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4 Muslim Liga und politische Unabhängigkeit

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Ihr langjähriger Führer M.A. Jinnah (1876–1948)18 hatte schon 1913 durch seinen Einsatz für die Reprivatisierung islamischer Stiftungen von sich reden gemacht und war im selben Jahr in die Liga eingetreten, gleichzeitig aber Mitglied der Kongresspartei geblieben. Er war für Selbstbestimmungsrechte aller Inder eingetreten, hatte sich aber wegen des zunehmenden Einflusses der Hindu Mahasaba vom Indian National Congress zurückgezogen, um sich ausschließlich für die Belange der Liga einzusetzen. Als die Simon Commission 1927 den Gedanken eines Dominion-Status für Indien erörterte, wurden Überlegungen für ein exklusiv muslimisches Territorium wach; Jinnah formulierte 1928 seine 14 Punkte.19 In Cambridge traf er auf das Pakistan National Movement und dessen Anführer Rahmat ʿAli (gest. 1951),20 der vom Vorschlag Iqbals aus dem Jahre 1930 (s. o.) inspiriert worden war und diesen 1933 konkretisierte, indem er der vorgestellten Nation einen Namen verlieh: Pakistan, das bedeutet »Land der Reinen« und soll Akronym sein für Punjab, Afghania (North-West Frontier Province), Kaschmir, Sindh und Baluchistan. Rahmat ʿAlis Idee von einem souveränen Staat vernachlässigte jedoch die Muslime der Minderheitsprovinzen und auch Bengalens:21

Im Namen unserer 30 Millionen muslimischen Brüder, die in »pakstan«22—womit wir die fünf nördlichen Einheiten Indiens, also Punjab, North-West Frontier Province (afghanische Provinz), Kashmir, Sind, und Baluchistan meinen—leben […] Unsere Religion und Kultur, unsere Geschichte und Tradition, unser Sozialgesetzbuch und unser Wirtschaftssystem, unsere Erb- und Ehegesetze unterscheiden sich grundlegend von denen der meisten im Rest Indiens lebenden Völker. Die Ideale, die unser Volk dazu bewegen, die höchsten Opfer zu bringen, unterscheiden sich wesentlich von denen, die die Hindus dazu inspirieren, dasselbe zu tun. Diese Unterschiede beschränken sich nicht auf allgemeine Grundprinzipien. Im Gegenteil, sie reichen bis in die kleinsten Details unseres Lebens. Wir essen nicht miteinander; wir heiraten nicht untereinander. Unsere nationalen Bräuche und Kalender, sogar unsere Ernährung und Kleidung sind unterschiedlich.23

Damit forderte Rahmat ʿAli – ähnlich wie Iqbal – ein Herderisches Konzept von Volk: Menschen mit einer eigenen Kultur gehörten auch räumlich zusammen. Jinnah, selbst ein Diaspora-Muslim aus Bombay, sah nun seine Stunde gekommen. Anfänglich getragen von Großgrundbesitzern, später von Unternehmern und Wirtschaftsmagnaten, sah sich die Muslim Liga jetzt unter seiner Federführung als einzig legitime Vertreterin der muslimischen Gemeinde Indiens. Sie begann Ende der 1930er Jahre ihre Interessen mit dem Slogan durchzusetzen, in einem unabhängigen, demokratisch regierten Indien würden Muslime stets unterdrückt werden. Ein Gedanke, dessen Keim die koloniale Politik gesät hatte und der in Aligarh zur Entfaltung gekommen war. Der überwältigenden Mehrheit der muslimischen Inder waren diese Ideen jedoch zunächst fremd. Daher konnte die Liga selbst durch verschiedene Bündnisse mit politischen Parteien in den muslimischen Mehrheitsprovinzen, wie Punjab und Bengalen, in denen sie kaum Popularität genoss, ihre Niederlage in den allgemeinen Wahlen von 1937 auch nicht verhindern – sie erhielt nur knapp über 20% der für Muslime reservierten Sitze. Nach diesem Debakel zielte die Muslim Liga auf die Schwächung der indischen Nationalisten ab, Jinnah sprach ab 1938 öffentlich von einer gemeinschaftlichen muslimischen Identität und von nationalen Zielen der Muslime, ließ sich als »Großer Führer« feiern und verlangte schließlich im März 1940 in Lahore einen muslimischen Staat, allerdings ohne ihn Pakistan zu nennen. »Die Geschichte der letzten zwölfhundert Jahre hat es nicht geschafft, eine Einheit herzustellen, und im Laufe der Jahrhunderte war Indien immer geteilt in hinduistisches und muslimisches Indien.« Die Erklärung wurde später als die »Pakistan Resolution« bzw. die Zwei-Nationentheorie bekannt.24

