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Entstehung des Neuen Testaments (1. Jh.n. Chr.)

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Die ältesten Schriften des Neuen Testaments sind die Briefe des Paulus. Den 1.Thessalonicherbrief, den 1. und 2. Korintherbrief, den Galaterbrief, den Philipperbrief, den Philemonbrief und den Römerbrief diktierte der ↗︎ ApostelApostel Mitarbeitenden – je nach angenommener Datierung – vom Anfang der vierziger Jahre und bis zum Anfang der sechziger Jahre (n. Chr.). Sie gelten daher als protopaulinisch. Der 2. Thessalonicherbrief, der Kolosserbrief und der Epheserbrief werden zumeist als deuteropaulinisch Mitgliedern der Paulusschule ca. aus den Jahren 70–90 n. Chr. zugeschrieben. Der 1. und 2. Timotheusbrief und der Titusbrief zählen als tritopaulinisch zur übernächsten Generation um 100 n. Chr. Sie sind keine Privatbriefe, sondern stärken als Pastoralbriefe das Hirtenamt (lat. pastor „Hirte“) in den christlichen Gemeinden. Der Hebräerbrief wurde traditionell ebenfalls dem Apostel Paulus zugeschrieben, entwickelt aber ganz eigene theologische Ideen wie das Hohepriesteramt Jesu Christi. Er kann daher nicht als Paulusbrief gelten und datiert auf das Ende des 1. Jhs.n. Chr.

Das älteste Evangelium ist nach überwiegender Forschungsmeinung das des Markus. Es bezieht sich in Mk 13Mk13 auf die Ereignisse des ersten jüdischen Krieges und der Tempelzerstörung in Jerusalem und wird deswegen in der Regel um 70 n. Chr. datiert. Matthäus- und Lukasevangelium (beide um 80–90 n. Chr.) bieten inhaltlich und formal miteinander verwandte Texte, deren Gemeinsamkeiten auf eine literarische Abhängigkeit hinweisen. Diese drei Evangelien werden darum als ↗︎ SynoptikerSynoptiker, synoptisch bezeichnet (griech. sýnopsis „Zusammenschau“ = miteinander zu betrachtende Schriften). Die Klärung ihrer literarischen Abhängigkeit ist als synoptisches Problem bekannt. Die Mehrheit der Forschung nimmt an, dass Matthäus und Lukas als Grundlage ihrer eigenen Erzählung benutzt haben.

Allerdings fasst der Schluss Mk 16,9–20Mk16,9–20 Ostererzählungen anderer Evangelien zusammen und gilt daher als spätere Hinzufügung, das Evangelium wurde also ediert. Im direkten Vergleich bestimmter Überlieferungen stellen sich weitere Fragen zur Technik der Redaktion. Bearbeitung kann nicht immer darin bestanden haben, einen Text zu erweitern, sondern ihn auch zu kürzen, was aber grundsätzlich schwerer zu erklären ist (z.B. ist der „ältere“ Text Mk 5,1–17Mk5,1–17 deutlich länger als der „jüngere“ Mt 8,28–34Mt8,28–34). Matthäus und Lukas verarbeiteten weitere Überlieferungen, die miteinander sowie mit Teilen des nichtbiblischen Thomasevangeliums verwandt zu sein scheinen. Aus dieser Beobachtung wurde im 19. Jh. die sog. Zweiquellentheorie entwickelt. Sie nimmt hypothetisch an, dass Matthäus und Lukas neben dem Markusevangelium sowie unabhängig voneinander eine sog. Logienquelle („Q“ = Quelle) mit Aussprüchen Jesu benutzt hätten, ggf. in diversen Varianten, deren Textumfang durch Ausschluss der aus dem Markusevangelium stammenden Texte bestimmbar sei (SCHMID/SCHRÖTER 2020: 388). Eine solche Quelle wurde bislang aber weder literarisch zitiert noch physisch gefunden. Matthäus und Lukas bieten dazu noch sog. Sondergut, d.h. eigene Materialien (Bsp. Mt 2Mt2; Lk 24Lk24 u.a.). Zudem gibt es kleinere Übereinstimmungen von Mt und Lk gegen Mk, was die Zweiquellentheorie nur bedingt erklären kann.

