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II. Verteilung der Verwaltungskompetenzen

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Verwaltungskompetenzen

Über das oben erläuterte phänomenologische Problem der zutreffenden Erfassung der Vollzugswirklichkeit in der EU hinaus stellen sich bei der dualistischen Betrachtung rechtliche Probleme ein. Diese Betrachtung gerät in Gefahr, ganz grundsätzlich in Konflikt zu geraten mit der auf dem aktuellen Integrationsniveau erreichten Realität der Kompetenzbeanspruchung der EU auch für den Vollzug des Unionsrechts. Die limitierende Funktion des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung scheint für den Bereich des Verwaltungsvollzugs nicht sonderlich wirksam. Es gibt keine Kompetenzordnung im Primärrecht für den Verwaltungsvollzug. Der EuGH sieht in den Kompetenzzuweisungen nicht nur eine rein auf Legislatives beschränkte Kompetenzübertragung auf die Union. Die Union kann auf der Grundlage ihrer Zuständigkeiten im AEUV nicht nur materielles (Verwaltungs-)Recht setzen, sondern auch institutionelle oder verfahrensrechtliche Vorgaben für den Vollzug dieses Rechts formulieren, und ist dabei nicht darauf beschränkt, dies nur für nationale Vollzugsstellen zu tun. Vielmehr kann die EU auf der Grundlage ihrer Gesetzgebungszuständigkeit auch Einrichtungen auf Unionsebene errichten, die mit dem Vollzug betraut werden, oder den bestehenden Organen, allen voran der Kommission Vollzugszuständigkeiten zuweisen und damit zumindest Teile des Vollzugs in den zentralen Vollzug überführen.[24] Für die Festlegung der Vollzugsebene kommt dem EU-Gesetzgeber breiter Spielraum zu, letztlich eine gewisse Kompetenzkompetenz insoweit.

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Unentschiedenheit des Primärrechts

Denn der Befund im Primärrecht zur Verteilung der Verwaltungsvollzugszuständigkeit ergibt kein eindeutiges Bild, sondern ist für die sich entwickelnde Phänomenologie des Unionsrechtsvollzugs offen: Zwar sieht Art. 197 AEUV die effektive Durchführung des Unionsrechts durch die Mitgliedstaaten als Frage von gemeinsamem Interesse, verpflichtet Art. 291 Abs. 1 AEUV die Mitgliedstaaten zur effektiven Durchführung nach nationalem Recht, und sieht Art. 2 Abs. 1 AEUV auch bei ausschließlicher EU-Zuständigkeit weiterhin eine Befugnis der Mitgliedstaaten zum Vollzug des Unionsrechts vor (wie auch die Kompetenzkategorien des Primärrechts vorrangig auf die Gesetzgebung abstellen, vgl. neben Art. 2 Abs. 1 AEUV dessen Abs. 2 und 5), so dass man daraus eine regelhafte Aufgabenzuweisung für den Vollzug an die Mitgliedstaaten ablesen könnte[25] (mit der Folge, dass die Begründung zentraler Vollzugszuständigkeiten der EU die primärrechtlich besonders zu begründende Ausnahme darstellte). Doch etabliert das Primärrecht gerade zentrale Verwaltungsfunktionen, also Verwaltungszuständigkeiten auf der EU-Ebene: Die Kommission wird in Art. 17 Abs. 1 S. 5 EUV auch als Verwaltungsorgan „nach Maßgabe der Verträge“ definiert, was einerseits Einschränkung, zugleich aber Bestätigung zentraler Verwaltungsfunktion ist. Die in Art. 197 AEUV den Mitgliedstaaten zugewiesene Pflicht zur effektiven Durchführung des Unionsrechts lässt nach Abs. 3 die Befugnisse der Kommission, und damit auch deren Verwaltungsbefugnisse, gerade unberührt und eröffnet die Möglichkeit einer Verwaltungszusammenarbeit mit der EU. Art. 291 Abs. 2 AEUV erlaubt die Zuweisung von Durchführungsbefugnissen an die Kommission und den Rat (die dort dafür vorgesehene einschränkende Bedingung, dass das durch das Bedürfnis zu einheitlichen Bedingungen legitimiert sein müsse, entfaltet in der Unionspraxis und der Judikatur keine limitierende Wirkung[26]), was nach der Entwicklungsgeschichte des Durchführungsbegriffs im Primärrecht sowohl die Einzelfallanwendung als auch den Erlass konkretisierenden Durchführungsrechts umfasst. Dass die Kommission dabei unter die Kontrolle der Mitgliedstaaten gestellt wird – Art. 291 Abs. 3 AEUV – mag als ein Hinweis auf eine Abweichung von einer Regelzuständigkeit eben der Mitgliedstaaten für den Verwaltungsvollzug gesehen werden. Doch etabliert Art. 298 AEUV weitergehend eine „europäische Verwaltung“, die auf Offenheit, Effizienz und Unabhängigkeit verpflichtet wird. Zwar mag letzteres der Kerninhalt der Norm sein[27], doch ist unverkennbar, dass das Primärrecht hier wie selbstverständlich „Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Union“ benennt. Dass diese – entsprechend dem Begriff der europäischen „Verwaltung“, der im Übrigen nicht notwendig, aber doch wohl im Kontext des Art. 298 AEUV wegen dessen Abs. 2 die EU-eigene Verwaltung meint[28] – als Träger von Verwaltungsaufgaben, auch mit Wirkung gegenüber dem Bürger, etabliert werden können, erhellt auch noch Art. 263 Abs. 5 AEUV. Der Vertrag geht damit wie selbstverständlich vom Existieren einer Verwaltungsfunktion auch auf zentraler Ebene der EU aus. Es lässt sich daher schwerlich behaupten, dies dürfe nur ein restriktiv zu handhabender Ausnahmefall sein.

