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Die Politik des Rates im Wandel (1483 bis 1499)

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Nach zunächst leidlich ruhigen Jahren spitzten sich die Konflikte im Jahre 1487 erstmals wieder zu, Auftakt zu einer sich bis 1499 hinziehenden Verkettung von immer neuen Schwierigkeiten263. Zunächst ist ein Ereignis zu erwähnen, das auf den ersten Blick gar nichts mit den Konflikten zu tun zu haben scheint, nämlich ein zwischen März und Juli 1487 betriebener städtischer Versuch der Vertreibung der Juden264. Die Bestrebungen, welche vermutlich vor allem von zünftisch-gemeindlichen Kräften her Nachdruck erhalten haben dürften, werfen ein Licht auf die potenziellen Spannungen auf der städtischen Seite. Kaiser Friedrich III. war es, der mit massiven Drohungen gegen die Stadt – den Entzug seiner Gunst und fundamentaler rechtlicher Grundlagen – den Versuch vereitelte, sodass die Stadt das Unternehmen abbrach. Im Jahr 1488 kam es dann zu einer vertraglichen Regelung des hergebrachten Verhältnisses zum Bischof, erst 1505 wurde ein vollständiger städtischer Zugriff auf die Rechte der bzw. an den Juden unternommen.

Friedrich III. war es dann auch, der in der zweiten Jahreshälfte den Anstoß für eine weitere Runde im Kampf um Fragen der Stadtverfassung einläutete, indem er der Stadt und ihren am Hof verkehrenden Vertretern deutlich seinen Zustimmungsvorbehalt hinsichtlich zu leistender Eide und neuer Verträge mit dem Bischof einschärfte. Die Ratsvertreter fühlten sich zum Handeln legitimiert, ja ermuntert und verweigerten die traditionelle Verlesung der Texte der Rachtungen und damit die öffentlich-rituelle Bekräftigung der seitherigen Grundlage des Zusammenlebens. Wie sehr die wiederum unter Beteiligung kurpfälzischer Räte stattfindenden Entwicklungen als Einschnitt eingeschätzt wurden und wie stark die Zuspitzung durch die Einschaltung der Reichsebene empfunden wurde, zeigt, dass eben in diesem Jahr die Stadt mit der Anlage der »Acta Wormatiensia«, offiziösen Schilderungen der Ereignisse durch den um 1430 geborenen Stadtschreiber Adam von Schwechenheim, begonnen hat, die uns nun über zahlreiche Details städtischer Politik informieren265. Adam von Schwechenheim hatte an der Kölner Universität studiert, besaß juristische Kenntnisse und kam wohl um 1481 nach Worms; von 1492 bis zu seinem Tod 1512 hatte er das wichtige Amt des Leiters der städtischen Kanzlei und als Exponent der städtischen Verwaltung inne und war auch stark in diplomatischen Diensten aktiv. Er stand in engem Kontakt zu dem Bürgermeister Reinhard Noltz, auf den im Zusammenhang mit seinem »Tagebuch« noch einzugehen ist.

Die Vertreter der durch die Verträge in der Stadt faktisch mitregierenden Kurpfalz versuchten durchzusetzen, dass neben dem Rat auch die Gemeinde gehört und in die Verhandlungen um die Verlesungsfrage einbezogen werden sollte. Erwartungsgemäß lehnte der alte und neue Rat dieses potenziell gefährliche und delegitimierende Ansinnen strikt ab und verwies darauf, die gemeynde zuobesameln an ein end were nit gewonheit auch nie gesehen oder gehort. Wenn der Gemeinde etwas mitzuteilen sei, beruofft man die zunftmeister und hilt ine dasselb vor, die sagten dann further in den zeunfften der gemeynde des rats meynung. Der Rat weigert sich … lange die gemeind zuo sameln, musste sich jedoch dem Druck beugen und war schließlich bereit, die Gemeinde in sechs Zunfthäusern zusammenzurufen266. Als Verbindungsleute zum Rat wurden zunächst die Zunftmeister einberufen. Die Taktik, Zwietracht zwischen Rat und Zunft- bzw. Gemeindevertretern zu säen, die Legitimation des Ratshandelns zu erschüttern und auf unterschiedliche Interessen beider Seiten zu hoffen, ging partiell auf, sodass der Rat wegen fortgesetzter Einschüchterungen sowie befürchteter Gefolgschaftsverweigerung der Gemeinde sein Vorhaben zurückstellte und sich mit der Verlesung der Rechtstexte einverstanden erklärte. Auch die Speyerer Ratsfreunde rieten zu Kompromissbereitschaft. Die Vertreter des Rates waren allerdings in besonderer Weise um enge Konsultationen mit den Zünften und ihren Vertretern bemüht. Gleichzeitig versuchte der Rat Schadensbegrenzung auf der Reichsebene; man war bestrebt, die Bindungen an das Reich als unabdingbare Grundlage des Rechtslebens aufrecht zu erhalten und zu verstärken. Im Ergebnis erbrachten die Konflikte weder eine Änderung des Schwebezustands noch der formalen Rechtsgrundlagen der Stadtverfassung.

