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Das 14. Jahrhundert (1304–1407): Krisen und innere Konflikte Entwicklungslinien in Politik, Umland und Wirtschaft

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Die Überlieferungslage für das krisengeschüttelte 14. Jahrhundert ist für die Wormser Stadtgeschichte mehr als unbefriedigend. Wir verfügen zwar über eine reiche Zahl von fast 1100 edierten Urkunden in Band 2 des Urkundenbuches von Heinrich Boos, aber die erst nach 1400 wieder stärker einsetzende chronikalische Überlieferung versiegt fast völlig, sieht man einmal von Zorns Wormser sowie der Kirschgartener Chronik (beide sind allerdings recht unergiebig) ab109. Für die Zeit ab 1400 setzt dann mit dem städtischen Eidbuch (siehe Abb. 19, S. 229) eine wichtige Quelle aus der Sicht des Rates ein, während die Urkundenedition von Heinrich Boos zu diesem Zeitpunkt endet; allerdings hat er eine Auswahl wichtiger Urkunden und Aktenstücke für den Zeitraum von 1400 bis 1430 vorgelegt110. Quellen zur wirtschaftlichen Entwicklung in Stadt und Region und Material zu Fragen der Prosopografie der städtischen Führungsgruppen gehören zu den besonders vermissten Dokumenten in jenem Jahrhundert. Für den Überblick über die Ereignisgeschichte ist nach wie vor die Darstellung im zweiten Band der »Geschichte der Rheinischen Städtekultur« von Heinrich Boos zu nennen111. Wichtig ist auch ein steter Vergleich der Entwicklung mit der Schwesterstadt Speyer, für die zur Geschichte des im Folgenden zu behandelnden Jahrhunderts in der bereits gewürdigten Arbeit von Voltmer eine grundlegende Studie vorliegt112, eine herausragende Leistung, die in dieser Form für Worms bei weitem noch aussteht.

Zum Verständnis der wesentlichen Etappen der städtischen Verfassungsgeschichte des 14. Jahrhunderts im Zeitraum bis zur so genannten »Pfalzgrafenrachtung« von 1407, mit der ein Kompromiss in Fragen des Zusammenlebens von Geistlichkeit und Rat gefunden wurde, ist zunächst ein knapper Blick auf die grundlegenden Faktoren der Stadtentwicklung nach 1300 zu werfen.

Der von Burkard Keilmann verfasste Abschnitt zur Geschichte des Wormser Bistums nach 1300 steht unter der Überschrift »Auf dem Weg in die Abhängigkeit von der Pfalzgrafschaft«113. Diese für das Jahrhundert zentrale, bereits um 1900 von Heinrich Boos (»Die Pfalz umschlang die Stadt mit ihren erdrückenden Fangarmen«114) betonte Tendenz zeigt sich auf vielen Gebieten und hat starke, über den Bereich der Kirche weit hinausgehende Folgen für die weitere Stadtgeschichte.

Während des ersten Drittels des 14. Jahrhunderts veränderte sich an der bischöflichen Herrschaft in bzw. gegenüber der Stadt wie auch dem Hochstift nichts Wesentliches. Die Bischöfe stammten aus den bereits am Ende des 13. Jahrhunderts im Domkapitel und hohen geistlichen Positionen präsenten Familien (1303/04–1318 Emicho von Schöneck, 1318–1319 Heinrich von Daun, 1319–1329 Cuno von Schöneck). Zunehmend versuchte auch die Kurie Einfluss auf die Besetzung des Wormser Bischofsstuhls zu gewinnen, jedoch konnte das Domkapitel diese Versuche immer wieder zurückweisen. Besondere Zuspitzungen des Verhältnisses zur städtischen Bürgerschaft blieben bis in die 1330er Jahre offenkundig aus. Mit dem Tod Bischof Cunos von Schöneck 1329115 wurde das Bistum allerdings zu einem Spielball kurialer Politik, als der Papst Salmann Klemann, den Sohn eines Mainzer Schultheißen, als neuen Oberhirten providierte, was nicht nur zu Protest des Wormser Rates, sondern auch des Domkapitels führte116. Die Wahl eines eigenen, auch vom Rat unterstützten Kandidaten durch das Wormser Domkapitel mündete sodann in ein Schisma, das viele Jahre lang durch gleichzeitige reichspolitische Gegensätze genährt und von Spannungen zwischen Rom und den Wormser Stiften begleitet wurde. Im Laufe des Konflikts hatte der Papst das Interdikt über die gesamte Stadt verhängt, wobei sich Kaiser Ludwig der Bayer für den aus der Familie der Schenken von Erbach stammenden Kandidaten (der immerhin den Treueeid der Wormser Bürger entgegennahm) und damit gegen die Kurie und Salmann Klemann stellte; der Rat verbannte die Urheber des über die Stadt verhängten Interdikts noch im selben Jahr (1329) aus der Stadt117. Nach dem Tod des Kandidaten der Domkanoniker 1332 erhöhten sich zwar Salmanns Chancen für eine Anerkennung, jedoch dauerte es noch etliche Jahre, bis er 1341 in den vollen Besitz der bischöflichen Rechte und des Hochstifts gelangte. Gleichzeitig suchte die Stadt, die Rechte des Klerus zu beschneiden und ihre Steuerhoheit auszuweiten. In der Zwischenzeit waren verschiedene Administratoren des Kapitels bestrebt, die Rechte und Ansprüche des Bischofs zu verwalten. Das 13 Jahre lang geltende Interdikt war unterdessen in der Diözese nie beachtet worden.