Die Muslim Liga verstand es, das Potential der Zeitschriften und des Populismus sowie der religiösen Institutionen, Symbolik und Terminologie kommunalistisch zu nutzen und dadurch eine imaginierte brüderliche Gemeinschaft hervorzubringen: Der Islam sei in Gefahr, Muslime stellten in jeder Hinsicht eine eigene Volksgemeinschaft dar, die der Existenz einer eigenen Nation bedürfte. Mit dieser religiösen Identitätspolitik wurde die Ethnifizierung des Islams fortgeschrieben, der Zugehörigkeit zum arabisch-persischen Kulturkreis Nachdruck verliehen und die Spaltung zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen – ob Hindus oder andere – zementiert. Einem Teil der islamischen Orthodoxie und Sufis, den jungen Intellektuellen, Unternehmern, Arbeitslosen und auch Bauern, deren Bedürfnisse islamisch formuliert wurden, stellte die Liga religiöse, soziale und politische Gleichheit und wirtschaftliche Expansionsmöglichkeiten in einem exklusiven muslimischen Territorium in Aussicht. Wesentliche Unterstützung fand dieser Separatismus beim muslimischen Bürgertum, welches sich in Bombay, Kalkutta, und insbesondere in den Städten und qasbahs der United Provinces gebildet hatte, sich aber gegenüber dem aufstrebenden Hindu-Bürgertum zunehmend benachteiligt fühlte.

Die nationalistischen Forderungen erhielten Rückenwind durch ernsthafte Debatten der Briten über ein unabhängiges Indien ab 1935 (Government of India Act). Die »Atlantikcharta« vom August 1941 eröffnete dann allen Völkern eine Perspektive auf Selbstbestimmung. Und als die Liga in den Wahlen 1945–46 endlich ihre Legitimität unter Beweis stellen konnte, sahen sich die Kolonialherren gezwungen, im März 1946 den Cabinet Mission Plan vorzulegen: Die Errichtung eines muslimischen Staates innerhalb eines föderativen Indiens. Da der Congress unter Jawaharlal Nehru (1889–1964) aber in Aussicht stellte, sich nach der Machtübergabe nicht mehr an die Vorgaben zu halten, zog sich die Liga vom Vorhaben zurück.25 Als der Vizekönig den Plan dennoch durchsetzen wollte, rief Jinnah am 16. August 1946 zum Tag der direkten Aktion auf, der zu grausamen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Hindus in Kalkutta führte. Um Schlimmeres zu verhindern, wurde unter Leitung des im März 1947 neu ernannten Vizekönigs Mountbatten (1900–1979) rasch ein Teilungsplan ausgearbeitet, der keine Einheit Indiens mehr vorsah, sondern muslimische Mehrheitsprovinzen und die Teilung Punjabs und Bengalens. Aus divide and rule wurde divide and run; überhastet wurden im August 1947 West- und Ostpakistan von Indien abgeteilt. Die folgenden Migrationen (etwa 18 Millionen Menschen) wurden von Massenpogromen begleitet, deren Wunden bis heute nicht verheilt sind; die zeitgenössische Literatur hat sich mit diesen Themen intensiv auseinandergesetzt.26

Als sich das Fürstentum Haidarabad im Dekkan mit einer Hindu-Mehrheit ebenfalls für Unabhängigkeit aussprach, wurde es von Indien in einer Police Action 1948 kurzerhand einverleibt. In Kaschmir unterstützte Pakistan die Unabhängigkeitsbestrebungen der muslimischen Mehrheitsbevölkerung. Als der herrschende Sikh-Fürst die indische Regierung um Unterstützung bat, besetzte diese das Gebiet. Der Kaschmirkonflikt führte zu mehreren militärischen Auseinandersetzungen zwischen Pakistan und Indien und stellt gegenwärtig einen besonderen Krisenherd in Südasien dar.27

Islam III

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