Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 25

6.

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Der Druck in seinem Schädel und das eigenartige Summen schwanden von einem Moment zum anderen. Einen heiseren Schrei ausstoßend, überwand Aksuum die Bewusstlosigkeit endgültig. Sein Kinn schmerzte höllisch von Geriags Faustschlag, doch der Kiefer schien nicht gebrochen zu sein.

Aksuum schlug die Augen auf. Er lag in Düsternis, festgeschnallt auf einer Liege, die sich millimetergenau seinem Körper anpasste.

Der Raum war eng, eigentlich nur eine Kapsel. Wenn er die Arme ausstreckte, konnte er mühelos die Decke über sich berühren. Ein Bildschirm, unmittelbar über seinem Gesicht, war aktiviert und ließ die Schwärze des Alls erkennen. Die schmutzigbraune Kugel eines Planeten schob sich langsam von der Seite her ins Bild.

Abrupt stemmte Aksuum sich auf den Unterarmen hoch. Das letzte, woran er sich erinnerte, war der Kampf gegen den Kommandanten. Geriag hatte die Freiheitsbewegung an die Ligriden verraten.

Ein zweiter Bildschirm leuchtete auf, zeigte das Gesicht des Kommandanten der SONNE VON AKLARD. Ächzend ließ Aksuum sich wieder zurücksinken.

»Verräter!«, stieß er wütend hervor. »Wie groß ist dein Lohn, dass du uns dies antust?«

»Ich weiß, dass du mich nun hasst und für einen Verräter am dailanischen Volk hältst«, sagte Geriag. »Leider konnte ich nicht anders handeln, obwohl ich dir liebend gerne eher die Wahrheit gesagt hätte.«

»Dafür hätte ich dich getötet«, zischte Aksuum.

Der Kommandant ließ seine Worte unbeachtet. »Ich musste dich niederschlagen, um wenigstens dein Leben zu retten. So lautete mein Befehl. Tirspun ist nur Lichtsekunden entfernt, du kannst den Planeten mit der Rettungskapsel erreichen.«

Aksuum wollte etwas erwidern, wollte eine Vielzahl von Fragen stellen, doch dann schwieg er.

»Nun, da ich diese Worte an dich richte, bleibt mir nicht mehr viel Zeit. Mir wäre wohler, könnten wir uns anders verabschieden. Unsere kleine Flotte hat gegen die Ligriden keine Chance. Während wir dich von der Zentrale aus zu der geheim gehaltenen Rettungskapsel trugen, erreichte mich die Meldung, dass die Ligriden unsere Rettungsboote abschießen. Ich kann das immer noch nicht begreifen, aber die Vorkehrungen erweisen sich dadurch als richtig.

Viele sind nicht mehr an Bord – doch jeder weiß, dass es vorbei ist. Ich werde dem endgültig ein Ende machen. Sobald deine Kapsel startet, zerstöre ich die SONNE VON AKLARD. Inmitten der umher schwirrenden Trümmer besteht dann wenigstens für dich die Chance, den Ligriden unbemerkt zu entkommen.

Leb wohl, Aksuum ...«

Das Bild verblasste.

Der Oberste Rat hatte keine Fragen mehr. Um seine Mundwinkel zuckte es verhalten. Wie hatte er Geriag nur so verkennen können? Der Kommandant hatte nicht nur sich selbst und sein Schiff geopfert, um einer Hoffnung zum Sieg zu verhelfen ... Aksuum zwang sich, auf den Bildschirm zu blicken, den die Kugel des Planeten inzwischen schon zur Hälfte ausfüllte. Wenn die Ligriden nicht noch im letzten Moment angriffen, war Geriags Plan aufgegangen.

Aksuum entspannte sich ein wenig und versuchte, die schwermütigen Gedanken an die nahe Vergangenheit loszuwerden. Einzig und allein die Zukunft zählte. Sie würde über das Schicksal eines ganzen Volkes entscheiden.

