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ОглавлениеAuf dem Marsch
Irgendwo in den Nördlichen Königreichen, im Frühling im Jahr 472 der Blauen Götter
»Die Luft ist rein.« Schwer atmend kam Strolch an die Oberfläche. Gleichzeitig versetzte er Narbenfresse, der noch mit geschlossenen Augen unter Wasser lag, einen leichten Hieb. »Gingaling«, gönnte er sich eine katauekische Beleidigung, solange die Bande ihn noch nicht hörte. Sie lagen alle vier unter Wasser, die Bambusstäbe im Mund, und bekamen nichts mit.
Während Narbenfresse langsam reagierte, kletterte Strolch bereits bäuchlings den Damm hinauf. Am Rand der Straße liegend, blickte er den Soldaten nach. Hinter ihm kamen prustend und keuchend die Kataueken aus dem Wasser.
»Wunderbar«, lachte Schlampe. Narbenfresse knurrte etwas Zustimmendes. Doch Kudung war natürlich viel zu arrogant, um etwas zuzugeben. Ja, die Schnorchel funktionierten! Jetzt mußten sie endlich nicht mehr über die Dämme schleichen.
Die katauekischen Dörfer waren meist nur eine halbe Meile voneinander entfernt, und dazwischen lagen die überfluteten Reisfelder. Marschieren hieß für Gesetzlose entweder die kaiserlichen Straßen nehmen, wo jederzeit ein Botenläufer oder eine berittene Patrouille auftauchen konnte, oder aber die Dämme, auf denen die geringste Unregelmäßigkeit von den Bauern im nächsten Dorf bemerkt wurde. Vor Soldaten konnten sie sich mit einem Sprung in die Reisfelder verstecken – die Bauern machte das besonders aufmerksam und wütend. Aber da die Soldaten lebensgefährlich waren, hatten sie sich bislang stets mit den Bauern angelegt.
Seit mindestens zwei Monden ging das nun schon so. Sie waren binnen eines Tages oft nur gerade mal sechs, sieben Meilen weit gekommen, weil sie ständig in Wasserbecken hechten und dann vor kreischenden Bauern Reißaus nehmen mußten. Keiner der Kegelhüte lief weiter als bis zum nächsten Dorf, aber mehrfach waren sie dort gleich in die nächste Horde geraten.
Auf die Idee mit dem Bambus war Strolch schon am zweiten Tag gekommen. Es hatte eine Woche gedauert, bis er ein geeignetes Rohr gefunden und mit einem dünneren Stab gereinigt hatte. Dann aber hatte es Wochen gedauert, bis er Kudung überzeugt hatte.
»Gingaling«, war Einauges ständige Antwort gewesen. Die Verrückten seid ihr, dachte Strolch mit grimmigem Grinsen. Wie kann man Wochen lang im Wasser liegen, japsen, nach Atem ringen und wieder untertauchen und sich fürchten, weil irgendwo am Horizont einige Bauern ihre Ferkel treiben? Aber sie machten ja nicht einmal die Augen auf unter Wasser.
»Wahrscheinlich könnt ihr nicht mal schwimmen, ihr Wassertreter«, kicherte Strolch auf Merkantilo. Er fühlte eine tiefe, bösartige Befriedigung in sich aufsteigen.
Narbenfresse ließ sich wie ein nasser Sack neben ihn fallen. Der junge Ajunäer wandte ihm das Gesicht zu. Der bullige Bandit starrte den Soldaten nach. Seine schwarzen Augen wirkten überraschend hell, ein beinahe sehnsüchtiger Ausdruck lag darin. Dann trafen sie den Blick des Merkantiliers.
»Viele Soldaten«, grunzte der Bandit auf katauekisch und deutete mit dem Kinn in ihre Richtung. Feiertag, dachte Strolch. Narbenfresse hat gerade mehr als ein Wort gesprochen – und zwar mit mir.
»Viele Soldaten«, grinste er und hoffte, daß er es halbwegs richtig aussprach.
Ja, die Soldaten waren überall – und sie marschierten alle in die gleiche Richtung. Natürlich begegneten ihnen dann und wann berittene Patrouillen, die südwärts oder entlang der Seitenstraßen ritten. Aber auch die kamen binnen eines halben Tages wieder zurück. Die Heerscharen zogen allesamt nach Norden.
»Heerschar?« , fragte Strolch nach.
Narbenfresse gab einen zustimmenden Rülpser von sich. Strolch hatte versucht zu zählen, aber weiter als bis hundert kam er nie. Acht Mann nebeneinander, acht Reihen in einer Formation. Das machte ... sechsundfünfzig? Egal, jedenfalls marschierten von den Formationen wieder acht hintereinander und vor jeder Formation zudem die Unteroffiziere.
»Beim Schwert des heiligen Malachias!« flüsterte Strolch. »Diese Einheit muß fast so groß sein wie das, was in unserem Imperium turma heißt. Wird von einem coronel kommandiert.« Unwillkürlich schüttelte er den Kopf. Nein, Strolch hatte in seinem Leben höchstens zweimal einen coronel gesehen. So jemand trat prinzipiell nicht ohne Gefolge auf.
»Soldat Boß«, kauderwelschte Strolch. Boß war das erste Wort, das ihm Kudung eingebleut hatte. »Drei ...?« Er zeichnete mit der Hand drei Seidenbänder, die am Helm wehten.
»Hauptmann«, stieß Narbenfresse ehrfürchtig hervor.
»Hauptmann«, echote Strolch. Wenn er diese Affensprache schon lernen mußte, dann ordentlich. Ordentlich – ja, das waren die Kataueken. Langsam durchschaute er das System. Der Schreiber hatte drei Ringe gehabt – der Bonze. Der Offizier hatte drei Ringe mit Bändern am Helm – der Hauptmann. Je mehr Ringe, desto mächtiger.
Bei der Knute des heiligen Chrysantho! Dieser Bonze in der Pferdesänfte mußte fast schon so etwas wie Bürgermeister gewesen sein. Deswegen war Kudung so angesprungen. Solche mächtigen Herren setzten sich nur in Bewegung, wenn sie der Kaiser von Katau schickte. Und wo auch immer solche Herren vorbeizogen, gingen tausendmal mehr Soldaten und Diener und mit ihnen Nahrung und Geld mit. Und diesen folgten die Ratten – Ratten, wie Kudung und Strolch es waren ...