Eine aus dem Jahr 1341 stammende notarielle Verhandlung über die Annahme des Bischofs illustriert im Übrigen erstmals detaillierter das Zeremoniell bei der Bischofswahl. Demnach entsprach es einer ausdrücklich als alte Rechtsgewohnheit bezeichneten Praxis, dass die Wahl des Bischofs durch das Domkapitel zuerst durch das Wort und dann durch den Glockenschlag sowie durch das Hinsetzen des Oberhirten auf den Petersaltar dem gesamten Volk (populus) dort feierlich und öffentlich verkündet wurde. Dabei legte man vor allem auf die förmliche Mitteilung an die anwesenden Bürgermeister und Ratsherren, die gleichsam als Zeugen den Rechtsakt begleiten, ausdrücklichen Wert118. Wie die Wahl der städtischen Amtsträger, so war auch die Bischofswahl ein zentrales öffentliches Ereignis, bei der der Mitwirkung der Stadtbevölkerung, der die Wahl durch Glockengeläut publik gemacht werden musste, erhebliche legitimierende Bedeutung zukam.

Entscheidend war, dass der Kampf um Salmanns Anerkennung als rechtmäßiger Bischof »die wirtschaftlichen Grundlagen des Bistums stark in Mitleidenschaft gezogen« hat119. Die jahrelang unklare Situation des Hochstifts musste die territorialen Nachbarn, allen voran die als Förderer Salmanns auftretende Pfalzgrafschaft, geradezu einladen, sich auf dessen Kosten Gewinne zu verschaffen. Es gelang Ruprecht I., die Wormser Geistlichkeit weithin von sich abhängig zu machen, was 1349 zu einem förmlichen Versprechen des Domkapitels führte, keinen Bischof zuzulassen, der sich nicht verpflichtete, das pfälzische Territorium, das Worms nunmehr fest umklammerte, nicht zu schädigen oder zu schmälern. Die finanzielle Zerrüttung des Bistums – vor dem Hintergrund einer allgemeinen ökonomischen Krise – schritt in den Folgejahren dramatisch voran. Die Stadt blieb von der allgemeinen tiefen Krise keineswegs verschont. Alle Indizien verweisen zudem auf einen Rückgang geistlicher Stiftungen im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts. Seit 1300 war die Welle neuer Gründungen bei Klöstern und Stiften für lange Zeit beendet, neue religiöse Impulse blieben auch in Worms aus. Ein tief greifender Wandlungsprozess im Bereich der in sich stark differenzierten Geistlichkeit nahm an Geschwindigkeit zu120.

Noch im ersten Viertel des Jahrhunderts war es zu sehr zahlreichen und bedeutsamen Stiftungen für die geistlichen und karitativen Institutionen der Stadt gekommen, wofür beispielhaft auf ein Seelgerät der wohlhabenden Wormser Witwe Adelheit Strechuseln aufmerksam gemacht sei, das diese vor dem Rat und den Sechzehnern 1321 aufsetzen ließ121. Das Testament wurde zunächst vor den geistlichen Richtern, dann vor dem Rat fixiert. Zur Absicherung des Seelenheils für sich, ihren Mann und ihre Vorfahren setzte die ersame vrouwe den hohen Geldbetrag von 600 Pfund Heller zwecks Kaufes von Korngülten aus. Zwei Ewigmessen sollten für sie gelesen werden. Neben St. Paulus kamen eine Reihe weiterer Stifte, alle vier Bettelordenskonvente, die in der Stadt existierenden Beginenhäuser, Spitäler und eine Reihe von Verwandten sowie die St. Rupertspfarrei in den Genuss von Zuwendungen. Als Testamentsvollstrecker setzte sie zwei Pfründner aus St. Paulus bzw. dem Cyriakusstift in Neuhausen sowie zwei Wormser Ratsherren ein und bekundete auf diese Weise die enge Verflechtung zwischen dem städtischen Leben und den Wormser Stiften. Hinweise auf starke, bislang nur für das Paulusstift näher untersuchte Kontakte zwischen den Wormser Stiften und Stadtbürgern während des hier näher betrachteten Zeitraums birgt zum Beispiel auch eine im Jahr 1338 vor dem Rat und den Sechzehnern beurkundete Seelgerätstiftung zu Gunsten des Andreasstifts: Der Onkel der Ausstellerin wird als dem Rat nahe stehend (»Ratsfreund«) bezeichnet, ihr Bruder war Kanoniker des Stifts122.

