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Am Labyrinth

Grenzfestung Tartang Tung, das Labyrinth, Turga-Busch, nordöstliches Serkan Katau, nach der Großen Regenzeit im Jahr 471der Blauen Götter, zehn Monate vorher

»Sie werden durchbrechen!« Die Stimme des Waffenmeisters unter dem roten Maskenvisier klang erregt.

»Nicht solange du lebst, Waffenmeister!« antwortete Hauptmann Kang streng, ohne den Blick vom Feind zu wenden. Stählerne Gewißheit lag in seiner Stimme. Er haßte es, wenn ein Offizier vor seinen Kriegern Unruhe zeigte. Zu oft hatte er erlebt, wie diese Unruhe in den Kriegern Widerhall fand. Und er wußte, daß es sein Vorbild war, welches wiederum den Wachtmeistern und Waffenmeistern Sicherheit gab.

Aber natürlich hatte der Krieger recht. Wenn ihm nicht bald eine überraschende Lösung einfiele, würden die berittenen Turga durchbrechen. Kang hatte seine Leute ehrgeizig weit auseinandergezogen: fünfhundert Krieger fast über ein Läng verteilt, eine Manneslänge zwischen jedem Ziang.

»Es ist nun einmal schon fast Tradition«, sagte Kang grimmig hinter seinem Visier, »daß sie angreifen, wenn der Boden nach der Regenzeit wieder fest ist.«

Ein Stamm der Turga war auf seinen struppigen kleinen Pferden und schmutzigen Kamelen in das Labyrinth eingedrungen. Fast jedes Jahr beschloß ein Khan, die undurchdringlichen Mauern anzugreifen.

Irgendwann hatten die Buschreiter gemerkt, daß sie in die Falle geritten waren: Was wie eine Lücke zwischen zwei Festungen gewirkt hatte, war nichts anderes als eine Sackgasse innerhalb des Labyrinths. Nun sahen sie die Mauern, die sich dreitausend Götterfuß zur Linken und dreitausend Götterfuß zur Rechten erstreckten; vor ihnen ragte eine weitere Festung auf.

Kangs Faust bekam die gefährlichste Aufgabe zugeteilt: durch ein Tor hinaus zwischen die Mauern stürmen und eine Sperrlinie aus Lanzenträgern bilden. Es ging nicht darum, die Turga einzusperren, sondern sie aufzuhalten, bis die bereits verständigte Barbarenreiterei eintreffen und die Angreifer gegen die Mauern drängen würde, wo die Kreuzbogenschützen und Bambusschleudern die Horde zerschlügen.

»Hauptmann ...« Die Stimme des Ersten Wachtmeisters klang deutlich verunsichert.

Indessen griff die Unruhe von dem Glied auf den Finger über. Der turgische Kriegskhan hatte seine Brüder und Sippenhäuptlinge um sich geschart und beratschlagte – aber Kang wußte, daß die heißblütigen Buschreiter nie lange redeten. Gleich würde der Anführer den Ausbruch befehlen. Er hatte mindestens vierhundert Reiter hinter sich. Sie würden als Keil durch die katauekischen Lanzenträger fegen wie ein Kreuzbogenpfeil durch das Fell eines Kamels.

»Übernimm das Kommando, Erster Wachtmeister!« Kang gab seine Position auf, senkte die Standarte und schritt mit stolzen Kriegerschritten von seiner Linie fort.

»Komm her, Khan!« Kang klappte das Visier hoch und schrie so laut, daß ihn nicht nur die Turga, sondern auch möglichst all seine Leute hörten. »Oder bist du zu feige, allein gegen einen Lanzenkämpfer anzutreten?« Kangs Worte ertönten selbstverständlich in der Sprache des Reiches der Tugend; ein jeder Kataueke erwartete, daß man ihn verstand. Und der Khan hatte in der Tat genug verstanden, um sich mittels einiger Zügelhiebe aus dem Pulk seiner Berater zu befreien. Mit einem schrillen »Turga!« ging er zum Galopp über.

Kang lief ihm entgegen. Ein Zweikampf mußte in ausreichender Distanz zu allen anderen Kämpfern stattfinden. Gleichgültig, wie er ausginge – er würde die Turga eine kostbare achtel Stunde lang beschäftigen. Sie liebten es, ihre Kraft, ihren Mut und ihre Ehre zur Schau zu stellen. Sie haßten es, wenn sie ihre Herausforderungen zu den Mauern des Labyrinths hinauf johlten und die disziplinierten Ziangs des Länder überspannenden Feldes der Krieger nicht einmal antworteten. Diesmal hatten sie ihre Antwort.

»Turga!« Der Khan sprengte heran wie ein gereizter Wasserbüffel – ein Wasserbüffel mit Lederhaube, Tätowierungen und Nasenring. Sein Umhang aus Hundefell flatterte im Wind. Am Zaumzeug des struppigen kleinen Pferdes hingen mindestens vier Skalps. Er hielt die Zügel zwischen den Zähnen und hatte Wurfspeer und Krummsäbel erhoben. Den Hornbogen jedoch hatte er stecken lassen. Er zeigte deutlich, daß er einen ehrbaren Kampf begehrte – soweit es Ehre gab für einen Reiter, der einen Fußkämpfer angriff. Aber der Fußkämpfer war ein Standartenträger im kaum durchdringbaren roten Harnisch der Kataueken.

Der Wurf kam früher als erwartet, aber mit erschreckender Kraft: Beinahe schnurgerade flog der Speer heran. Kang wandte sich aus der Hüfte heraus zur Seite und wehrte den Speer mit dem Schaft ab. Die Spitze schrammte am Kachelpanzer über seine Brust hinweg, und der Schaft dröhnte schmerzhaft gegen das Maskenvisier.

Betäubt schüttelte Kang den Kopf, als der Turga auch schon herankam, den Krummsäbel über seinem Haupt kreisend. Die Zügel in der Linken, riß er das Pferd mit einem brutalen Ruck zur Seite.

Doch die Spitze von Kangs Standarte hatte nicht, wie erwartet, auf die Brust des Pferdes gezielt. Die Turga beschimpften die Kataueken als Feiglinge, weil sie ihre Pferde töteten. Kang aber waren Turga-Ehre und Tierliebe gleichgültig; für ihn galt die Finte.

Der Zusammenprall raubte beiden fast das Bewußtsein. Die Klinge schlitzte dem Khan Oberschenkel und Hüfte auf und riß ihn aus dem Sattel, während der Säbelhieb Kangs Helm sprengte. Der Hauptmann raffte sich auf, in den gepanzerten Fäusten einen gesplitterten Standartenschaft; ein Keil aus Eisenblech riß ihm die Kopfhaut auf, Blut troff ihm in die Augen. Der Khan wand sich am Boden, unfähig, sich zu erheben, aber den schartig geschlagenen Krummsäbel noch immer wie den Stachel eines Skorpions gereckt.

Ohne über einen Waffenwechsel auch nur nachzudenken, sprang Kang hinzu. Das Stück Holz in seiner Hand wehrte den ersten Säbelhieb ab, dann traf sein Tritt den Ellbogen des Turga, und ehe der sich herumwerfen konnte, trieb ihm der Krieger den geborstenen Schaft in den Hals.

»Die acht Künste des Tötens, auch mit Stock, Bein und Faust«, knurrte Kang grimmig, ehe ihm schwarz vor Augen wurde.

Himmlisches Feuer

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