Eine wichtige, in ihrer tatsächlichen Bedeutung jedoch nur schwer einschätzbare Begleiterscheinung der sich zuspitzenden inneren Situation auf Seiten der Stadt und des Rates war der ab dem Jahresende 1488 forcierte Wegfall der rechtlichen Sonderstellung der Hausgenossen, deren seit dem Hochmittelalter fixierte Sonderposition in Gerichtsbarkeit und Rechtsleben der Stadt bis 1491 nachhaltig und erfolgreich beseitigt wurde267. Ohne dass über die Zusammensetzung der Gemeinschaft Näheres bekannt wäre, können wir davon ausgehen, dass die Familien in sozialer Nähe zum Niederadel standen bzw. sich an adligen Lebensformen orientierten, zu denen auch Lehensbindungen an die Bischöfe gehörten. Dies musste angesichts dauerhafter Spannungen mit der Geistlichkeit zu Loyalitätskonflikten führen. Die Grabinschriften von Hausgenossen in dem mit der Stadt eng verbundenen Dominikanerkloster von 1504 und 1507 stehen in direktem Zusammenhang mit Ritterbürtigkeit268. Möglicherweise haben sich bereits früher angelegte Spannungen im Laufe des Jahres 1488 verschärft, jedenfalls berichten die Quellen, die hetten sich in ungehorsam etwas auffgethan gegen dem rat etc.; ausdrücklich ist die Rede von Zwietracht und Irrung sowie vom Auftreten des Anhangs der Hausgenossen als Widerspruchsführer269. Es gelang Ende 1488, die kaiserliche Zustimmung zur Mediatisierung der Hausgenossen zu erlangen270.

Trotz mancherlei Unklarheiten in der Bewertung kann man diese vielleicht als Niederlage einer vorsichtig-abwartenden Partei im Rat gegen die Dynamik einer Richtung jüngerer homines novi mit akademischem Hintergrund werten, als deren nun immer wichtiger werdende Exponenten der Schultheiß und spätere Bürgermeister Reinhard Noltz und Adam von Schwechenheim gelten können. Noltz (s.u.) war selbst Mitglied der Hausgenossenschaft und trat zum Entsetzen seiner Standesgenossen auf der Seite der Gemeinde in den Rat ein. Es zeichnet sich im Handeln dieser beiden Männer ab, dass die Spielräume für gebildete und agile Einzelpersonen an der Stadtspitze größer wurden, dass sich die Last der Verantwortung auf wenige, anders als bisher profilierte Persönlichkeiten verlagerte, wofür der 1488 auftretende Stadtadvokat Meister Peter vom Stein gen. Kreuznach, Lizentiat der Rechte, ebenfalls beispielhaft steht271. Die Monopolisierung der obrigkeitlichen Machtstellung des Rates hat mit der Machtverschiebung an der Stadtspitze einen wichtigen Schub erhalten. Diese Richtungsentscheidung in der Stadtspitze ging offenbar auch mit dem weiteren Rückgang der Lehensbindungen führender Familien an das Hochstift einher, womit eine weitere traditionelle Brücke zwischen beiden Seiten weitgehend beseitigt wurde.