Die Rettungskapsel besaß keinerlei Bewaffnung, was bei ihrer Länge von nur drei Metern und einem Durchmesser von wenig mehr als einem Meter fünfzig auch vom Technischen her unmöglich gewesen wäre. Nicht einmal ein Schutzschirm konnte aufgebaut werden, sondern lediglich ein einfaches Prallfeld, das Überhitzungen beim zu schnellen Eintauchen in eine Atmosphäre verhindern sollte. Ein einziger Streifschuss aus der Laserkanone eines ligridischen Kampfschiffs würde folglich das Ende bedeuten.

Aksuum konnte noch erkennen, dass die Welt unter ihm außer kleineren Binnenseen keine größere zusammenhängende Wasserfläche besaß, dann überzog sich das Bild schlagartig mit Schlieren. Die Rettungskapsel war in die äußere Atmosphäreschicht eingetaucht. Nicht zu flach, denn dann wäre sie wie ein schräg aufs Wasser geworfener Stein abgeprallt, eher zu steil. Flüchtig waren Vibrationen wahrzunehmen. Das Nottriebwerk hatte sich eingeschaltet, um den Kurs zu korrigieren.

Überhaupt schien die Kapsel darauf ausgerichtet zu sein, möglichst wenige Energieemissionen nach außen dringen zu lassen.

Alles für den Fall, dass die Ligriden uns erwischen, durchzuckte es das Mitglied des Obersten Rates.

Wenig später fiel der Bildschirm endgültig aus. Aksuums Anspannung erreichte einen Höhepunkt. Seine Gedanken überschlugen sich. Was, wenn das Prallfeld versagte, wenn die Kapsel in einen See stürzte oder an einem Bergmassiv zerschellte? Er begann die Sekunden zu zählen, die er in dem fliegenden Sarg verbrachte. Die Minuten, die daraus wurden, dehnten sich endlos.

Von der Oberfläche des Planeten aus gesehen, würde seine Kapsel nichts anderes sein als ein Meteor, der seine glühende Bahn über den Himmel zog, um irgendwo dicht über dem Horizont zu erlöschen. Was Aksuum von Tirspun wusste, war nicht viel. Es sollte eine öde, trostlose Welt sein, die nur tierisches Leben und eine wenig beeindruckende Flora hervorgebracht hatte. Bislang hatte kein raumfahrendes Volk hier einen Stützpunkt errichtet, zumal auch die vorhandenen Bodenschätze einen Abbau nicht lohnten.

Das Triebwerk begann erneut zu arbeiten. Diesmal erstarben die Geräusche nicht schon nach wenigen Augenblicken wieder.

Jeden Moment konnte der Aufschlag erfolgen.

Als die Rettungskapsel dann den Boden berührte, war nur sehr wenig davon zu bemerken. Bevor Aksuum die Gurte lösen konnte, rutschte die Kapsel weg und blieb auf der Seite liegen. Den dröhnenden Geräuschen nach zu schließen, hatte lockeres Geröll nachgegeben.

Das Knistern und Knacken, das die stählerne Zelle durchdrang, wurde zunehmend lauter. Schließlich geriet das Gefährt abermals in Bewegung. Sich überschlagend, polterte es einen Abhang hinunter.

*

Die Rettungskapsel war endgültig zum Stillstand gekommen. Von seiner Umgebung wusste Aksuum überhaupt nichts, da der Bildschirm ausgefallen war.

Mühsam löste er die Gurte, wälzte sich auf den Bauch und schob sich nach vorne in die Spitze der Kapsel – jeden Moment gegenwärtig, erneut inmitten einer Gerölllawine abzurutschen. Aber dann öffnete sich der Ausstieg. Dumpfe, modrige Luft schlug dem Daila entgegen.

