Читать книгу Damaged Goods - Группа авторов - Страница 14

Оглавление
PETER HAMMILLNadir’s Big Chance [Charisma, 1975] Sascha Seiler

Als der 1948 geborene, britische Musiker Peter Hammill 1975 sein Album Nadir’s Big Chance veröffentlichte, war er bereits ein Veteran des Progressive-Rock, einer jener so genannten Dinosaurier, gegen den der Punk ja vehement anging. Doch Hammill und seine gerade wieder neu formierte Band Van der Graaf Generator waren immer die etwas anderen Prog-Musiker gewesen. Die ersten vier Alben der ersten Inkarnation, die zwischen 1968 und 1971 erschienen, hatten nichts von den symphonischen Exkursionen in Märchenwelten, wie sie etwa Yes kultivierten oder von der übertriebenen Zurschaustellung technischen Könnens, die Emerson, Lake & Palmer praktizierten. Prog war, siehe auch Bands wie Genesis oder Caravan, stets Eskapismus und ist es auch heute noch. Neben King Crimson, die eine härtere, dunklere Gangart kultivierten, waren es vor allem Van der Graaf Generator, die das Genre gänzlich anders verstanden. Die Band spielte brutal, unsauber, fordernd. Hammill ist bis heute, mehr als ungewöhnlich im Prog, ein eher unterdurchschnittlicher Musiker, der Mühe hat, sein hölzernes Gitarren- und Klavierspiel unbeschadet über die Bühne zu bringen, aber er hatte gute Kompositionen und eine ausdrucksstarke Stimme, die jedoch ein Großteil der Menschheit nur schwer zu ertragen findet. Vor allem aber waren die frühen Alben, mit Van der Graaf Generator, aber auch seine Soloplatten der 1970er sehr düstere Angelegenheiten. In den Texten wurde auf philosophische Weise über Zeit, Endlichkeit, Wahnsinn und Zerfall meditiert und ihr Schöpfer hatte schnell den Spitznamen Dr. Doom verliehen bekommen. Erfolg hatte er keinen − mit Ausnahme einer kurzen Zeit Anfang der 1970er im Prog-verrückten Italien. Dort erreichte das vierte, stark psychedelische Van-der-Graaf-Generator-Album Pawn Hearts Platz eins der Charts. Es folgte eine Tournee, die stellvertretend für den schon frühen Punk-Geist steht, der um die Band wehte: Chaos, Lebensgefahr, Pleite. Zurück blieb eine abgewrackte Band, die sich besser schnell auflöste, bevor sie, wie Hammill heute sagt, alle den Verstand verlieren würden. Er begann, Solo-Alben aufzunehmen, auf denen jedoch weiterhin die Bandmitglieder spielten. Erst seit den frühen 1990ern entschied er sich aus ökonomischen Gründen fast alles alleine zu machen. Ihm folgt eine kleine, aber bis heute äußerst treue Fan-Gemeinde, die jede seiner über 50 Platten verehrt und die ihn finanziell irgendwie über Wasser hält.

Als nun Nadir’s Big Chance erschienen war, hatte Hammill gerade das Album In Camera und mit diesem seine psychedelische Phase hinter sich. Mit Gog/Magog (In Bromine Chambers) hatte er eine fast 20-minütige Noise-Kaskade auf die Menschheit losgelassen und versuchte nun, dieses Fabrizieren von Lärm in kleinere Dosen zu verpacken. In den Liner Notes schreibt Hammill von »the beefy punk songs, the weepy ballads, the soul struts«, die auf diesem Album versammelt seien. Tatsächlich scheint es, als sei Hammill der erste britische Musiker, der das Wort Punk in einem Plattencovertext benutzte. Und es war vor allem Johnny Rotten, der die Platte in höchsten Tönen lobte und in einer Radiosendung, in der er seine Lieblingstracks spielen sollte, gleich zwei seiner Songs auswählte. »Autor und Interpret« der Stücke war, der Gag hielt aber nicht lang, übrigens ein gewisser ›Rikki Nadir‹, hinter dem sich natürlich Hammill verbarg, der diese rohen, direkten, lauten, und im wahrsten Sinne des Wortes ätzenden Songs somit ›in character‹ spielte.

Tatsächlich mögen seine Fans das Album bis heute nicht besonders; es ist ihnen zu rau, zu ›punkig‹. Doch man sollte dieses Musizieren ›in character‹ auch nicht als reine, gar arrogante Spielerei abtun. Hammill blieb in den Folgejahren sehr abenteuerlich und veröffentlichte unter anderem Ende der 1970er die mit neuen Sounds experimentierenden Alben The Future Now und ph7; zwei Alben, die wie nichts klingen, das vorher oder nachher produziert wurde. Leider kennen immer noch zu wenige Menschen seine Platten, die er seit den frühen 1980ern im Selbstverlag herausbringt. Diese sind immer noch extrem fordernd und radikal und stoßen, vielleicht gerade aufgrund der limitierten musikalischen Mittel ihres Schöpfers, immer wieder in Bereiche des Unerwarteten, Unorthodoxen vor.

Damaged Goods

Подняться наверх