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1. Begriff und Kontext
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Rechtsprinzip
Mit Art. 5 Abs. 3 EUV hat das Subsidiaritätsprinzip seine für den gesamten Vertrag rechtlich – nicht etwa nur politisch – verbindliche Definition erhalten. Es handelt sich damit um ein Rechtsprinzip des Unionsrechts, das die Frage beantwortet, ob Bedarf für ein Handeln der Union besteht.[16]
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Verpflichtete
Als Kompetenzausübungsregel bindet es primär den europäischen Gesetzgeber, namentlich das Europäische Parlament und den Rat, bei der Ausübung rechtsetzender Tätigkeiten. Es ist darüber hinaus aber auch von den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union bei der Ausübung verwaltender Tätigkeiten zu beachten, soweit konkurrierende Zuständigkeiten bestehen.[17]
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Gedanke der Subsidiarität als Orientierungsmaßstab
Darüber hinaus bringt Art. 5 Abs. 3 EUV aber auch einen allgemeinen Gedanken der Subsidiarität zum Ausdruck, der für den europäischen Staaten- und Verfassungsverbund als föderales Gebilde typisch ist und wonach, allgemein gesprochen, der kleineren Einheit der Vorrang im Handeln („Zuständigkeitsprärogative“) gegenüber der größeren Einheit nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit zukommt.[18] Im rechtspolitischen Diskurs dient der allgemeine Gedanke der Subsidiarität häufig als Orientierungsmaßstab und Argumentationshilfe, vor allem, wenn es um die politische Legitimation stiftende Frage geht, ob es überzeugend ist, dass eine bestimmte Kompetenz der EU übertragen wurde oder übertragen werden soll.
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Zusammenhang mit dem Solidaritätsprinzip
Mit Blick auf die unbestimmten Rechtsbegriffe in Art. 5 Abs. 3 EUV („nicht ausreichend“, „besser“) und seinen engen Zusammenhang mit dem Solidaritätsprinzip muss das Subsidiaritätsprinzip im Rahmen seines Kontextes konkretisiert werden. Bei den für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips nötigen Bedingungen – Bestehen eines hierarchischen Über- und Unterordnungsverhältnisses, Vorliegen eines gemeinsamen Aufgabenkreises bei nicht ausschließlichen Unionskompetenzen sowie das Verfolgen eines gemeinsamen Zieles[19] – entfaltet das Solidaritätsprinzip seine Wirkung hinsichtlich der Zielbezogenheit auf das Gemeinwohl. Insoweit unterstreicht das Solidaritätsprinzip die innere Verbundenheit der kleineren Einheiten im Hinblick auf das Ganze, die das Subsidiaritätsprinzip voraussetzt. In Anwendung auf die EU folgt hieraus, dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Unionsziele, in denen europäische öffentliche Güter zum Ausdruck kommen[20], zur Solidarität verpflichtet sind. Das europäische Gemeinwohl[21] entfaltet sich auf diese Weise im Solidaritätsprinzip einerseits und im Subsidiaritätsprinzip andererseits.[22]