Er war auf der Nachtseite des Planeten niedergegangen. Allerdings kündete die fahle Dämmerung über dem Horizont bereits den nahen Morgen an. Aksuums erster besorgter Blick galt dem Sternenhimmel. Kein Raumschiff zeigte sich.

Geriag und die anderen waren tot, die kleine Flotte von den Ligriden vernichtet, alle Hoffnungen vorerst vergeblich ... Er ließ sich auf einem kantigen Felsblock niedersinken und vergrub das Gesicht in den Handflächen. Vielleicht war es einem der Schiffe gelungen, einen Notruf abzusetzen. Dann würden über kurz oder lang weitere Einheiten der Daila in diesem Gebiet erscheinen. Sofern ihnen nicht die Ligriden zuvorkamen.

Aksuum sah sich um. Er hatte Glück im Unglück gehabt. Die Rettungskapsel war am Rand eines Hochplateaus niedergegangen, von dem aus ein relativ flacher, geröllbedeckter Hang bis ins Tal führte. Etwa hundert Meter Höhenunterschied waren es. Auf den anderen Seiten fiel der Fels hingegen nahezu senkrecht ab.

Es erschien wenig sinnvoll, in der Nähe der Kapsel zu verharren. Falls die Ligriden nach Überlebenden suchten, würden sie das kleine Raumfahrzeug sehr schnell entdecken. Aksuum nahm deshalb die vorhandene Ausrüstung an sich: Kompass, Funkgerät, eine kleine, aber weitreichende Taschenlampe, dazu Nahrungskonzentrate für gut zwei Wochen und einen wasserabweisenden, gegen Kälte isolierenden Umhang. Außer einem Allzweckmesser gab es keine Waffe in der Kapsel.

Tiefer ins Gebirge hinein wollte er nicht, und wenn er sich von den Bergen entfernte, brachte er sich selbst um die besten Verstecke, falls wirklich die Ligriden über kurz oder lang über Tirspun erschienen. Also blieb er in dem Tal, in dem mannshohe Felsblöcke ihm immer wieder die Sicht versperrten.

Aksuum hatte sich noch nicht weit von der Kapsel entfernt, als er Geräusche vernahm. Irgendwo schräg vor ihm kullerte Geröll einen Hang hinab. Für Sekundenbruchteile zeichnete sich ein fahler Schatten vor dem heller werdenden Hintergrund ab. Zu flüchtig allerdings, als dass mehr zu erkennen gewesen wäre.

Aksuum huschte in die Deckung eines Felsens und lauschte. Ein leises, verhaltenes Knirschen drang an sein Ohr. Jemand – oder etwas – schlich näher.

Der Oberste Rat ließ das Messer aufschnappen. Immerhin war er nicht gänzlich wehrlos. Bemüht, möglichst lautlos aufzutreten, schob er sich weiter. Eigentlich konnte er es nur mit einem Ligriden zu tun haben. Aksuum verwünschte die Tatsache, dass er keine Strahlenwaffe bei sich trug.

Er hatte das Ende des Felsens erreicht; der nächste Block ragte erst gut fünf Meter entfernt auf. Aksuum zögerte. Der Gedanke, dass ein Gegner auf der Lauer lag und womöglich auf ihn anlegte, sobald er sich zeigte, behagte ihm herzlich wenig. Aber plötzlich huschte ein Grinsen über sein Gesicht. Der Fels, hinter dem er sich noch verbarg, war rau und ausgewittert. Hinaufzuklettern durfte eigentlich nicht so schwer sein. Von oben würde sich ihm ein besserer Überblick bieten.

Aksuum fand rasch einen Halt. Vorsichtig, Stück für Stück, zog er sich höher ... und erstarrte förmlich, als er die Stimme vernahm.

»Wer immer du bist, komm wieder herunter. Und keine dumme Bewegung.«

Der Fremde bediente sich der dailanischen Sprache, wenngleich mit einem eigenartigen Akzent.