Der finanzielle Niedergang von Bistum und Hochstift setzte sich in den 1350er Jahren ungebremst fort. Noch bevor Bischof Salmann durch Resignation 1359 sein Amt aufgab, hatte die Kurie durch die Einsetzung eines Adjutors in Gestalt des Mainzer Domherrn Dietrich Bayer von Boppard versucht, die Abwärtsbewegung aufzuhalten. Inzwischen war die Abhängigkeit von der Kurpfalz nahezu unabwendbar geworden. Zeitweilig geriet die Stadt, in der sich ab 1360 innere Auseinandersetzungen um die Ratsherrschaft zuspitzten (s.u.), wieder ins Interdikt, bevor man durch Vermittlung Kaiser Karls IV. einen vorläufigen Kompromiss zwischen Rat und Bischof erzielte. Dietrich versuchte, seine Probleme durch enge Zusammenarbeit mit dem Reichsoberhaupt und der Kurie zu lösen. Karl IV. unterstützte die Position des bis 1365 in Worms amtierenden Bischofs als Stadtherrn und bestätigte ab 1364 eine Reihe entsprechender Privilegien. Während dieser Zeit begannen sich die Konflikte zwischen Rat und Klerus in der Stadt dramatisch zu verschärfen, worauf noch näher einzugehen ist. Erneut durch päpstliche Provision gelangte auch Dietrichs Nachfolger Johannes Schadland (1365–1371) in sein Amt, der zunächst den Konflikt mit der Bürgerschaft im Wege eines Vertrages löste, was die traditionelle Bestätigung der städtischen Privilegien wie auch die Lösung vom Bann nach sich zog. Es gelang, die bischöfliche Oberhoheit über den Rat und seine Einsetzung ausdrücklich festzuschreiben, wirtschaftliche Sonderrechte vor allem der Stifte zu bestätigen und die alte Frage der Besteuerung des Klerus zu lösen. Der Amtsinhaber war jedoch den erheblichen finanziellen und politischen Herausforderungen seiner Stellung und der Einkreisung durch die Pfalzgrafschaft kaum gewachsen und wechselte schließlich nach Augsburg.

In einem Zustand fortschreitender finanzieller Misere und nach gescheiterten Versuchen der Kurie, neue Kandidaten in Worms durchsetzen, gelang es dem Domkapitel, mit Eckhard von Dersch (1371–1405)123 einen eigenen Kandidaten für den Bischofssitz zu etablieren. Sein Pontifikat war in der Stadt von langwierigen, äußerst heftigen Konflikten zwischen Geistlichkeit und Rat um die Fragen des Weinschanks und der Steuerfreiheit des Klerus gekennzeichnet, die 1385/86 einen Höhepunkt erreichten und zum Auszug des Stiftsklerus aus der Stadt führten (s.u.). Der Bischof, der fast ständig in seiner Residenz in Ladenburg weilte124, das ab 1385 unter gemeinsamer Herrschaft von Wormser Bischof und Kurpfalz stand, versicherte sich der Unterstützung des Königtums und war in dem 1386 vorläufig beigelegten Konflikt in besonderem Maße auf die Anlehnung an die Pfalzgrafen angewiesen. Die Beziehungen beider Seiten wurden am Ende des 14. Jahrhunderts weiter intensiviert, wofür die Gründung der Heidelberger Universität 1385/86 und ihre Ausstattung mit Wormser Stiftspfründen sowie personelle Verzahnungen beider Seiten (Verbindung des Kanzleramtes der Hochschule mit der Würde des Wormser Dompropstes) ein deutlicher Beleg ist125. Das geistliche Personal im Territorium des Pfalzgrafen und in den Wormser Stiften stand in engster verwandtschaftlicher Nähe und in dichtem persönlichen Kontakt zueinander. Hier bildeten sich Netzwerke und Klientelverhältnisse aus, die bis weit in das 15. Jahrhundert hineinwirken sollten. Der Vertrag mit der Stadt über die Regelung der Beziehungen von Bischof, Klerus und Rat von 1386 wurde 1392 nochmals verlängert, jedoch entbrannten zum Ende von Eckhards Amtszeit (1405) ab 1404 neue tiefe Meinungsverschiedenheiten, die – dann allerdings dauerhaft für fast das gesamte 15. Jahrhundert – in der so genannten Pfalzgrafenrachtung von 1407126 geregelt werden konnten.