Eine alternative Theorie, welche ohne die Hypthese Logienquelle auskommt, wurde in den letzten Jahren u.a. durch M. KLINGHARDT untermauert. Er nimmt an, dass das eine Evangelium, welches der Seekaufmann Marcion aus Sinope am Schwarzen Meer (gest. um 160 n. Chr., s.u.) in seine Sammlung aufnahm – aber nicht selbst schrieb – die Quelle der drei synoptischenSynoptiker, synoptisch Evangelien gewesen sei. Theologen der frühen Kirche wie Epiphanios oder Tertullian (sog. Kirchenväter) zitierten dieses Evangelium mehrfach, allerdings kritisch als böswillig verstümmelte Variante des Lukasevangeliums. Die Theorie der Marcion-Priorität kehrt dies um und nimmt an, dass die Synoptiker, v.a. Lukas, dieses Evangelium benutzten und erweiterten, was die grundsätzliche Frage nach einer evtl. Datierung der Evangelien ins frühe 2. Jh.n. Chr. aufwirft. Allerdings wurde die mit *Ev oder Mcn bezeichnete Schrift bisher ebenfalls nicht gefunden, sondern lediglich hypothetisch rekonstruiert.

Das Johannesevangelium dürfte zwischen 100 und 110 n. Chr. entstanden sein. Es unterscheidet sich inhaltlich und sprachlich von den anderen drei Evangelien. Jesus ist hier der menschgewordene Gott Israels, der in sieben Zeichen und sieben „Ich-Bin-Worten“ erscheint, ähnlich der symbolischen Repräsentation im siebenarmigen Leuchter (Menorah). Sein TodTod korrespondiert dem Opferkult am Jerusalemer Tempel, da Johannes ein anderes Todesdatum Jesu als die SynoptikerSynoptiker, synoptisch berichtet, nämlich den Erev Pessach (14. Nisan des jüd. Kalenders, den Tag vor dem Pessachfest; ↗︎ OpferOpfer → 7.8 Zum Titelbild). Eine literarische Korrespondenz zum ↗︎ Corpus PaulinumCorpus Paulinum scheint gegeben, da diese Aussage bereits in 1 Kor 5,71Kor5,7 (Jesus „unser Passa“) erscheint.

In der zeitlichen Nähe der Paulusschule befindet sich die ebenso in Ephesus zu lokalisierende, johanneische Schule. Ihr werden die drei Johannesbriefe und das Johannesevangelium aufgrund ihrer sprachlichen und theologischen Gemeinsamkeiten zugeschrieben. Sie sind zwischen 90 und 110 n. Chr. entstanden.

Seit dem Kirchenhistoriker Eusebius (260–339 n. Chr.) werden die drei Johannesbriefe mit dem Jakobusbrief, dem Judasbrief und den beiden Petrusbriefen als katholische Briefe bezeichnet. „Katholisch“ ist hier nicht im konfessionellen Sinn als „römisch-katholisch“ gemeint, sondern im griechischen Wortsinn als an die gesamte Christenheit gerichtet. In der aktuellen Forschung werden die Johannesbriefe nicht mehr im Kontext der „katholischen Briefe“ behandelt, sondern als Schriften der johanneischen Schule (z.B. SCHNELLE 2019). Der Jakobusbrief, der Judasbrief und der 1. und 2. Petrusbrief sind im Zeitraum ca. 90 bis 150 n. Chr. entstanden.

Die Offenbarung des Johannes entstammt der Zeit des röm. Kaiser Domitian, evtl. Trajan oder Hadrian (90–135 n. Chr.). Diverse Differenzen sprechen dafür, dass die Offenbarung des Johannes nicht im engeren Sinn zur johanneischen Schule gehört.

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