Aksuum bezweifelte nicht, dass eine entsicherte Waffe auf ihn gerichtet war. Ihm blieb keine andere Wahl, als dem Befehl Folge zu leisten. Kaum berührten seine Füße wieder den Boden, da verspürte er einen spitzen Gegenstand im Rücken. Der andere tastete ihn nach versteckten Waffen ab.

»Gut, du kannst dich umdrehen. Aber langsam ...«

Sie starrten einander an. Keiner hatte erwartet, ausgerechnet hier auf einen Angehörigen seines Volkes zu stoßen.

»Existiert auf Tirspun eine Kolonie Verbannter?«, entfuhr es Aksuum ungläubig.

Tirspun!, durchzuckte es Tolden. Was er bereits geahnt hatte, wurde schlagartig zur Gewissheit. Kein anderer als Chrrtl konnte diese Welt für ihn ausgesucht haben.

»Wer bist du?«, sagte er, anstatt auf die ihm gestellte Frage zu antworten.

Aksuum gab sich als Mitglied des Obersten Rates von Aklard zu erkennen. »Ich weiß immer noch nicht, wie viele Verbannte auf Tirspun leben«, fügte er hinzu.

»Keine«, winkte Tolden ab. »Ich befand mich auf dem Heimflug, als die Mannschaft des Frachters, auf dem ich angeheuert hatte, meuterte. Als einziger wurde ich auf dieser Welt ausgesetzt. Aber du«, er bedachte Aksuum mit einem forschenden Blick, »hast eine Raumschlacht hinter dir. Ich sah die Glutwolken explodierender Raumschiffe und Stunden später einen winzigen Stern vom Himmel fallen.«

Und Aksuum berichtete ...

*

Sechzehnter Tag

Aksuum schläft, also kann ich die Zeit für einige kurze Notizen nutzen. Ob mir der Zufall mit ihm einen Trumpf in die Hände gespielt hat, wird sich erst noch herausstellen. Auf jeden Fall habe ich seit gestern keine Ruhe mehr. Wir warten beide darauf, dass Schiffe der Ligriden über Tirspun erscheinen. Was dann geschieht, dürfte unangenehm werden. Vielleicht wäre es doch besser, die Höhle zu verlassen und tiefer in die Berge vorzudringen.

Man wird von Aklard aus eine Suchexpedition auf die Beine stellen, dessen bin ich mir sicher. Der Oberste Rat will zumindest Gewissheit über Aksuums Schicksal haben. Wenn sie uns finden, werde ich endlich die Heimat wiedersehen. Das heißt, ich muss verhindern, dass Aksuum die Wahrheit über meine Herkunft erfährt; er darf nie herausfinden, dass ich von Mutanten abstamme, geschweige denn, dass ich selbst über Psi-Fähigkeiten verfüge.

Wenn nur dieser verfluchte Glücksstein endlich seine normale Funktion wieder aufnähme. Aber noch immer erscheint es mir, als würde er von irgendwoher Energien auffangen und an mich weiterleiten. Ich sollte die nächstbeste Gelegenheit nutzen und den Stein fortwerfen. Dann dürfte ich zwar meine neuen Fähigkeiten verlieren, aber die früheren mit Sicherheit für immer behalten. Und damit kann ich zugleich jede Hoffnung begraben, auf Aklard akzeptiert zu werden. Ein Teufelskreis ...

*

Tage vergingen, ohne dass sich Dinge von Bedeutung ereigneten. Die Ligriden schienen sich nach der Vernichtung der dailanischen Flotte zurückgezogen zu haben.

Mehrmals kam eine Herde der hüpfenden Tiere, die Tolden als Schlammspringer bezeichnete, der Höhle nahe. Einige Steinwürfe vertrieben sie jedoch stets wieder.

Völlig unerwartet sprach Aksuums Funkgerät an. Er hatte den Empfang ständig eingeschaltet gelassen, um die Annäherung eines Raumschiffs möglichst frühzeitig zu bemerken. Aus dem Lautsprecher drang nun erstmals ein Wust schriller, von Störungen überlagerten Laute, die im krassen Gegensatz zum bisherigen Rauschen der Statik standen.

