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IGGY AND THE STOOGESMetallic K.O. [Import Reords, 1976] Fernando Esposito

»This is up your ass.« Hätte man den beiden Konzerten im Michigan Palace im Oktober 1973 und Februar 1974, veröffentlicht 1976 als Metallic K.O., standhalten können? Immer wieder ist zu lesen, wie wirkmächtig die Konzerte Iggy Pops in den mittleren 1970er-Jahren für den Punk gewesen seien. Und gleichwohl die Antwort auf die Frage, was denn Punk sei, umstritten sein mag, auf Metallic K.O. scheint er keineswegs nur vorweggenommen, sondern in Gänze ausgebildet. Das gilt indes auch schon für das Debütalbum The Stooges von 1969 − man denke nur etwa an »I Wanna Be Your Dog« oder an »No Fun« − sowie für Fun House (1970) mit »Loose« und erst recht mit »1970«. Ein stärker von Zweifeln behaftetes »I Feel Alright« gibt es wohl nirgendwo zu hören. Und natürlich gilt das für Raw Power (1973), dessen »Search and Destroy« nicht allein die Erotik der Gewalt und die ganze Absurdität des Vietnamkrieges zum Ausdruck brachte, der kurz vor Erscheinen der Platte sein − zumindest für die USA − vorläufiges Ende fand, sondern einen der Topoi des Punk schuf: »the world’s forgotten boy«.

»I think a good song for you would be a 55 minute Louie Louie.« Doch zurück zu den Metallic K.O.-Auftritten, deren volle Wucht erst auf den ergänzten, 1988 und 1998 erschienenen Versionen zu erahnen ist, enthalten sie doch meines Erachtens das Meisterwerk von Iggy and the Stooges: »Open Up and Bleed«. (Auf Metallic K.O. war »Open Up and Bleed« bedauerlicherweise ursprünglich abgeschnitten, doch auf der 2010 veröffentlichten Version von Raw Power findet sich eine großartige vollständige Version des Liedes.) Wäre man einer der Zeitgenossen gewesen, die die tönende Ambivalenz von Iggy Pops Auftritten, den Schmerz, das explodierende Leben verstanden hätten? Lester Bangs erinnerte sich im März 1977 an ein Stooges-Konzert in Warren, Michigan: »The audience, which consisted largely of bikers, was unusually hostile, and Iggy, as usual, fed on that hostility, soaked it up and gave it back and absorbed it all over again in an eerie, frightening symbiosis. By now the hatred in the room is one huge livid wave, and Iggy singles out one heckler who has been particularly abusive: ›Listen, asshole, you heckle me one more time and I’m gonna come down there and kick your ass.‹ ›Fuck you, you little punk‹, responds the biker. So Iggy jumps off the stage, runs through the middle of the crowd, and the guy beats the shit out of him.«

Am nächsten Tag versprachen die Rocker beim Radiosender WABX-FM, Iggy and the Stooges umzubringen, sollten sie im Michigan Palace auftreten. Eine Drohung, die Iggy wohl als Ansporn sah. Ergebnis war, wie Lester Bangs betonte: »The only rock album I know where you can actually hear hurled beer bottles breaking against guitar strings.« Man höre genau hin.

»I’ve been pushed, I’ve been shoved too long, they even tried to buy my song, but it ain’t gonna be that way no more.« Die Stooges feiern den Nihilismus, das Kaputtsein, den »run«. Gibt es, neben Lou Reeds »Heroin«, eine unverblümtere Vertonung des durch die Venen schießenden Heroins? Hier tönt der »smack« indes nicht nach der vergleichsweise glamourösen Côte d’Azur der Stones, sondern nach dem Tanger William S. Burroughs, dem Tophane Jörg Fausers, dem Birdland Charlie Parkers sowie nach jenen letzten Tagen Lester Youngs, wie sie von Geoff Dyer in But Beautiful imaginiert wurden: »He was disappearing, fading into the tradition before he was even dead. So many players had taken from him that he had nothing left.« Ähnliches gilt für Iggy, dem die höchstverdiente Anerkennung erst spät vergönnt sein sollte. Und das, obwohl es seine Versionen von Sehnsucht und Flucht, Auflehnung und nackter Macht waren, die das Punk-Paradigma prägten.

»I’ve been caged like a wild cat by those who don’t know where it’s at, but it ain’t gonna be that way no more.« Metallic K.O. ist darüber hinaus ein Tondokument von nicht zu unterschätzendem zeithistorischen Wert, lässt es sich doch unschwer als Trauermarsch zur Grablegung der Motor City Detroit und der fordistischen Utopie der trente glorieuses denken. Man nehme dabei die von Yves Marchand und Romain Meffre in The Ruins of Detroit festgehaltenen Bilder der Nekropole in Augenschein. Doch »Open Up and Bleed« ist kein Klagelied. Denn die Stooges vertonen hier zugleich den Ausbruch aus jenem »stahlharten Gehäuse«, in dem die Boom-Generation mit ihren vermeintlich gesicherten, lebenslangen und nun doch schwindenden Arbeitsplätzen als industrielle Knechte hauste. Der Käfig wird als solcher entlarvt. Denn »hinter tausend Stäben keine Welt«, und der Vorhang der stecknadelgroßen Pupille schiebt sich keineswegs lautlos auf, sondern mit krachendem Getöse.

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