats vom 14. Januar 2020 – 2 BvR 1333/17: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/01/rs20200114_2bvr133317.html.
9 Susanne Schröter, Politischer Islam. Stresstest für Deutschland (Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2019), S. 339.
10 Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23.02.2005 – BVerwG 6 C 2.04: https://www.bverwg.de/230205U6C2.04.0.
11 Siehe dazu auch: Christian Hillgruber, Staat und Religion (Paderborn: Schöningh, 2007), S. 79ff.
12 „Gesetz verabschiedet. Frankreich geht schärfer gegen Islamisten vor“, tagesschau.de, 23. Juli 2021: https://www.tagesschau.de/ausland/islamisierung-frankreich-101.html.
13 https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2021/06/expertenkreis-politischer-extremismus.html