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5. Die Berufungsverhandlungen
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Nach Abschluss des ersten Teils des Berufungsverfahrens – Erstellung eines Vorschlags der Hochschule – kommt es im Regelfall[155] zu einer Ruferteilung durch die hierfür jeweils zuständige Stelle[156] in schriftlicher Form. Irritierenderweise werden von Land zu Land (dies gilt auch für die den Ruf erteilenden Hochschulleitungen) unterschiedliche Formulierungen wie „hiermit berufe ich Sie“ oder „ich beabsichtige, Sie zu berufen“ verwendet. Die Rechtsqualität dieser Rufe ist indes identisch.[157]
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Traditionell trat der Rufinhaber, wenn er bereit war, dem Ruf Folge zu leisten, in zweigeteilte Berufungsverhandlungen einerseits mit der Hochschule (Ausstattung der Professur), andererseits mit dem Ministerium/der Senatsverwaltung (Status und speziell Besoldung). Diese Zweiteilung existiert heute aus mehreren Gründen, von denen die Einführung der sog. W-Besoldung der wichtigste ist, nicht mehr. Von seltenen Ausnahmen abgesehen werden heute Verhandlungen nur noch mit der Hochschule geführt.
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Bereits seit einigen Jahren zeichnet sich, was den Beginn und die Ausgestaltung der Verhandlungen anbetrifft, an manchen Hochschulen ein verheerender „Wildwuchs“ und ein „Verfall der guten Sitten“ ab. In einer zunehmend ökonomisierten und wettbewerblichen Berufungslandschaft werden vereinzelt bestehende Verhandlungsimparitäten (z.B. im Hinblick auf die sog. W-Besoldung bei sog. Erstberufung) ausgenutzt bzw. noch verschärft. Zum Teil notdürftig als Wunsch nach Verfahrenszügigkeit getarnt, werden potentielle Rufinhaber de facto gezwungen, vor der eigentlichen Ruferteilung in „Gewinnbarkeitsverhandlungen“ zu treten. Offen artikulieren Hochschulen, auf diesem Wege zunächst einmal die Kompatibilität der beidseitigen Vorstellungen klären zu wollen (anderenfalls werde mit dem Zweitplatzierten verhandelt).[158] Selbst vor zeitlich parallelen Verhandlungen mit allen drei vorgeschlagenen Kandidaten schreckt man im Einzelfall nicht mehr zurück.[159] Angesichts der erheblichen und prinzipiell auch erfolgversprechenden Anstrengungen in puncto „Verhandlungskultur“, die gerade der Deutsche Hochschulverband in den letzten Jahren getätigt hat[160], ist Derartiges nur als hilflose Reaktion einiger Hochschulleitungen auf den anscheinend zunehmend als negativ empfundenen Wettbewerb zu verstehen. Zudem passen derartige Prozesse nicht zu den positiven tatsächlichen Entwicklungen der letzten Jahre. Nie zuvor wurden – auch nach Ruferteilung – Berufungsverhandlungen in Deutschland zügiger durchgeführt[161] und nie zuvor waren Rufinhaber „emphatischer“, was die Desiderate der Hochschule anbetrifft.[162] Insoweit geht es, auch weil der „Ruf“ lediglich eine „invitatio ad offerendum“ darstellt, bei dieser neuen Tendenz vornehmlich darum, vermeintlich schwache Verhandlungspositionen noch mehr zu schwächen.[163] Auch die KMK-Sperre ist erodiert[164], weshalb nur noch im Einzelfall – im beidseitigen Interesse liegende – „graue“ Verhandlungen geführt werden müssen.[165] Dass dies zum einen zu scharfen Gegenbewegungen führen wird und zum anderen die Qualität eines soliden Berufungswesens empfindlich beeinträchtigt, liegt auf der Hand.[166] Hoffnungsvoll stimmt, dass ca. 95 % aller deutschen Universitäten sich derartige Praktiken („Gewinnbarkeitsverhandlungen“) nicht zu eigen gemacht haben. Der Deutsche Hochschulverband vergibt als Zeichen einer fairen und transparenten Berufungsverhandlungskultur seit drei Jahren ein Gütesiegel.[167]