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DEATH… For The Whole World To See [1975 / Drag City, 2009] Daniel Decker

Punk beinhaltet ein unwiderstehliches Versprechen. Drei Akkorde zum Erfolg und damit eine Befreiung aus Lohnarbeit oder anderen gesellschaftlich auferlegten Strukturen, und das angeblich ohne vermeintliche Anbiederung an den chartstauglichen Radiopop. Für die meisten bleibt es bei dem Versprechen. Mit Alter und Verpflichtungen bleibt die Liebe zur Musik auf der Strecke. Der Traum wird zur Beschäftigung im Hobbykeller oder gar gleich zum Irrtum, einer Spinnerei.

Death fügen diesem Versprechen eine neue Ebene hinzu. Eine afroamerikanische Protopunkband, die 1976 eine einzige Single im Selbstverlag veröffentlichte und sich bereits 1977 wieder auflöste. Wegen Erfolglosigkeit, aber auch wegen Sturheit. Sie hätten einen Plattenvertrag haben können, wenn sie doch nur ihren nihilistischen Namen geändert hätten, aber genau das wollten sie nicht. Sich nicht anpassen oder verbiegen. David, Leader der Band, hatte ein ambitioniertes Ziel. Death sollte nichts negatives sein, der Tod sollte eine positive Konnotation bekommen. Und wie sollte das möglich sein, wenn sie einfach den Namen wechseln würden?!

30 Jahre später interviewte Ben Blackwell von den Detroiter Dirtbombs Jello Biafra über Band-Shirts und erfuhr so von den ebenfalls aus Detroit stammenden Death und ihrer einzigen Single »Politicians in My Eyes«. Blackwell postete die beiden Songs der 7" ins Netz und die Dinge nahmen ihren Lauf. Die Single entwickelte ein Eigenleben. Sie wurde auf Partys gespielt und für Sammler zu einem heiligen Gral. Questlove von den Roots hatte sie, Roots-Producer J Dilla machte ihn darauf aufmerksam. Die noch lebenden Mitglieder der Band, Bobby und Dannis Hackney, erfuhren über ihre Kinder von ihrem Kultstatus, als diese die Musik ihrer Väter auf einer Party hörten.

Und es gab mehr zu entdecken als diese eine Single, die bereits 1975 aufgenommen wurde, um an einen Plattenvertrag zu kommen. Übers Netz erfuhr der Plattensammler Robert Cole Manis von weiteren Aufnahmen dieser Session und stellte den Kontakt zum Label Drag City her, das dann 2009 die Aufnahmen als … For the Whole World to See veröffentlichte.

Alleine dies wäre eine der besten Geschichten einer Wiederentdeckung und der damit einhergehenden Auferstehung. Doch da ist auch die Musik selbst: Alleine die 7" »Politicians in My Eyes« haut einen um. Das ist kein Protopunk wie von den ebenfalls aus Detroit stammenden MC5. Es sind auch keine drei Akkorde, welche die Musik zu dem machen, was Punkrock genannt wird. Es ist die Energie und die Wut in der Musik von Death, es sind die Texte über Drogen, Rock’n’Roll und eine No-Future-Einstellung, die authentischer rüberkommt, als das Produkt der Sex Pistols es je vermitteln könnte. Death waren kein Rock’n’Roll Swindle. Sie waren Rock’n’Roll Victims. Die einzige Welt, die nicht öde und abgestumpft war, war ihre eigene.

Es war die Musik von drei Brüdern, Bobby und Dannis, angetrieben von dem älteren David. Gestartet 1971 als R&B- und Funk-Band änderten sie, inspiriert von The Who und Alice Cooper, ihre Ausrichtung. Die Brüder erlebten den Aufstieg von Motown und den Civil Rights Act von 1964. Sie waren 1969 als Teenies Zeugen des Aufstands in Detroit mit über 1.000 Verletzten und über 7.000 Verhaftungen. Sie bekamen mit, wie sich danach Ghettos bildeten. Kurz nachdem Martin Luther King 1968 erschossen wurde, sah David Jimi Hendrix im Fernsehen und fand ein Gitarrenidol, mit dem er sich identifizieren konnte.

Death kombinierten Punk, Hard-Rock mit Glam und Stadion-Attitüde. Das allerdings vollkommen unironisch, was manche Hörer_innen fordern mag. Noch bevor Klischees im Punk die Überhand gewannen. Death existierten, bevor Simplizität zum Merkmal und bevor Attitüde über den Inhalt erhoben wurden, und sie waren vor vielen anderen da. Vor den Ramones, den Sex Pistols, den Dead Kennedys und den Bad Brains.

Bobby und Dannis erlebten die Wiedergeburt ihrer Band und nahmen seit 2009 neue Musik auf. David, stets treibende Kraft, verstarb 2000. Vor seinem Tod übergab er seinem Bruder die Masterbänder von damals: »Bob, du musst all das Zeug aufheben. Die Welt wird eines Tages danach suchen, und wenn sie danach sucht, dann möchte ich wissen, dass du es hast.« Er sollte recht behalten. Death schufen Hoffnung für alle, die Musik liebten, alles gaben und nie etwas zurückbekamen. Death hat nun tatsächlich eine neue Bedeutung − und die ganze Welt kann es sehen.

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