Folgen hatte das Verschwinden der Sonderstellung der Hausgenossen auch für die Entwicklung der städtischen Repräsentationsbauten und Fragen der Verfassungstopografie. Wir vermögen die Entwicklung der baulichen Gestalt des Bürgerhof-Komplexes seit 1491 zu verfolgen, als der Rat die »Münze« aufgekauft und sofort mit der repräsentativen Ausstattung des Gebäudekomplexes begonnen hat. Der Name »Münze« leitet sich wohl von der ursprünglichen Funktion des nördlichen Hauses ab, das 1491 auf die Stadt überging272. Die Stadt besaß bereits das südlich angrenzende, ab etwa 1500 als Gerichtshaus genutzte Gebäude. Der dritte Teil, die sogenannte »Neue Münze« war vermutlich um 1420 aus einem älteren Mehl- und Backhaus der Stadt entstanden und entstammte in der überlieferten Form wohl der Regierungszeit des Bischofs Johannes von Fleckenstein (1410–1426). Bereits ab 1493 begann man nun seitens der Stadt, den Komplex von Gebäuden in repräsentativer und aussagekräftiger Weise mit Monumentalmalereien und Inschriften als Demonstration des eigenständigen Herrschaftsanspruchs zu versehen und auf den Baulichkeiten damit – in einer Zeit heftiger und ins Grundsätzliche gehender Konflikte mit den Bischöfen – den Rechts- und Herrschaftsanspruch unübersehbar zu verdeutlichen (Abb. 21, S. 244). Die Bemalung durch den Maler Nikolaus Nievergalt umfasste ein Distichon zur Kaiserverehrung, eine Inschrift zur Stadtfreiheit sowie Gemälde von Kriemhild, Siegfried und zwei Riesen; zum Ausdruck gebracht werden sollte der Gedanke der städtischen Libertas und die Verbundenheit der Stadt mit dem Reichsoberhaupt273. Einer der wichtigsten Gründe für das ehrgeizige städtische Bauprogramm dürfte in den vorausgehenden, seit den 1430er Jahren unter den Bischöfen Reinhard von Sickingen und noch verstärkt unter Johann von Dalberg gemeinsam mit dem Domkapitel intensivierten Baumaßnahmen am Dom und im Dombereich zu sehen sein. Allerdings hat der Bischof die geringste Zeit seines Pontifikats selbst in Worms verbracht, vielmehr hielt er sich meist in Heidelberg oder Ladenburg auf. Dalbergs Bedeutung als versierter und hochgebildeter Humanist, als vielseitig interessierter Sammler von Büchern und Handschriften, archäologischen Stücken, Inschriften und anderem sowie als Mitglied eines Kreises namhafter Gelehrter ist außerordentlich hoch einzuschätzen. Geringer war dagegen das unter seinem Vorgänger so ausgeprägte Interesse an Fragen der Klosterreform. Die städtische Seite konnte in dem gezielten Ausbau des Domumfeldes eine Demonstration bischöflicher Macht erblicken. Insbesondere die ab 1484 erfolgende gotische Erneuerung des Kreuzgangs und eines Teils der Stiftsgebäude mit einer programmatischen Ausstattung (vgl. Abb. 20) dürfte die Abwendung der Stadt von bestimmten Funktionen des Domes und des Dombereichs beschleunigt und Bemühungen um ein eigenständiges bürgerliches Zentrum verstärkt haben274.


Abb. 20: Wormser Dom, Wurzel Jesse, Stiftung durch Bischof Johann von Dalberg, um 1488