Neben Bischöfen und Geistlichkeit spielte als Bezugsgröße für die Stadtentwicklung das Königtum eine wichtige Rolle. Worms als Reichsstadt127 und das Umland blieben stets im Brennpunkt der herrschaftlichen Interessen des Reichsoberhaupts. Dabei suchten Bischof und Stadt gleichermaßen durch Anlehnung an den König und Bestätigung ihrer hergebrachten Privilegien und Rechtstitel ihre Position abzusichern128. Wie die Stadt Speyer, deren Beziehungen zum Königtum für das 14. Jahrhundert gut untersucht sind, so kann Worms während der ersten Hälfte des Jahrhunderts als königsnahe Stadt angesehen werden129. Ludwig der Bayer (gest. 1347) erhielt aus Worms starke Unterstützung in seinem Kampf gegen die Kurie und bestätigte im Gegenzug die überkommenen Privilegien der von ihm faktisch unabhängigen Stadt, wobei er den alten Rechtstiteln neue an die Seite stellte. In Verfolgung ihrer reichs- und hausmachtpolitischen Interessen setzten die Herrscher verstärkt außerdem das Instrument der Landfrieden ein, in die an Ober- und Mittelrhein vor allem die Städte Speyer, Worms, Mainz und Straßburg einbezogen wurden. Den Auftakt zu dieser Phase markiert der große Landfrieden Ludwigs des Bayern am Rhein vom Jahr 1317, der auch der Lösung des Problems der Zölle und dabei der Abschaffung unrechter Erhebungsstellen dienen sollte130. Bereits anlässlich der Doppelwahl von 1314/15 hatten Speyer und Worms vereinbart, im Thronstreit nur einvernehmlich zu handeln. Auf den ersten, von Speyer bis Köln reichenden Landfrieden von 1317 folgte ab 1322 die Initiative für weitere Landfriedens- und Städtebünde, an denen die ober- und mittelrheinischen Städte maßgeblich beteiligt waren, wobei 1327 ein sehr umfassender Bund zu Stande kam.

Die Wormser verbuchten bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts im Verbund mit ihren Bundesgenossen eine Reihe militärischer Erfolge gegen Adlige des Umlandes und intervenierten zudem in innergemeindliche Konflikte der Nachbarstädte, zumal sich die Auseinandersetzungen mit niederadligen Geschlechtern des Wormser Raumes in diesem Zeitraum häuften131. Während sich in den 1330er Jahren in Mainz, Speyer und Straßburg die Spannungen zwischen Ratsgeschlechtern und aufstrebenden Mittelschichten in blutigen Bürgerkämpfen entluden, war die Situation in Worms bis in die zweite Jahrhunderthälfte ruhig. An der Schlichtung und Beilegung der Kämpfe um Anteile an der Ratsherrschaft und Fragen der Stadtverfassung in den genannten Städten waren die Wormser Ratsherren stets beteiligt und deshalb auch über die Vorgänge dort genau informiert. Mit der Herrschaft König bzw. Kaiser Karls IV. wandelten sich die Formen der Reichsgewalt und die vormals relativ starke Präsenz des Herrschers in der Region stark; die Konflikte der Stadt mit der Ritterschaft des Umlandes eskalierten, während an die Stelle des Königs nun vermehrt die Pfalzgrafen als für die Friedensregelung relevante Größe in der Region treten sollten132. Territorial umschloss die Pfalzgrafschaft fast das gesamte, stets flächenmäßig nur sehr beschränkte Stadtgebiet und erstreckte sich fast bis vor die Stadtmauern. Diese Gemengelage musste immer wieder zu Konflikten und Streitigkeiten führen, die im Stadtarchiv umfangreiche Akten füllen. Seit 1367 schlossen die Kurfürsten Schutzverträge mit den Wormser Stiften ab, wodurch sich eine beträchtliche Erweiterung der Eingriffsmöglichkeiten in die Stadt und ihr labiles Verfassungsgefüge hinein ergab. Pfalzgraf Ruprecht I. betrieb gegenüber der Stadt Worms jedenfalls eine ganz gezielte Territorialpolitik.