Schon bei den ersten Tönen lief Aksuum ins Freie hinaus. Die Sonne stand im Zenit. Er musste die Augen mit beiden Händen beschatten. Hoch über dem Gebirge zerfaserte ein feiner Kondensstreifen. Viel hatten die Daila davon nicht mehr sehen können. Erst Sekunden später vernahmen sie ein dumpfes Rumoren.

Und dann entdeckte Aksuum den silbern glitzernden Punkt, der sich langsam herabsenkte.

»Ligriden!« Der Oberste Rat stieß es wie eine Verwünschung hervor. »Sie haben die Rettungskapsel geortet.«

Wie es aussah, würde das Raumschiff höchstens zehn Kilometer entfernt in der Ebene landen.

»Dann sind wir hier nicht mehr sicher«, erwiderte Tolden. »Wir müssen verschwinden, so schnell es geht.« Ihre spärliche Habe war längst in seinem Rucksack verstaut.

Anfangs kamen sie rasch voran, später wurde der Weg schwieriger. Zeitweise waren sie gezwungen, im Bachbett zu laufen. Und immer wieder hantierte Aksuum an seinem Funkgerät herum, suchte die geläufigsten Frequenzen ab.

Es war bereits später Nachmittag, als das Gerät verständliche Laute hervorbrachte. Der Empfang ließ zwar noch immer zu wünschen übrig, aber wenigstens wusste man nun, was die Gegner planten. Erschöpft zogen Aksuum und Tolden sich in den Sichtschutz eines überhängenden Felsens zurück. Beide waren die Anstrengung des Kletterns nicht gewohnt. Außerdem hatten sie in kurzer Zeit eine beträchtliche Strecke zurückgelegt.

Für Tolden klangen die fremdartigen Laute aus dem Lautsprecher nur aggressiv. Der Oberste Rat hingegen beherrschte die Sprache der Ligriden leidlich. Nach und nach erfuhren sie, dass diese die Rettungskapsel gefunden und aus den Spuren geschlossen hatten, dass einem Daila die Flucht gelungen war. Suchtrupps schwärmten aus.

Ab und zu durchbrachen die Fluggeräusche schwerer Gleiter die Stille der Bergwelt.

»Wir können von Glück reden, dass die Felsen die Hitze des Tages speichern und während der Nacht abstrahlen«, stellte Aksuum fest. »Infrarot-Suchgeräte werden so nutzlos.«

Die Nacht verlief ruhiger als erwartet. Offenbar waren auch die Ligriden zu der Feststellung gelangt, dass sie in der Dunkelheit wenig Chancen hatten, einen flüchtigen Daila aufzuspüren.

Noch vor Sonnenaufgang setzten Aksuum und Tolden ihren Weg fort. Zurückblickend sahen sie die Gleiter der Ligriden wie Raubvögel auf der Suche nach Beute zwischen den Wolken schweben. In immer größer werdenden Kreisen entfernten sie sich allmählich vom Fundort der Rettungskapsel.

Zunehmend mussten die beiden Daila darauf bedacht sein, sich vor direkter Sicht aus der Höhe zu schützen. Wo immer es möglich war, hielten sie sich dicht an den Felsen und vermieden es, freies Gelände zu überqueren.

Gegen Mittag erreichten sie einen natürlichen Erdwall, der ihnen den weiteren Weg versperrte. Im Lauf langer Zeiträume hatte die Erosion teils tiefe Rinnen eingegraben, in deren Schatten Aksuum und Tolden sich sicher fühlen durften und in denen sie zudem recht zügig vorankamen.

Noch bevor sie den Kamm des Walles erreicht hatten, machte Aksuum seinen Gefährten auf einen näherkommenden Gleiter aufmerksam. Nahezu gleichzeitig sprach der Funkempfang an. Der Oberste Rat wurde blass.

