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Die Corona-Krise als Reformhindernis
ОглавлениеDie Reduzierung der Krankenhauslandschaft mit dem Ziel verbesserter Qualität durch Spezialisierung wurde vor der Corona-Krise von unterschiedlichen Seiten gefordert. Mit Beginn der Pandemie und dem Bekanntwerden der einschlägigen Symptome, darunter akute Atemnot, hat sich diese Diskussion jedoch umgekehrt. Wurde vor der Krise noch die im europäischen Vergleich außergewöhnlich hohe Zahl an Krankenhausbetten pro Einwohner kritisiert, erwiesen sich die Zahl an Intensivbetten und die in der Fläche existierenden Krankenhauskapazitäten als vorteilhaft für die Bekämpfung der Pandemie – oder wurden zumindest so wahrgenommen. Während diese Entwicklungen den Befürwortern des Erhalts kleiner Krankenhäuser als Argument dienen, ändern die ursprünglichen Befürworter einer Begrenzung von Krankenhäusern ihre Argumentationsstrategie. Demnach hätten auch kleine Kliniken in ländlichen Regionen weiterhin eine Daseinsberechtigung, vorausgesetzt sie spezialisieren ihre Leistungen entsprechend, um zur Qualitätsoptimierung beizutragen (Rüddel 2020).
In Pandemiezeiten hat sich die Bedeutung des besonderen Verhältnisses zwischen ambulanter und stationärer Versorgung gezeigt.
In Pandemiezeiten hat sich für Deutschland auch die Bedeutung des besonderen Verhältnisses zwischen ambulanter und stationärer Versorgung gezeigt. Wie die Corona-Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, hat sich das Virus dort vor allem in Krankenhäusern verbreitet. Generell begünstigen alle Einrichtungen, in denen Menschen auf relativ engem Raum zusammenleben (etwa in Flüchtlings- und Pflegeheimen) einen dynamischen Infektionsherd. Im Krankenhaus wird die Nähe zwischen Menschen zusätzlich durch Krankheitserreger verkompliziert, die auf ohnehin geschwächte Immunsysteme treffen und damit einen Nährboden für Infektionen und Virusverbreitung bieten. In Deutschland hat das frühe Erkennen dieser Infektionsgefahr und die damit verbundene Empfehlung an leicht Erkrankte, zunächst telefonisch ihren Hausarzt zu kontaktieren und idealerweise zu Hause zu bleiben, zu einer frühen Eindämmung des Virus geführt (Osterloh 2020). Die unter Jens Spahn diskutierten Schritte in Richtung einer sektorenübergreifenden Versorgung und einer Reform der Notfallversorgung, u.a. durch die Einrichtung von Integrierten Notfallzentren (INZs), wurde durch die Pandemie nicht nur gestoppt. Vor dem Hintergrund eines hochinfektiösen Virus stellt sich zudem auch die Frage, ob es in Zeiten von Pandemien sinnvoll ist, eine zentralisierte Notfallversorgung anzustreben, welche Ansteckungen begünstigen könnte. Stattdessen zeigen sich Transparenz, Kommunikation und ggf. auch eine stärkere Trennung von Sektoren als mögliche Reformalternativen, die auch für die Vorbereitung auf zukünftige Pandemien geeignet sind.