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Spielraum des Gesetzgebers

Dass das Primärrecht somit Aussagen zur zentralen und zur dezentralen Verwaltung und deren Kooperation enthält, ohne eine abschließende Zuordnung von Verwaltungskompetenzen auszusprechen, lässt erkennbar viel Spielraum für die Ausgestaltung und Verortung des Vollzugs von Unionsrecht, der sich daher auch in einer komplexen Verschränkung der Ebenen entwickeln kann und muss.[29] Die Primärrechtslage mag sich somit vor dem Hintergrund eines tradierten Verständnisses, wonach der Vollzug im Grundsatz Sache der Mitgliedstaaten sei, entwickelt haben, da die Verwaltungsaufgaben und -einrichtungen auf EU-Ebene nur langsam aufgebaut wurden[30] und die EU in ihren Anfängen eindeutig ihren Schwerpunkt auf der Rechtsetzung hatte.[31] Doch hat sich das gewandelt. Die Union hat mittlerweile ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass gemeinsame Rechtsetzung für einen effektiven und einheitlichen Rechtsraum nicht genügt. Ein uniformes Regelwerk reicht nicht aus, um aus getrennten, nationalen Märkten einen funktionierenden einheitlichen Binnenmarkt zu formen. Es kommt auch auf die effektive und einheitliche Umsetzung dieser Regelungen an. Die EU hat die Notwendigkeit von Strategien und Strukturen erkannt, um die Effektivität und Einheitlichkeit der Umsetzung und Durchsetzung des Unionsrechts zu verbessern, nicht zuletzt durch einen größeren Einfluss von EU-Institutionen auf den Vollzug des Unionsrechts.[32] Daher ist der gegenwärtige Stand des Primärrechts insoweit deutlich von Flexibilität gekennzeichnet. Der EU-Gesetzgeber verfügt damit über breite Spielräume bei der Zuordnung der Vollzugsaufgaben im Rahmen seiner Zuständigkeiten etwa insbesondere unter Art. 114 AEUV, Art. 127 Abs. 6 AEUV[33] und Art. 352 AEUV. Eine Regelvermutung zugunsten der Mitgliedstaaten folgt damit nur noch aus dem aus dem Grundsatz der Einzelermächtigung folgenden Erfordernis einer positiven Begründung einer EU-Kompetenz. Die Kompetenzausübung der EU ist unter anderem an der Subsidiarität (Art. 5 Abs. 3 EUV) zu messen, die keine absolute Schranke vorgibt, sondern eine Abwägung zwischen stärkerer Vollzugsvereinheitlichung und nationaler Verwaltungsautonomie erfordert.[34] Die Wirkung von Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit ist durchaus zweischneidig, kann doch die Schaffung einer EU-Agentur als weniger einschneidend im Vergleich zu einer Vollharmonisierung gesehen werden.[35] Jedenfalls resultiert daraus eine Begründungspflicht für die Verortung von Vollzugsaufgaben gerade auf der zentralen Ebene. Die differenzierte Realität in der EU, die über eine reine Dualität deutlich hinausgeht, erscheint dem angemessen.

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