»Was ist?«, wollte Tolden wissen, der sich schräg hinter ihm zu Boden geworfen hatte.

»Sie scheinen uns entdeckt zu haben. In der Meldung war davon die Rede, dass jemand Bewegungen ausgemacht hat.«

Der Gleiter schwebte heran und ging tiefer. Ungefähr dreißig Meter über dem Wall verharrte er.

»Was wird jetzt?«, fragte Tolden.

»Ich weiß nicht.«

*

Eine plötzliche Turbulenz schien die Maschine erfasst zu haben. Wie ein welkes Blatt im Wind begann sie zu taumeln.

Schrill heulte der Antrieb auf. Der Gleiter vollführte einen regelrechten Satz, und für einige Sekunden sah es so aus, als würde der Pilot ihn wieder unter Kontrolle bekommen. Doch dann schmierte er über den rechten Stummelflügel ab, geriet endgültig ins Torkeln und raste mit voller Schubkraft gegen die nächste Felswand.

Dem Aufprall folgte eine Serie heftiger Detonationen. Stichflammen schossen gut ein Dutzend Meter hoch empor und verschwanden dann hinter dem brodelnden Rauchpilz, der von der Unglücksstelle aufstieg. Keine tausend Meter trennten die Daila von dem lodernden Wrack.

Aksuum wandte sich zu Tolden um, der erschöpft am Boden kauerte. »Spätestens in einigen Minuten sind die nächsten Gleiter über uns. Wir müssen weiter. Vielleicht ...« Er stutzte, als Tolden den Kopf hob und ihn aus blutunterlaufenen Augen ansah. »Was ist mit dir? Du bist bleich wie der Tod und schweißüberströmt.«

»Es geht schon wieder.« Tolden winkte ab. »Ich glaube, der Schreck ist mir in die Glieder gefahren, als die Ligriden plötzlich da waren.«

Aksuum nickte verständnisvoll. »Hast du das auch gesehen? Einen Moment lang glaubte ich, eine unsichtbare Faust hätte den Gleiter gepackt. Teile der Verkleidung brachen ab, noch bevor er aufschlug.«

Sie hasteten los. Tolden war froh, dass der Oberste Rat nicht weiter in ihn drang. Der Glücksstein auf seiner Brust pulsierte wieder heftig, aber er hatte sich nicht anders zu helfen gewusst, als den Gleiter zum Absturz zu bringen. Zum Glück war Aksuum weit davon entfernt, Verdacht zu schöpfen.

Sie brauchten sich nur umzudrehen, um zu erkennen, dass die Ligriden ihnen auf den Fersen waren. Drei Gleiter näherten sich aus verschiedenen Richtungen.

Die letzten Meter richtete Tolden sich einfach auf und rannte. Wozu auf Deckung bedacht sein? Aksuum tat es ihm gleich.

Vor ihnen erstreckte sich eine buschbestandene Hochebene. Ein nahezu kreisrunder See glitzerte darin wie ein unergründliches Juwel. Vor Jahrtausenden mochte an seiner Stelle ein brodelnder Krater gewesen sein, heute war der Boden fruchtbar und trug üppiges Grün.

»Dort hinüber!« Aksuum deutete auf eine steile Felswand zu ihrer Linken, die etliche Einschnitte und Höhlungen aufwies.

Schon war das dumpfe Brummen der Gleiter zu hören. Als er sich noch einmal umwandte, entdeckte Tolden eine Herde Schlammspringer am Seeufer. Er machte Aksuum darauf aufmerksam. Vielleicht hatte der Pilot der abgestürzten Maschine lediglich die Tiere entdeckt gehabt. Auf jeden Fall bedeuteten sie die Rettung. Die Ligriden würden nun zumindest hier oben nicht weitersuchen.

Zwei Gleiter landeten. Der dritte zog langsam über die Ebene dahin.