Keine wichtige verfassungsrechtliche Frage, vor allem im Hinblick auf die Stellung des Klerus, und schon gar keine Bischofswahl wurde fortan ohne den maßgeblichen Einfluss des Heidelberger Hofes und seines mit Worms eng verbundenen Personals geregelt, das Domkapitel war mit pfälzischen Geistlichen durchsetzt. Die Stadt, die ebenfalls – wie zeitgleich Speyer um die Jahrhundertmitte – Schirm- und Schutzverträge mit der Pfalz abzuschließen gezwungen wurde, war auf Grund fundamentaler wirtschaftlicher Interessen wie etwa der nötigen Freiheit der Handelswege auf ein gutes Verhältnis zur Kurpfalz dringend angewiesen. Der Stärke des kurpfälzischen Territoriums stand die Schwäche des Hochstifts gegenüber, das immer weiter in den Hintergrund trat und den Bischöfen wenig Spielraum für eigene herrschaftliche Aktivitäten gab.

Von großer Bedeutung für die allgemeine Entwicklung der städtischen Verhältnisse während des krisenhaften 14. Jahrhunderts war die dramatische Entwicklung der ökonomischen Rahmenbedingungen. Den Auftakt zu einer im Grunde europaweiten Wirtschaftskrise und schweren Rezession bildete die furchtbare Hungerkatastrophe der Jahre 1315 bis 1317, deren Auswirkungen durch Berichte in chronikalischen Quellen in Umrissen auch für Worms fassbar sind133. Allgemein wird davon ausgegangen, dass dieses Ereignis zu einem ersten Bevölkerungseinbruch im Rheinland geführt hat, nachdem die Bevölkerungszahl und mit ihr der Umfang der land- und weinwirtschaftlichen Anbaufläche bis dahin seit dem hohen Mittelalter stetig gewachsen war. Von besonderer Dramatik waren dann – allerdings fehlen uns örtlich oder regional bezogene Quellennachrichten – die Folgen der großen, in ganz Europa wütenden Pestepidemie, die im Spätsommer des Jahres 1349 das Ober- und Mittelrheingebiet erfasst hat und der der äußerst schwere Judenpogrom vom ersten Fastensonnntag (1.3.) 1349 zeitlich vorausging (s.u.)134. Der Pestwelle, deren konkrete Folgen für Worms nicht greifbar sind, fielen – mit großen regionalen Unterschieden – zwischen einem Fünftel und einem Drittel der Bevölkerung zum Opfer. In der Folge kam es immer wieder zu regionalen und lokalen Epidemien mit schwankenden Todeszahlen.

Die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung und die Tendenzen in Handel und Gewerbe lassen sich quellenbedingt kaum erkennen. Bereits 1330 hatte König Ludwig der Bayer der Stadt eine Messe verliehen, die vier Wochen dauern und am Sonntag zwei Wochen vor Pfingsten beginnen sollte135; es handelt sich dabei um die terminliche Verlegung der 1243 verliehenen Messe Friedrichs II. Im Jahr 1394 erteilte König Wenzel136 der Stadt die Erlaubnis, ihren Zollsatz auf dem Rhein zu erhöhen; dazu wurde der Stadt ein Rheinzoll in Höhe von vier Turnosen auf 20 Jahre verliehen. 1396 errichtete der Herrscher einen weiteren ewigen Zoll auf dem Rhein bei Worms, dessen eine Hälfte der königlichen Kammer und dessen andere Hälfte der Stadt zufallen sollte137. Diese Maßnahme ist Ausdruck auch des erheblichen und immer weiter steigenden Finanzbedarfs der Herrscher, wie er für Kirche, Adel und Städte im gesamten 14. Jahrhundert neue Dimensionen annimmt. Der örtliche Kreditbedarf der städtischen Bevölkerung ist offenbar durch Anleihen bei den geistlichen Institutionen gedeckt worden, wozu etwa für das Paulusstift im Zeitraum von 1297 bis 1319 eine Reihe von Rentenkäufen urkundlich belegt ist, die uns die Möglichkeiten der Kreditbeschaffung für die Bürgerschaft verdeutlichen138. Die durch Fehden und Kriegszüge und den damit geschürten Finanzbedarf weiter ausgeprägte Tendenz zur fortschreitenden Durchsetzung des Geldwesens hat auch und gerade am Mittelrhein zu einer stetigen Ausweitung von Kredit- und Finanzbeziehungen geführt, wobei die mögliche Rolle der Stadt Worms als Finanzplatz zu den zahlreichen noch nicht untersuchten Themen ihrer mittelalterlichen Wirtschaftsgeschichte gehört.

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