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Sezession und die Geburt Bangladeshs

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Mujib al-Rahmans Forderungen, der Krieg mit Indien um Kaschmir 1965, sowie die Entlassung Z.A. Bhuttos (1928–1979) aus dem Amt des Außenministers, verschärften das Unruhepotential, das Bhutto geschickt in seiner Ende 1967 gegründeten Pakistan People's Party zusammenführte. Diese verstand sich als islamisch-sozialistische Partei und sprach die verarmte Landbevölkerung, Kleinunternehmer und Industriearbeiter, sowie Studenten an. Militär und Bürokratie waren natürlich bestrebt, Bhuttos Feldzug gegen Ungleichheit und Ausbeutung – die These von den mächtigen 22 Familien, die Pakistans Wirtschaftspotential unter sich aufteilten, kam ihm zupass – durch Wahlversprechungen und die Ankündigung von Selbstbestimmung zu unterlaufen. Bhuttos Kampagne brachte erneut die Awami League Ost-Pakistans auf den Plan, die 1968 ihrem Begehren Nachdruck verlieh. In dieser Lage trat der erkrankte Ayyub Khan zurück (März 1969). Ihm folgte General Yahya Khan als Präsident, der gezwungenermaßen 1970 das One-Unit auflöste und die bengalische ­Mindestforderung nach verhältnismäßiger Repräsentation annahm. Für die Nationalversammlung bedeutete das: 169 ostpakistanische Mandate, 144 für die vier Provinzen Westpakistans; das Wahlergebnis war präjudiziert. In den ersten Gesamtwahlen (erst!) im Dezember 1970 unterlag Bhutto mit 60% der westpakistanischen Sitze (Jamaʿat-e Islami und andere Parteien wurden vernichtend geschlagen) der Awami League, die mit 98% der ostpakistanischen Mandate die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung errang. Dieses Wahlergebnis bedrohte die Herrschaft des west-pakistanischen Establishments, das seine ostbengalischen Ressourcen in Gefahr sah. Eine Politik der Vermittlung war damals nicht mehr möglich. In Ostpakistan kam es zum Aufstand und zu Gräueltaten, u. a. zwischen einerseits Biharis und Punjabis, die immer noch leitende Posten besetzten, und andererseits unterrepräsentierten Bengalis; muslimische Parteien wie Jamaʿat-e Islami spielten hierbei eine dubiose Rolle. Die Flutkatastrophe im November 1970, während der jegliche Hilfe aus Islamabad erst spät kam, förderte die Missstimmung. Der Aufstand wurde einstweilen von west-pakistanischen Elitetruppen blutig niedergeschlagen, der Guerillakrieg der Bengalis sowie die Unterstützung durch Indien im November 1971 führten nach erbarmungslosen Auseinandersetzungen aber schließlich zur Kapitulation der Regierungstruppen am 16. Dezember 1971. Bilanz: Weit über eine Million Tote, über 10 Millionen Flüchtlinge, 90.000 Kriegsgefangene in indischen Gefängnissen. Unter Blut und Tränen rief Mujib al-Rahman nach seiner Freilassung aus dem pakistanischen Gefängnis im Januar 1972 das souveräne sozialistische Bangladesch aus, »das Land der Bengalisprecher«.35

Die Schaffung des neuen Staates war Ausdruck armseliger materieller Bedingungen, die in Verbindung mit einer linguistisch-kulturellen Identitätspolitik mobilisierend wirkte und vom lokalen Bürgertum geführt wurde. Und wieder hatten die Eliten ihrer (bengali-sprechenden) Bevölkerung eine bessere Zukunft versprochen. Aber war die Mehrheit der Bengalis einst von Briten, dann von Hindus, dann von Westpakistanis ausgebeutet worden, so bereicherte sich nun der einheimische koloniale Sektor an ihr.

Denn auch in Bangladesch blieb Politik eine Angelegenheit der Eliten. Religiöse Parteien wurden per Gesetz verboten36 und Bereiche der Wirtschaft verstaatlicht, an den Besitzverhältnissen änderte sich indes wenig. Die Hungersnot 1974 verschärfte die Krawalle, die 1975 Mujib das Leben kosteten und zu Putsch und Gegenputsch führten. Das Militär unter Zia al-Rahman (1936–1981) bot der islamischen Öffentlichkeit nunmehr Mitspracherecht, nicht zuletzt durch seine Kontakte mit der arabischen Welt. Nach einem weiteren Putsch unter H.M. Ershad (geb. 1930) 1982 wurde der Islam sogar zur Staatsreligion erhoben und 1986 fragwürdige Parlamentswahlen zugelassen, in denen Ershad zum Präsidenten gewählt wurde. Wie Zia ul-Haq in Pakistan (s. u.), versuchte auch Ershad in Bangladesch, sich mittels staatlich gelenkter Islamisierung zu legitimieren. Während das Bürgertum dies durch Koalitionen mit dem Militär unterstützte, setzte sich die Jamaʿat-e Islami, die schon während der Sezession aktiv war und seither steten Zulauf verzeichnete und mehr Partizipation forderte, dagegen ab und schloss sich den Oppositionsparteien unter Leitung von Mujibs Tochter Shaikh Hasina (geb. 1947) (Awami League) an. Seitdem gibt es regelmäßige Führungswechsel zwischen Khaleda Zia (geb. 1945), Ehefrau des Zia al-Rahman und Anführerin der rechtslastigen Bangladesh National Party, und Shaikh Hasina. Gleichzeitig nimmt die Macht des konservativen sunnitischen Islams immer weiter zu, wie etwa die Verfolgung von Taslima Nasrin (geb. 1962), Autorin von »Schande«, oder die landesweite islamistisch formulierte Gewalt zeigen. Säkulare und pluralistische Kräfte, seien es die Intellektuellen und Künstler, die ihre Botschaften und Ästhetik aus ihrer lokalen Kultur schöpfen wie etwa der Märchenschreiber ʿAbdul Ġafur Hali (gest. 2016),37 haben in solch einem Umfeld schlechte Karten.

Islam III

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