Aus dem halbwegs sicheren Schutz einer Gruppe dicht stehender Büsche beobachteten die Daila. Das Wrack brannte noch immer. Die von den hochgehenden Treibstoff- und Munitionsvorräten ausstrahlende Hitze musste enorm sein.

Einige Ligriden begannen, das Gelände zu durchsuchen. Allerdings wandten sie sich dem See zu.

»Was soll das?« Aksuum deutete auf die Schlammspringer, die sich wie auf ein geheimes Kommando hin in Bewegung setzten. Die Tiere näherten sich mit weiten Sätzen dem Versteck der Daila. Zuerst zögerten die Ligriden, dann wandten sie sich ebenfalls in diese Richtung.

»Verdammt!«, entfuhr es Tolden. Er musste daran denken, was Musan'J'irkis über die Schlammspringer von Tirspun gesagt hatte, nämlich dass sie tückisch sein konnten. Tolden wurde das Gefühl nicht los, dass die Tiere genau wussten, was sie taten.

Ihnen blieb kein anderer Ausweg, als eine der Höhlen zu betreten.

Kreischend näherten sich die Schlammspringer dem Höhleneingang.

Der Stollen führte etwa dreißig Meter schräg in die Tiefe und endete abrupt vor einer Wand.

»Aus«, sagte Aksuum und ließ sich in die Hocke sinken. »Hier ist der Weg für uns zu Ende.«

Die Falle war perfekt. »Komm raus!«, rief ein Ligride in schwer verständlichem Dailanisch. »Andernfalls holen wir dich.«

»Gehen wir«, seufzte Aksuum. »Es ist ohnehin sinnlos ...«

»Sie wollen dich«, murmelte Tolden, und plötzlich huschte ein Aufleuchten über seine Züge. »Kennen sie dich?«

»Ich weiß nicht.«

»Dann werde ich gehen. Sie haben keine Ahnung davon, dass wir zu zweit sind.«

»Kommt nicht in Frage, dass du dich für mich opferst.« Aksuum versuchte, den Begleiter festzuhalten, doch der stieß ihn kraftvoll zurück. »Ich opfere mich nicht«, raunte Tolden ihm noch zu, dann verschwand er hinter der Biegung des Stollens.

Aksuum wollte aufspringen, aber er schaffte es nicht. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass der Boden ihn festhielt.

*

Mit erhobenen Händen verließ Tolden die Höhle. Vier Ligriden erwarteten ihn, die Strahler entsichert im Anschlag.

»Du glaubst, besonders schlau zu sein?«, herrschte ihn der größte der Fremden an, der es sich mit seinen 2,20 Meter durchaus erlauben konnte, auf ihn herabzuschauen.

»Wir bringen dich schon zum Reden, darauf kannst du dich verlassen«, schimpfte er, als Tolden schwieg, und stieß den Daila vor sich her zum Gleiter.

Tolden hätte die vier telekinetisch außer Gefecht setzen können, damit aber herzlich wenig gewonnen. Wichtig war, dass sie das Hochplateau verließen. Immerhin handelte er nicht ganz uneigennützig. Aksuum durfte nicht erfahren, dass er Mutantenfähigkeiten besaß.

Die Ligriden fesselten ihn und stießen ihn in den Laderaum des Gleiters. Er konnte nichts sehen, nur an den Geräuschen erkennen, dass das Fahrzeug startete.

Tolden konzentrierte sich. Lass mich jetzt nicht im Stich, Glücksstein, dachte er. Seine Psi-Sinne tasteten nach der Steuerung des Gleiters, stießen auf Widerstand ... Jemand schimpfte heftig. Auch wenn der Daila die Worte nicht verstand, ihr Tonfall war eindeutig.