Der Rat hat demnach seit etwa 1490 eine umfangreiche »Propaganda« in Wort, Schrift und Bild begonnen. Durch Inschriften, die bauliche Ausgestaltung und Ausschmückung des Münzhauses zum zentralen städtischen Repräsentations- und Rechtsort, die Abfassung offiziöser historiografischer Werke mit einer ausgeprägten Geschichtsideologie und ihrem gezielten Einsatz in den Rechtsstreitigkeiten (s.u.), die seit 1498 forcierte Nutzung des neuen Mediums Druck, womit auch Johann von Dalberg arbeitete, in Form vom Rat in Auftrag gegebener Flugschriften275, sowie durch den Auf- und Ausbau des skizzierten neuen kommunalen Symbolreservoirs ging die Stadt massiv in die Offensive276. Getragen von der Vorstellung der Reichsfreiheit der Stadt entstanden bis in die ersten Jahre des 16. Jahrhunderts neue Denkmäler und Schriften, neue städtische Siegel (kurz nach 1505/08277; die Umschrift lautete: LIBERA WORMACIA SACRI ROMANI IMPERII FIDELIS FILIA, »freies Worms, getreue Tochter des heiligen römischen Reiches«, es fand bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit Verwendung) und Wappen, neu konstruierte Geschichtsbilder und umgeformte Sagenfiguren aus dem Umfeld der Nibelungentradition bis hin zur Aufführung von so genannten Königsspielen, von Noltz bezeugten theatralisch-spielerischen Inszenierungen zur Verherrlichung der Reichsbeziehungen278. Der Bezug auf die Reichsfreiheit wurde seit den späten 1480er Jahren zur rechtlichen und gleichsam ideologischen Grundlage des städtischen Handelns. Gleichzeitig wurden Wandlungen in der Verfassungstopografie in Gestalt einer Verlagerung von Beratungs-, Rechts- und Versammlungsorten aus dem Umfeld von Bischof und Dom zugunsten des neuen kommunalen Zentrums massiv vorangetrieben. Der Demonstration der immer weiter überhöhten Verbundenheit der Stadt mit dem Reichsoberhaupt dürfte auch der glänzende Reichstag des Jahres 1495 weiteren Auftrieb gegeben haben (s.u.). Zu beobachten ist im Jahr 1494 die eigenmächtige Ratsbesetzung an der neuen Münze und die von Seiten der Bischöfe erbittert bekämpfte Verlegung des Ortes für das Hochgericht vom Bischofshof zum Rathaus. Mit dieser Neuerung wurde eine der ältesten und wichtigsten Funktionen des Domplatzes massiv infrage gestellt279. Zu dieser Zeit hatte der Gebäudekomplex bereits einen derart hohen Stellenwert, dass er im Rahmen des Reichstags von 1495 als Versammlungs- und Beratungsort bezeugt ist.


Abb. 21: Haus zur »Münze«, ab 1491 vom Rat repräsentativ ausgebaut und ausgeschmückt, Zeichnung von Peter Hamman, 1690 (StadtA Wo Abt. 1 B Nr. 48)

Während die städtischen Kräfte sich auf diese Weise bis um 1490 neu formierten und der Rat sein Herrschaftsmonopol über Bürgerschaft und Gemeinde zumindest prinzipiell auszubauen vermochte, war Johann von Dalberg intensiv um die weitere Verrechtlichung, Fixierung und Absicherung seiner auch materiell-finanziellen Position in Stadt und Hochstift bemüht, wovon unter anderem das 1490 angelegte Salbuch für einen Teil seiner Herrschaft Zeugnis ablegt280. Die Beteiligung der städtischen Gerichtspersonen und des Schultheißen (eben Reinhard Noltz) an der Feststellung bzw. Neufixierung der dem Bischof zustehenden Kammerzinsen bzw. Einnahmen von Grundbesitz in Worms zeigt auf, dass neben den Konflikten auch immer die Normalität des Zusammenlebens und eine enge Kommunikation beider Seiten angenommen werden kann.

