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Zur Entwicklung der Stadt von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis um 1300/04 Zu Topografie und äußerer Stadtentwicklung während des späten Mittelalters

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Der Fortgang der äußeren Stadtentwicklung und der städtischen Topografie ist für den im Folgenden zu betrachtenden Zeitraum nur sehr unzulänglich erkennbar und bislang kaum untersucht. Dies gilt auch für die Entwicklung der vorhandenen Verteidigungsanlagen und hier vor allem der Stadtmauer. Wir haben keine genauen Vorstellungen davon, ob überhaupt und gegebenenfalls ab wann sich die in der Literatur beschriebene zweite Ummauerung bzw. ein äußere Befestigungsring um die Stadt entwickelt hat. Eine im 13. Jahrhundert begonnene Ausweitung der befestigten Stadtfläche wird in der Literatur hartnäckig behauptet, lässt sich jedoch insgesamt kaum belegen42. Nach einer Notiz in den städtischen »Wormser Annalen« zum Jahr 1258 wurde seit mehr als 20 Jahren das Weinungeld für den Bau von Mauern und Türmen verwendet43. Diese Nachricht, für Hellmuth Gensicke Zeugnis des beginnenden Ausbaus der Ummauerung der Vorstädte, ja »Anlaß zu einer völlig neuen Gestaltung des gesamten Stadtbildes«, ist vielmehr als Beleg für die dauerhafte Unterhaltung und Verbesserung der Verteidigungsinfrastruktur angesichts auch zahlreicher Stadtbrände anzusehen. Die weitere Nennung einer von der Stadt erhobenen Abgabe für die Mauern (ad parandas vias et tecta et vallos civitatis, qui fere perierant44) zum Jahr 1272 wurde als Beleg für die Fertigstellung der äußeren Mauer angesehen. Tatsächlich aber handelt es sich vielmehr um dauerhaft notwendige Anstrengungen zum Unterhalt, zur Absicherung und Verstärkung der vorhandenen Mauern. Zu den Steuern kommen noch mehrfach Sonderzahlungen der Juden ad refectionem muri (etwa im Jahr 1261) hinzu, was ebenfalls für die Unterhaltung und Schadensbeseitigung spricht und diese wahrscheinlicher macht als einen gezielten Ausbau, der gerade in der Zeit höchster politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit und Instabilität zwischen 1250 und 1275 wenig wahrscheinlich ist. Dass die Stadt inzwischen die uneingeschränkte Hoheit über die Mauern innehatte, zeigt eine Quelle von 1296, in der der Rat einer Bürgerin genehmigt hat, die Mauer ihres Hauses am »alten Viehmarkt« auf die Stadtmauer zu bauen, wobei sie den freien Zugang gemäß den städtischen Bedürfnissen zu gewährleisten habe45. Im Jahr 1321 erließen Rat und Sechzehner eine Ordnung über die Aufsicht und den Unterhalt des Stadtgrabens, nachdem die Befestigung im Bereich der westlichen Mauerseite verbessert worden war46. Dabei wurde die Stadtbefestigung abschnittweise je einem Ratsherren und einem Bürger auf Lebenszeit zur Überwachung zugeteilt. Zwei Urkunden aus dem Jahr 1316 nennen Grundstücke im alten, ummauerten Stadtbereich und bezeichnen deren Lage als in antiqua civitate Wormaciensi bzw. in veteri civitate Wormaciensi situatis47.

Für das Erscheinungsbild und die Entwicklung der Topografie im Vorstadtbereich liegen nur verstreute Einzelnachrichten vor, die sich zu keinem klaren Gesamtbild zusammenfassen lassen. So ist 1268 die nördlich gelegene Mainzer Vorstadt durch einen Pfahlzaun gesichert48. In einem 1275 geschlossenen Vertrag zwischen den Zisterzienserinnen von Nonnenmünster vor der Stadt und dem Rat über den Unterhalt von Verkehrswegen49 ist ein hoher Anteil der Nonnen am Ausbau der Verkehrsinfrastruktur des Vorstadtbereiches (Straßen, Steinbrücken etc.) samt ausgeprägten Unterhaltspflichten der Abtei fixiert worden. Die Übereinkunft unterstreicht die engen Bindungen zwischen den Nonnen und der Stadt als Vogteiinhaber. Wie sehr der Vorstadtbereich bis weit in das späte Mittelalter ein topografisches und auch verfassungsmäßiges Eigenleben innerhalb der vielzelligen Stadt geführt hat, davon legt eine Quelle aus dem Jahr 1300 Zeugnis ab. Hierin verleiht das Domkapitel der als Rechtspartner auftretenden Kirchengemeinde St. Michael in der südlichen Vorstadt ein Grundstück zu der wegen der Bevölkerungszunahme notwendigen Erweiterung ihres Friedhofes. Die Urkunde ist für die urbane Fortentwicklung in der nach wie vor wachsenden Vorstadt ebenso interessant wie für die Rolle der Pfarreien als handlungsfähige Gemeinschaften50. Indizien sprechen für eine rechtliche Sonderstellung auch der Vorstadt vor dem Mainzer Tor51.

