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2.2. Lebensweltliche Vielsprachigkeit

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Lerner „mit MigrationshintergrundMigrationshintergrund“ machen einen Großteil der deutschen Schülerschaft aus – 38,1 Prozent ist ihr Anteil an den unter Fünfjährigen (Bundeszentrale 2017: 5). Die Sprachen der Immigration – weit über Hundert – genießen ein höchst unterschiedliches PrestigePrestigevon Migrantensprachen in der Mehrheitsgesellschaft: Hunderten von bilingualen Schulen mit Englisch oder Französisch stehen nur wenige für die exotischen Sprachen der Immigration gegenüber. Lebensweltliche VielsprachigkeitVielsprachigkeitlebensweltliche bzw. in der Perspektive der Individuen Zwei- oder MehrsprachigkeitMehrsprachigkeit unterscheidet sich von den sprachenübergreifenden Lehransätzen u.a. dadurch, dass sie sich mit tieferen Dimensionen des Menschseins verbindet (↗ Art. 1, 28). Es begegnet das Spannungsfeld unterschiedlicher Identitätsangebote zwischen der Herkunfts- und der Aufnahmekultur. IntegrationIntegration kann konfliktiv oder integrativ und bereichernd erlebt werden, als Bruch oder als Kontinuum. Dies ist nicht ohne Folge für das Erlernen der Sprache der Mehrheitsgesellschaft oder die Pflege der Herkunftssprachen (SprachloyalitätSprachloyalität) in der zweiten oder gar dritten Generation von MigrantenMigranten. Dass, deren Bleibewille vorausgesetzt, die Sprache des aufnehmenden Landes auf nativem Niveau erworben werden muss, verbindet sich eng mit dem Ziel eines gelingenden Lebens in der Zielgesellschaft, vor allem in Ausbildung, Beruf und darüber hinaus. Bzgl. der Herkunftssprachen nimmt der 10. Jahresbericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration den Wunsch des Beirates der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration auf, bleibt jedoch hinsichtlich der Umsetzung vergleichsweise vage:

Neben dem Erwerb der deutschen Sprache solle auch die Herkunftssprache der Eltern gewürdigt werden, da ihr Erlernen für die interkulturelle IdentitätsentwicklungIdentitätinterkulturelle der Kinder unabdingbar und Mehrsprachigkeit zudem Bestandteil einer weltoffenen Gesellschaft sei. (Bundesregierung 2016: 312)

Demgemäß versucht das Schulwesen angesichts der Vielzahl der ganz unterschiedlichen Sprachen und den begrenzten Kapazitäten der Schulen, die dilemmatische Situation zu lindern. Faktisch wird die Pflege der Herkunftssprachen (↗ Art. 107; 108) weitgehend dem in den Bundesländern sehr unterschiedlich dimensionierten herkunftssprachlichen Unterricht (durch herkunftssprachige Lehrkräfte), den Migrantenorganisationen und vor allem den eingewanderten Familien überlassen.

Die äußerst heterogene Gemengelage erklärt, weshalb praktische Ansätze zur lebensweltlichen MehrsprachigkeitMehrsprachigkeitlebensweltliche nahezu einseitig auf Einstellungen und Haltungen (Offenheit, Empathie, plurikulturelle Sensibilität u.a.m.) abzielen. Besonders betrifft dies die frühe Begegnung mit der Viel- und der Mehrsprachigkeit (Kita, nur wenigen Sprachen vorbehaltener herkunftssprachlicher Unterrichtherkunftssprachlicher Unterricht; Apeltauer 2009). Die Vielsprachigkeit qua Migration erklärt, weshalb auch keine oder kaum konkrete SprachcurriculaSprachcurricula oder Methoden für den Erwerb und die Pflege der Herkunftssprachen vorliegen (Ausnahme: Doyé 2009; Doyé et al. 2011). Dabei wird wissenschaftlich davon ausgegangen, dass sich die lebensweltliche Mehrsprachigkeitlebensweltliche Mehrsprachigkeit der Kinder mit Vorteilen für das Sprachenlernen und das Lernen überhaupt verbindet – bzw. deren Nichtbeachtung durch die Schule mit deutlichen Nachteilen (Baur 2001). Begriffe wie Migrationsbevölkerung fassen überdies Gruppen mit erheblicher ethnischer, sprachlicher, kultureller oder religiöser Differenz und voneinander abweichenden Interessen. Auch dies erklärt die Schwierigkeit der Bereitstellung angemessener herkunftssprachlicher und herkunftskultureller Lernangebote.

Handbuch Mehrsprachigkeits- und Mehrkulturalitätsdidaktik

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