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II. Grundsatz: Kompetenzkontrolle durch den EuGH
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Verwerfungsmonopol des EuGH
In Art. 344 AEUV haben die Mitgliedstaaten sich verpflichtet, „Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln“. In den Verträgen ist in Art. 19 EUV (der EuGH sichert die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge)[199] und für das Vorlageverfahren in Art. 267 Abs. 3 AEUV vereinbart, dass der EuGH für Auslegungs- und Gültigkeitsfragen zum Unionsrecht und zu Handlungen der Unionsorgane die letzte Instanz ist. Der EuGH nimmt für sich im Rahmen seiner Zuständigkeit zwar kein Prüfungs-, aber ein Verwerfungsmonopol über europäische Rechtsakte in Anspruch,[200] dies aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung und der Rechtssicherheit. Die Errichtung eines „echten“ Gerichts, in dieser Form im überstaatlichen Bereich einzigartig, war in den Verhandlungen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften insbesondere ein deutsches Anliegen – im Gegensatz zu französischen Vorstellungen, die auf konventionelle Mechanismen der Streitbeilegung im Völkerrecht setzten.[201]
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Kritik am EuGH
Auf einer ersten Ebene der Kritik wird beanstandet, dass eine Kompetenzkontrolle durch den EuGH zu selten erfolge und der EuGH bei der Frage von Kompetenzüberschreitungen zu unionsfreundlich judiziere. Gegen diese Vorwürfe wird darauf hingewiesen, dass der EuGH insgesamt wenig Gelegenheit hat, sich zum Umfang der Unionskompetenzen zu äußern, weil der Einwand der Kompetenzüberschreitung selten erhoben wird.[202] Der EuGH hat in seiner bisherigen Rechtsprechung auch europäische Rechtsakte wegen absoluter Unzuständigkeit (fehlender Verbands-/Ebenenkompetenz) für kompetenzwidrig (Ultra vires im engeren Sinne) erklärt.a[203] Einer ausgreifenden Verwendung der Binnenmarktkompetenzen (Art. 95 EGV, heute Art. 114 AEUV) hat der EuGH in seinem Tabakurteil vom Oktober 2000[204] klare Grenzen gesetzt. Auf einer anderen Ebene ist die Kritik am EuGH zu verorten, die dem EuGH selbst Kompetenzüberschreitung vorwirft, entweder durch Perpetuierung kompetenzüberschreitender Rechtsetzung oder, noch allgemeiner, durch Überschreitung der Grenzen richterrechtlicher Rechtsfortbildung.[205] Die Grenze zwischen zulässiger und unzulässiger Rechtsfortbildung durch Gerichte ist freilich ein Dauerthema des Rechts auf allen Ebenen, in dem eindeutige Maßstäbe schwer auszumachen sind. Festhalten lässt sich jedenfalls, dass die Mitgliedstaaten die Rechtsfortbildung durch den EuGH in den vielen Vertragsänderungsrunden seit 1952 überwiegend gebilligt haben, ihr gelegentlich aber auch entgegengetreten sind.[206]
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Vertragsverletzung
Die nüchterne europarechtliche Analyse ergibt, dass mitgliedstaatliche Kompetenzletztentscheidungsansprüche nicht mit Art. 267 Abs. 3 AEUV und Art. 19 EUV vereinbar sind. In Betracht kommt für einen solchen Fall die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens.[207]