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Islamischer Staat oder Staat für Muslime?

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In den Verfassungsdebatten wurden die Gegensätze zwischen staatlicher Ideologie (urbane Eliten) und sozialer Basis (Agrargesellschaft), zwischen Muslim Liga und kulturellen Nationalismen, zwischen Säkularisten und Islamisten deutlich. M.A. Jinnah, der die Pakistan-Bewegung mit islamischen Postulaten legitimiert hatte, verlangte nun eine eindeutige Trennung zwischen Religion und Politik. In seiner ersten Rede anlässlich der Konstituierenden Versammlung Pakistans (11. August, 1947) sagte er:32

Sie mögen einer Religion, einer Kaste oder einem Glaubensbekenntnis angehören – das hat nichts mit dem Geschäft des Staates zu tun […] Hindus würden aufhören, Hindus zu sein, und Muslime würden aufhören, Muslime zu sein, nicht im religiösen Sinne, weil dies der persönliche Glaube eines jeden Einzelnen ist, sondern im politischen Sinne als Staatsbürger.

Diese Säkularisierungspostulate brachte die Verfassungsväter in Legitimationsprobleme; die Auseinandersetzungen zwischen jenen, die das koloniale Erbe streng fortsetzen, und jenen, die dem Islam mehr Raum zubilligen wollten, nahmen ihren Anfang. Die Polarisierung zwischen traditionellem und kolonialem Gesellschaftsbereich konnte nicht deutlicher zutage treten:

Maududi war einer der ersten, die sich für eine islamische Konstitution einsetzten. Auch die Pakistan-freundliche Fraktion der deobandischen »Vereinigung der Gelehrten Indiens« (JUH), die 1945 eine Tochtergesellschaft, die »Vereinigung der Gelehrten des Islam« (Jamiʿat-e ʿUlama-ye Islam) gegründet hatte, und die 1947 von migrierten Barelwis ins Leben gerufene »Vereinigung der Gelehrten Pakistans« (Jami'at-e Ulama-ye Pakistan) bekundeten ihr Interesse an einer islamischen Verfassung. Diese Islamparteien und andere Würdenträger hatten Sympathisanten der Pakistan-Bewegung mobilisiert und forderten augenblicklich einen islamischen Staat, einen Staat, der eine Vielzahl sich widersprechender islamischer Identitäten, Ethnien und Sprachgruppen repräsentieren sollte.33 Premierminister Liyaqat ʿAli Khan (ermordet 1951) kam der Forderung entgegen: Laut Objectives Resolution von 1949 sollte sich Pakistan als islamischer Staat ausweisen, Staatsordnung und Gesetze sollten Koran und Sunna nicht widersprechen. Wer dies festlegte und wie, blieb allerdings offen, was zu einer weitreichenden verfassungsmäßigen Ambiguität führte. Die Vorschläge eines »Ulama Board« aus demselben Jahr wurden nämlich von den säkularen Regierungskräften abgelehnt. Stattdessen wies ein Verfassungskomitee dem Islam sekundäre Bedeutung zu und diskriminierte darüber hinaus die bengalische Mehrheit, was zu Unruhen führte.

Erst neun Jahre nach der Staatengründung – 1956 – wurde die erste Verfassung verabschiedet. Erneut behielten darin die ökonomischen und sozialen Interessen des politisch dominanten kolonialen Bereiches, der zunehmend Bündnisse mit den USA einging, die Oberhand.34 Dem Islam kam weiterhin primär herrschaftslegitimierende Funktion zu; er wurde aber der Präsenz westlicher Militärstrukturen und Wirtschaftsberater, die eher dem Prinzip des laissez faire folgten als eine wie auch immer geartete islamisch sanktionierte soziale Gleichheit anzustreben, wenn nicht untergeordnet so doch angeglichen. Ayyub Khan (1907–1974), der 1958 das Militärrecht ausgerufen hatte (s. u.), versuchte, die Geistlichen und ihre Einrichtungen – religiöse Schulen und islamische Stiftungen – einer zentral gelenkten Politik zu unterwerfen und damit potentiell selbstständige Kräfte an den Staat zu binden. Um sich gegen derlei staatliche Übergriffe zu wehren und ihre Infrastruktur zu festigen, formierten die Geistlichen ihre religiösen Schulen entlang ihrer Denkrichtungen – Deobandis, Barelwis, Ahl-e Hadith, Schiiten – in mächtige Dachverbänden. Ayyubs Verhältnis zur islamischen Öffentlichkeit, die er bisweilen auch zu spalten in der Lage war, verhärtete sich schließlich anlässlich der Verkündung der Muslim Family Law Ordinance 1961, die eine modernistische Interpretation des Personenrechts und damit auch die Auflösung des Monopols der Islamgelehrten forderte, und der Verfassung von 1962, die in Koran und Sunna nicht mehr die einzigen Inspirationsquellen für Recht und Gesetz sah. Dies verstärkte die Aktivitäten der Islamparteien und die der »Islamischen Gemeinschaft« (Jamaʿat-e Islami) , vorzugsweise in den Kleinstädten des Punjabs, in denen die Modernisierungs- und Zentralisierungspolitik einen gewaltigen sozialen Wandel hervorgerufen hatte, der auf Kosten unterer Schichten ging. Unter diesen Umständen hatte eine nationale Integration kaum Aussichten auf Erfolg.

Islam III

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