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THE FUGSTenderness Junction [Reprise, 1968] Frank Witzel

Seit ihrer Gründung Anfang der Sechziger hatten die Fugs mit ihrer Anti-War- und Pro-Drugs-Haltung, gespickt mit sexuellen − heute würde man wohl eher sagen sexistischen − und blasphemischen Anspielungen Probleme mit der Zensur, der offiziellen staatlichen einerseits und der inoffiziellen Vorzensur der Plattenlabels andererseits. Im April 1967 nahmen sie unter dem Titel The Fugs Eat It ihr viertes Album für Atlantic auf. Atlantic stand damals gerade in Verhandlungen mit Warner Brothers wegen einer Übernahme und da man fürchtete, die ungezähmten, langhaarigen Kruselbärte mit ihrem kruden und nicht genau einzuordnenden Stilmix würden den Deal gefährden, entschloss man sich kurzerhand, die Zusammenarbeit aufzukündigen. Die Fugs wandten sich daraufhin an Reprise, das von Frank Sinatra 1960 gegründete Label, das ironischerweise seit drei Jahren zu Warner gehörte, aber immer noch in den Statuten festgelegt hatte, dass jede Platte vor ihrem Erscheinen zuvor von Sinatra persönlich durchgehört und abgesegnet werden musste. So verbindet sich auf immer die sonderbare Vorstellung mit Tenderness Junction, dass Ol’ Blue Eyes sie bei einem Glas Scotch anhörte und anschließend ihr Erscheinen Anfang 1968 genehmigte.

Ed Sanders und Tuli Kupferberg waren von Haus aus Poeten und Teil der Beat-Bewegung, als sie im Sommer 1963 die Fugs gründeten. Keine Band im eigentlichen Sinne, sondern eher ein Konzept, unter dem die beiden bis zum Ende der Sechziger und dann in wechselnden Abständen von Mitte der Achtziger bis zum Tod von Kupferberg im Jahr 2010 wechselnde Musiker versammelten, die ihnen halfen, ihre Ideen umzusetzen. Ken Weaver wäre zu nennen, dann die beiden Holy Modal Rounders Peter Stampfel und Steve Weber, aber auch ausgewiesene Profis wie Danny Kortchmar oder Chuck Rainey, neben Dichterkollegen wie Allen Ginsberg oder Gregory Corso, die beide auf der Tenderness Junction mitsingen und -spielen. Zum Konzept gehörte eine freie Form der Aneignung. Diese Aneignung fand sowohl auf musikalischer als auch textlicher Ebene statt. Folk, Rock, psychedelische Einflüsse, das Kammermusikhafte bis hin zur Parodie von Gospel, Doo-Wop oder Chorälen findet sich bei den Fugs neben Versen ihrer großen Vorbilder Pound, Blake oder Sappho, die in der Regel mit eigenen Zeilen vermischt oder mit gefundenen Gebrauchstexten verfremdet und in einen neuen Zusammenhang gestellt werden. Kurz gesagt, das Zitat, der Verweis, die Aneignung stehen als literarische Stilmittel im Vordergrund der Arbeitsweise von Sanders und Kupferberg, eine Geste, die sich auch im Punk wiederfindet, genauso wie die unbekümmerte Aneignung der Musikinstrumente als Mittel des direkten Ausdrucks.

Die erste Seite der LP beginnt mit einem eindeutigen Hit, der genau auf der Höhe der aktuellen amerikanischen Musik der damaligen Zeit mit Feedback-Gitarren neben gekonntem Harmoniegesang einen nach vorwärts treibenden Rhythmus liefert und damit den Slogan von Timothy Leary »Turn on, tune in, drop out« befördert. Nach der Bluesnummer »Knock Knock« mit ihrem ironisierenden Text, der leider das musikalische Potential besonders des Mittelteils unter Wert verkauft, folgt eine der stärksten Kompositionen Tuli Kupferbergs: »The Garden is Open«. Stilistisch im Umfeld der Grateful Dead angesiedelt, harmonisch modal mit Anlehnung an orientalische Melodieführung über einen ostinaten Take-Five-Groove gelegt, fordert es nahezu zwangsläufig die abdriftende Improvisation, die hier mit elektrisch verzerrter Gitarre und Geige geliefert wird; ein Stück, das auch nach zwanzig Minuten schließen könnte und nicht bereits nach sechs Minuten und zehn Sekunden.

Die konzeptionelle Schwäche der Fugs wird allerdings gleich anschließend deutlich, da mit »Wet Dream« erneut eine parodistische Nummer folgt, diesmal im überzogenen und auch von Zappa hier und da angewandten Doo-Wop-Stil. Der die erste Seite beschließende Hare-Krishna-Gesang der Band zusammen mit Allen Ginsberg und Gregory Corso versinkt deshalb unfreiwillig in derselben zweifelhaften Ironisierung, obwohl dies bestimmt nicht intendiert war, was schon das Mitwirken von Maretta Greer, Ginsbergs Mantra-Lehrerin, beweist, die in der Ausblende eine kurze Yoko-Ono-Paraphrase zu Gehör bringt.

Am 21. Oktober 1967 waren die Fugs Teil einer Demonstration gegen den Vietnamkrieg, die diesmal direkt vor dem Pentagon stattfand. Sanders und Kupferberg hatten die Idee, eine Form des Exorzismus durchzuführen, um die bösen Geister aus dem Gebäude der Kriegsplanung zu vertreiben. Eine Viertelstunde wurden Namen von Göttern aller Religionen und Mythen zitiert, um schließlich in den immer wiederkehrenden Ruf »Out, demons out!« überzugehen. Kenneth Anger praktizierte gleichzeitig ein eigenes Ritual, ging dann zusammen mit den anderen zu den Wachsoldaten und steckte ihnen Gänseblümchen in die Läufe ihrer Gewehre. Am Anfang der zweiten Seite von Tenderness Junction findet sich ein dreiminütiger Ausschnitt aus diesem Exorzismus, gefolgt von der gelungenen Miniatursuite »War Song«, die in das kammermusikalische und mit Streichern unterstützte »Dover Beach« übergeht, ein weiteres Beispiel, neben »The Garden is Open«, für die besondere Fähigkeit der Band, auch im gekonnten Arrangement nie die eigene Sprödheit aufzugeben. So auch im folgenden »Fingers of the Sun«, das Texte von Sanders mit denen von Ezra Pound und Pyramideninschriften mischt und ganz ohne Gitarre und Schlagzeug von Bläsern und Streichern begleitet wird. Mit einer achteinhalbminütigen Suite in fünf Sätzen, in der Aphrodite, die Liebe und das weibliche Geschlecht angebetet werden, endet diese Platte, auf der die vielen Möglichkeiten der musikalischen Entwicklung Ende der Sechziger aufgezeigt werden. Eine Platte, die ihr ungeheures Potential fast unbeachtet von der Öffentlichkeit entfaltete, jedoch einen großen Einfluss auf andere Musiker und Bands ausübte, nicht allein auf die Edgar Broughton Band, die zwei Jahre später in den Abbey Road Studios ihre ganz eigene Version von »Out, Demons out!« aufnahm.

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