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Biblische Texte als DiskursliteraturDiskursliteratur

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Damit komme ich zur Hauptaussage: Biblische Texte sind nicht immer, aber oft, sogar sehr oft diskursive Texte. Sie befehlen nichts, sondern stellen die Hörerschaft in einen Raum, in dem sie zu bestimmten Themen verhalten sollen. Der erste biblische Text, der explizit über „SündeSünde, Sünder, sündig“ spricht, ist nicht etwa die Paradieserzählung, in der Adam und Eva sich vor Gott verstecken, sondern die folgende Geschichte von Kain und Abel (Gen 4Gen4). Das Thema lautet: Wo ist Dein Bruder, wo ist Deine VerantwortungVerantwortung? Die Erzählung erklärt, wie die praktische und irreversible Gewalt aus innerem Hass und Verbitterung über die ungerechte Welt entsteht. Gott schaltet sich live in die Gedanken Kains: Es ist dessen innere Stimme, die üblicherweise in der antiken Welt als von außen kommend bezeichnet wird.

Eine alttestamentliche Figur steht besonders im Fokus des Interesses: der glaubende und zweifelnde Abraham. Er ist nicht oder nur sehr bedingt das strahlende Vorbild, das das Neue Testament und der Koran in ihm sehen. Er ist eher ein Antiheld, wie überhaupt die biblischen Erzählfiguren kaum Superhelden oder gar Halbgötter sind. Kaum vertrauend aus der babylonischen Heimat aufgebrochen (Gen 12,1–5Gen12,1–5), ist er bereit, seine Angetraute dem ägyptischen Harem zu überlassen (Gen 12,11–20Gen12,11–20). Abraham hat trotz mehrfachen Offenbarungen zuvor (Gen 15Gen15; 17) keine Ahnung, als Gott ihn irgendwie in Gestalt oder Begleitung dreier Männer besucht (Gen 18Gen18). Erst der Kontext macht klar, dass die drei in tödlicher Mission gegen Sodom und Gomorra unterwegs sind (Gen 19Gen19). Aber kurz nach ihrer Abreise „bleibt Gott vor Abraham stehen“ – doch Mächtige im Alten Orient sitzen üblicherweise, während die Bittsteller stehen (Gen 18,22Gen18,22). Solches konnten die mittelalterlichen Abschreiber des Textes aus Pietät nicht stehen lassen, aber nur so macht es Sinn: Es kommt nämlich im Laufe des Gesprächs zur wohl dramatischsten Aussage eines Menschen über Gott, den Allmächtigen: „Sollte der Richter der Welt sich nicht an das RechtRecht halten?“ (Gen 18,25Gen18,25). Der biblische Text zeigt uns hier einen sich selbst besinnenden, ja sich vor dem Glaubenden rechtfertigenden Gott. Darüber muss man einfach diskutieren: Wie sehe ich die Tatsache, dass die Unschuldigen leiden, und der liebende Gott nicht einschreitet?

Eine brutale Geschichte wie die von der Schandtat der Benjaminiter (Ri 19Ri19) lässt uns das Blut in den Adern gefrieren und die harsche Frage stellen, wie solch ein skurriler Text in die Bibel gekommen sein mag. Doch der unmittelbare Kontext des Ausbruchs eines verheerenden Bürgerkrieges (Ri 20Ri20) macht uns schnell klar, dass hier der Umgang mit Fake-News und politisch-religiösen Eiferern, die regelmäßig KriegeKrieg legitimieren, anvisiert ist. Gott steht eben nicht hinter den Heiligen Kriegen. Soll überhaupt kein Krieg im Namen Gottes stattfinden?

Biblisches Arbeitsbuch für Soziale Arbeit und Diakonie

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