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The old Lie: Dulce et decorum est pro patria mori

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Es gibt eine lange Tradition, gefallene Soldaten zu ehren. Die Errichtung von mitunter sehr aufwendigen Kriegerdenkmälern diente dazu, den Toten eine lange kollektive Bedeutung zu verleihen – eine Opfervorstellung, die das 21. Jahrhundert nicht mehr zu verstehen scheint.


Eine von vier faschistischen Statuen, die 1938 an der Fassade des Tempio Ossario in Udine angebracht wurden.

Wer im äußersten Nordosten des heutigen Italien die kleine Stadt Udine besucht, stößt unweigerlich beim Umschreiten des historischen Stadtzentrums an einem Kreisverkehr auf eine große überkuppelte Kirche. An ihrem hohen Travertinportal stehen vier steinerne Soldaten in kraftvoll-martialischer Pose auf Wacht. Die Formensprache verrät sofort: Sie sind Produkte der Mussolini-Ära. Doch bewachen die Posten tatsächlich den Eingang zu einem Gotteshaus? Die Militärs aus vier Waffengattungen stehen, so erfasst der Eintretende sofort, vor einem Massengrab, die letzte Ruhestätte für Tausende Soldaten. Und schnell wird auch klar, dass das Denkmal mit dem Ersten Weltkrieg zusammenhängen muss, speziell mit den Kämpfen der 12. Isonzoschlacht vom Oktober 1917, die in der italienischen Erinnerung mit dem Wort „Caporetto“ verbunden sind. Dieser italienische Ortsname des heute in Slowenien liegenden Kobarid steht gleichsam als Synonym für die größte militärische Niederlage Italiens im Ersten Weltkrieg und zugleich für ein Nationaltrauma, das in den Jahrzehnten nach dem Völkergemetzel eine enorme politische Wirkung entfaltet hat. Und an diesem Gedenkbau des Ossario San Nicolo in Udine kann sehr gut abgelesen werden, wie sich ein ständiges Neuformen eines Nationalgedächtnisses an Schlachten und Opfer von Kriegen ganz konkret eine Form gegeben hat.

Eine Inschriftentafel führt dem Besucher zunächst das Pathos der Zeit vor Augen, das für jeden einzelnen Soldaten eine Art Christus-Imitatio evozieren soll. In den Uniformtaschen eines gefallenen Soldaten hatte man angeblich einen Zettel mit folgenden Zeilen gefunden: „Alle sahen Christi Gesicht in der düsteren Aureole ihrer Helme, alle trugen als Zeichen der Marter das Kreuz der Bajonette. Und in den Taschen das Brot des letzten Abendmahls, und in der Kehle das Weinen des letzten Abschieds.“1 Zunächst als ein Sammelgrab für die über 20.000 italienischen Gefallenen der Region des Ersten Weltkrieges eingerichtet, die nach der Exhumierung an verschiedenen Orten hier neu bestattet wurden, wandelte sich der Charakter des Baus. Nach einem Gedenken an und einer Trauer um die Toten – und damit für die Gruppe der Hinterbliebenen wichtig – wurde zunehmend die Ehrung der Helden als Opfer in einem höheren Sinn inszeniert: der Tod für das Vaterland. Später kamen nämlich auch noch die Toten aus den Militärkampagnen des faschistischen Italien im Zweiten Weltkrieg – wie etwa der Einsatz der Alpini in Griechenland und der Sowjetunion – hinzu. Und es gelang sogar, die Resistenza irgendwie in den Memorialkontext des Ossario mit einzubeziehen. Der Ort hatte sich damit in eine Weihestätte für die ganze italienische Nation verwandelt. Eine weitere Inschrift an einem Epitaph für unbekannte Soldaten belegt diesen Wandel: „Et nomen una cum sanguine pro Patria dedimus – Und sogar den Namen haben wir mit dem Blut für das Vaterland gegeben.“2

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