Er packte fester zu, blockierte die Steuerung. Der Gleiter wurde in eine steile Rechtskurve gezwungen. Gleich darauf begann das Triebwerk zu stottern. Tolden hatte das Gefühl, in einem rasend schnell in die Tiefe fallenden Fahrstuhl zu liegen. Spontan zog er seine mentalen Kräfte aus der Elektronik zurück; Sekunden später setzte die Maschine hart auf, schrammte kreischend über Felsen und kam mit einem heftigen Ruck zum Stillstand.

Der Daila wurde herumgewirbelt und schlug gegen die Trennwand zur Pilotenkanzel. Vorübergehend wurde ihm schwarz vor Augen.

Jemand zerrte die Außentür auf. »Raus mit dir!«, herrschte ihn der Ligride an. Tolden grinste nur. Es gab ein dumpfes Geräusch, als sein Gegenüber mit dem Kopf gegen den Schottrahmen stieß und lautlos zusammenbrach. Gleich darauf zerrissen Toldens Fesseln.

Zwei Ligriden saßen noch in der Kanzel und rätselten offenbar über das völlige Versagen der Technik. Den dritten konnte Tolden im Augenblick nirgendwo entdecken, aber das war ihm egal. Telekinetisch schlug er zu – er begann allmählich, sich an seine Fähigkeiten zu gewöhnen. Dann öffnete er die Verbindungstür und ließ sich nach vorne fallen, entwaffnete die Ligriden und steckte deren Strahler in die Außentaschen seiner Kombination.

»Nimm die Hände hoch«, erklang es von irgendwo hinter ihm. »Bei der geringsten Dummheit bist du tot.«

Anstatt die Waffen an sich zu nehmen, hätte er sich lieber um seinen letzten Gegner kümmern sollen. Tolden bedachte sich selbst und seine Dummheit mit einigen üblen Schimpfwörtern. Aber jetzt war es zu spät. Er musste seine Kräfte blindlings einsetzen, ohne zu sehen, was er damit erreichte.

Der Ligride stöhnte gequält. Sein Strahlschuss ließ die Kanzelverglasung zersplittern.

Aus den Augenwinkeln heraus sah Tolden es erneut aufblitzen. Der nadelscharfe gebündelte Thermostrahl konnte ihn nicht verfehlen.

*

Er schrie ...

... und wurde sich erst zögernd bewusst, dass seine Umgebung sich schlagartig verändert hatte. Er befand sich wieder in der Höhle, in der er bis zum gestrigen Tag gehaust hatte. Von hier aus konnte er das gelandete Raumschiff der Ligriden deutlich sehen.

Immer wieder schüttelte Tolden den Kopf und blinzelte. Zu begreifen, was vorgefallen war, fiel verdammt schwer. Und wären nicht die Brandspuren an seinem Rucksack gewesen, er hätte sich wohl selbst für verrückt erklärt.

Es gab nur eine plausible Folgerung: Im Augenblick der größten Gefahr hatte er mit Geisterkraft den Ortswechsel vollzogen. Tolden holte den Glücksstein unter seiner Kleidung hervor. Der Kristall pulsierte kaum noch, aber sein rotes Leuchten erschien dem Daila wie eine stumme Verheißung.

Irgendwann in der vierten Woche

Immer wieder versuche ich, mir das dumme Gesicht des Ligriden vorzustellen, als ich plötzlich vor seinen Augen verschwand. Gestern haben sie noch den ganzen Tag nach mir gesucht. Obwohl ich mich damit völlig verausgabe, zeige ich mich ihnen noch einmal draußen in der Schlammebene. Nur so kann ich sie endgültig von Aksuum weglocken.

Drei Tage später

Schade, dass ich vor einiger Zeit das Zählen aufgegeben habe, sonst wüsste ich, wie lange ich mich inzwischen auf Tirspun befinde. Heute bleibt beim Raumschiff der Ligriden alles ruhig. Sollten sie die Sinnlosigkeit ihrer Suche wirklich eingesehen haben? Ich kann es kaum glauben.

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

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