Zu einer erneuten Zuspitzung der Verhältnisse kam es im Gefolge der im Juni 1494 von der Stadt geleisteten, neuerdings eingehend untersuchten Huldigung der Stadt gegenüber dem neuen Herrscher Maximilian I. im Juni 1494281. Trotz einer Reihe von peinlichen Pannen manifestierte die Zeremonie nun eine eidlich bekräftigte Bindung an den Reichsherrscher. Bemerkenswert an dem Rechtsakt ist neben der gegen den geistlichen Widerstand durchgesetzten Örtlichkeit, dem Platz vor dem Haus zur Münze, auch die Tatsache, dass auf Wunsch des Herrschers neben dem Rat auch die Gemeinde die Huldigung geleistet hat. Mit der Ableistung des Huldigungseides wurde der Herrscher als rechtmäßiges und alleiniges Stadtoberhaupt anerkannt. Der Text des Rechtsakts, mit dem eine Stärkung der königlichen Stellung auf Kosten der Interessen des ignorierten Bischofs einherging, stellte eine Neuerung gegenüber bisherigen Huldigungen dar und band die Stadt in besonderem Maß an den neuen Herrscher. Der Herrscherbesuch markiert eine neue Stufe der von nun an permanenten Konfrontation. Maximilian stand zwar grundsätzlich auf Seiten der Stadt Worms, suchte jedoch unter Rücksichtnahme auf die Opposition der Reichsfürsten eine Kompromisslösung. Wenige Wochen nach dem Besuch des Herrschers hielten die Wormser ein Pergament mit der Aufhebung der dem Reich zuwiderlaufenden Verträge mit dem Bischof in den Händen. Zusammen mit einem bereits 1488 erlassenen Diplom Friedrichs III., worin die eigenständige Rechtssetzungsgewalt des Rates bekräftigt wurde, besaß man damit ein wichtiges juristisches Mittel282. Folgerichtig wurden die Eide und Verträge außer Gültigkeit gesetzt. Ein neuer Ratseid wurde anlässlich der Ratsbesetzung Anfang Oktober 1494 eingeführt, zeitgleich erfolgte ein Vorstoß zur Ausweitung gerichtlicher Rechte und Einkünfte. Die von Johann von Dalberg am kaiserlichen Hof dagegen geführte Klage Ende 1494 provozierte stark mit historischen Argumenten arbeitende Entgegnungen des Rates. Dieser konnte nun offenbar auf ein geschlossenes, historisch legitimiertes Bild seiner Geschichte und seiner Rechte zurückgreifen, Ergebnis der Bestrebungen um eine gleichsam maßgeschneiderte städtische Geschichtspolitik. Von nun an wurde die jährliche Ratsbesetzung für einige Jahre ohne die bischöfliche Zustimmung durchgeführt. Diesen Bruch des Herkommens konnte Johann von Dalberg in keinem Falle dulden. Ob bzw. inwieweit das neue Verfahren andere Kräfte und Personen als bisher in die Stadtspitze gebracht und damit zu einer Machtverschiebung geführt hat, ist unklar, aber eher unwahrscheinlich.

Zu den wichtigsten Wandlungen und Neuerungen der Zeit ab ca. 1488 gehört die Kodifizierung des Wormser Stadtrechts, wofür die erwähnte königliche Urkunde von 1488 den Boden bereitet hatte. Spätestens ab 1495 dürften die Vorarbeiten für das neue Stadtrecht, die im August 1499 erlassene Wormser Reformation283 begonnen haben. Auch die Tätigkeit des 1497 hier tagenden königlichen Kammergerichts (s.u.) blieb nicht ohne Folgen für den großen Zug zur verstärkten Verrechtlichung, zur Durchdringung des öffentlichen und vor allem des politischen Lebens mit Rechtsfragen, zur drastisch gestiegenen Wertschätzung und Gültigkeit des römischen Rechts und zu Versuchen, sich umfassend juristisch abzusichern, wofür auch entsprechend geschultes Personal vorgehalten werden musste. Der Grund für die Kodifikation des auch überregional bedeutsamen Stadtrechts liegt unmittelbar in den Auseinandersetzungen mit dem Klerus und unterstreicht den umfassenden Herrschaftsanspruch des Rates. Dabei dominiert das Prozess- und Gerichtsverfassungsrecht gegenüber dem materiellen Recht. Fast alle Rechtsmaterien wurden geregelt (Privatrecht, Vormundschafts- und Erbrecht, Kauf- und Pfandrecht; eheliches Güterrecht, Straf- und Strafprozessrecht). Das in einer zweiten Ausgabe 1507 neu veröffentlichte Recht (bis 1564 erschienen insgesamt neun Druckausgaben) blieb die formale Grundlage des Zusammenlebens in der Stadt bis zum Ende des Alten Reiches.


Abb. 22: Titelseite der Stadtrechtsreformation mit zwei Drachen als Wappenhaltern, 1499 (StadtA Wo Abt. 1 B Nr. 35)

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