Für die Türme des bis 1500 nur ganz vereinzelt fassbaren zweiten Verteidigungsringes liegen erst für die Zeit seit dem 14. Jahrhundert einige wenige Belege vor, so etwa 1368 für den im Bereich der Mainzer Straße nördlich der Stadt gelegenen Neuturm52. Anfang 1499 ist von der Errichtung eines neuen Turmes und einer neuen Befestigungsanlage im Vorstadtbereich nahe dem Kloster Nonnenmünster die Rede53. Insgesamt blieb die vorhandene ältere Ummauerung – unabhängig von Bestrebungen zur verbesserten Verteidigung im suburbanen Bereich und der Anlage von Bastionen – bis in das 16. Jahrhundert für die Wehrhaftigkeit der Stadt nach außen entscheidend.

Unklar ist, wie sich das später klar erkennbare Zentrum des Marktgeschehens im Bereich des Straßenmarktes (heute Neumarkt/Marktplatz) im Verlauf der nord-südlichen Verkehrsachse durch die Stadt nach den um 1220 erstmals fassbaren ausdrücklichen Belegen für diesen wirtschaftlichen Schwerpunkt weiter entwickelt hat. Nach Auskunft der schriftlichen Zeugnisse müssen wir vor allem für den unweit von St. Pankratius gelegenen Niedermarkt, der am Ende des 12. Jahrhunderts durch Bischof Konrad II. (gest. 1192) mit weiteren Marktständen versehen worden war54, auch noch bis in das 14. Jahrhundert eine durchgängig hohe Bedeutung annehmen: 1249 wird hier – unweit der bereits früh bezeugten Wollgasse – ausdrücklich eine dem Tuchverkauf dienende Fläche genannt, 1262 werden dort Fleischstände erwähnt, 1327 ist eine Brothalle bezeugt55. Wichtig ist auch der Fischmarkt, auf dem 1244 zwei und 1299 ein Verkaufsstand für Fleisch (macellum) belegt werden können56. Erst im 15. Jahrhundert verschwindet der Niedermarkt fast aus den Quellen. So werden in einer Auflistung von Fleischtaxen vom April 1402 drei Standorte von Fleischscharren erwähnt, die oberscharn (vermutlich auf dem Obermarkt), die nidern scharn by dem Fischmarte und scharn under den Kemmern, Letztere im Bereich der heutigen Kämmererstraße57. Die 1398/99 handelnd hervortretende Metzgerzunft bezeichnete sich selbst als die Zunft der Metzger der obern und nydern scharren zu Worms58. Wir können demnach mit einer größeren Zahl von dem Handel dienenden Marktgelegenheiten im Stadtgebiet rechnen, ohne dass wir wüssten, wo etwa der 1243 und 1330 von Seiten des Königs verliehene bzw. bestätigte Jahrmarkt oder der 1432 durch Bürgermeister und Rat mit Geleit versehene Montags-Wochenmarkt59 abgehalten wurden. Um 1400 hat es offenbar noch zwei Schwerpunkte von Fleischverkaufsständen gegeben. Von Bedeutung für das gewerbliche Leben war der Lauf des Eisbaches durch die Stadt; an diesem sind zahlreiche Mühlen und verwandte Einrichtungen bezeugt. So gut wie nichts ist bekannt über den nur sehr selten genannten Hafen60. Ein Kaufhaus der Stadt ist erstmals 1403 urkundlich nachweisbar61. Seit ca. 1200 ist die Existenz der der Stadt gehörenden Bürgerweide im südwestlichen Vorstadtbezirk und des Bürgerfeldes auf der rechten Rheinseite urkundlich nachgewiesen. Insgesamt war Worms im späten Mittelalter hinsichtlich seiner Wirtschaftsstruktur in erster Linie eine Konsumentenstadt, deren Bedeutung im Handel durch den starken Aufstieg von Frankfurt am Main langfristig stagnierte bzw. relativ rückläufig war.

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