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„Süß und ruhmvoll ist es, für das Vaterland zu sterben“
ОглавлениеDie Ehrung gefallener Krieger hat eine lange Tradition, denn sie kann eine besondere Bedeutung für soziale Gruppen bekommen, egal, ob es sich dabei um ganze Nationen oder nur um Dorf- und Stadtkommunen oder etwa Adelsgruppen handelt. Denn Schlachten, die gemeinschaftlich geschlagen wurden – wobei es fast egal scheint, ob diese gewonnen oder verloren wurden, denn auch ein Trauma kann wie ein Sieg verbinden –, können zu zentralen Bestandteilen eines politischen Gemeinschaftsbewusstseins werden, indem sie den inneren Zusammenhalt von sozialen Gruppen stärken. Werden bestimmte Kämpfe gar als Ursprung einer Gemeinschaft empfunden, erlangen die Überlieferungen den Charakter von Mythen. Und weil sich die Erinnerungen an solche Geschichten besonders fest an die Gräber der Gefallenen knüpfen, sind diese für das Gemeinschaftsempfinden so wichtig. Das lässt sich von den antiken Griechen über die Römer bis zu den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts gut belegen. Den Helden von Marathon (490 v. Chr.) oder Plataiai (479 v. Chr.) etwa wurden an den ihre Leiber bedeckenden Tumuli bis in die römische Kaiserzeit, also über einen Zeitraum von fast 600 Jahren, aufwendige kultische Ehren zuteil. Solcherart gemeinschaftsstiftende Kulte gehörten praktisch zum Symbolreservoir aller europäischen Kriegergesellschaften. Und diese waren es wohl auch, die Quintus Horatius Flaccus (65–8 v. Chr.) die Feder bei seinen oft zitierten Worten aus der dritten Ode führten: „Dulce et decorum est pro patria mori – Süß und ruhmvoll ist es, für das Vaterland zu sterben.“3
Ideologische Versatzstücke aus diesem Wortspiel vom süßen Tod fürs Vaterland haben gemeinsam mit den Kriegertotenkulten dann in der abendländischen Geistesgeschichte von Aristoteles über Friedrich Hölderlin und Theodor Körner bis hin zum militaristischen Pathos der Moderne bei Kriegen immer wieder eine wichtige Rolle gespielt. Auch Revolutionen wie etwa die große Französische Revolution oder die Ereignisse in Europa von 1848 haben aus Opferverehrungen und Totenkulten ein besonderes Erinnerungsamalgam entstehen lassen. Nichts Geringeres als „Rom oder Tod“ beinhaltete der pathetische Schwur, der die italienische Einheitsbewegung verband. Überhaupt hat der sich entfaltende Nationalismus des 19. Jahrhunderts zu einer neuen Qualität im monumentalen Gefallenenkult geführt, wenn man etwa an das 100 Jahre nach dem Ereignis von 1813 errichtete Leipziger Völkerschlachtdenkmal denkt.4 Über Jahrhunderte schien es beinahe so, als ob es ohne Opfertod und die darauf bezogenen Gedenkrituale kein Vaterland als ein politisches Subjekt und damit auch keine nationale Zukunft geben könne.