Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 33

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»Mancher, der glaubt, eine Führernatur zu sein«, sagte Fartuloon und bemerkte, dass sich das Haar seines kurz geschnittenen Bartes wieder zu kräuseln begann, »ist in Wirklichkeit nichts anderes als ein Leithammel.«

Für die Hyptons und die Ligriden galt dies nicht. Sie wussten, was sie taten. Und sie hatten klar erkannt, dass Atlan ihr Gegner war. Fartuloon bedauerte, dass er keinerlei Informationen besaß. Er konnte nur hoffen, dass der Arkonide noch frei war, dass er, Fartuloon, ihn bald fand – und möglichst nicht in einem ligridischen Gefängnis.

Sorgfältig beendete er seine Morgentoilette. Immer wieder beschäftigte er sich in Gedanken mit Atlan, mit den Zuständen in Manam-Turu zu jenen Tagen, an denen er sich noch nicht fluchtartig zurückgezogen hatte. Seine Ausrüstung, in langen Jahren der Abenteuer erprobt, war bereit. Er konnte, wenn er wollte, binnen einer Stunde aufbrechen.

»Aber ich will noch nicht«, brummte er. »Wanderjahre kann man auch im Sitzen zurücklegen. Besonders bei einem ausgedehnten Frühstück mit Artamay.«

Colemayn, »Beobachter der Kosmokraten«, echter Fartuloon im Reservekörper – vergiss es, Bauchaufschneider!, sagte er sich. Denke an die Zukunft!

Er grinste breit.

»Zunächst denke ich an Artamay.«

Auch an den leeren Planeten Sandy Dala dachte er. Den Namen hatte jene Welt von ihm selbst. Vor einer kleinen oder mittelgroßen Ewigkeit hatte er ein Geländemerkmal dort geschaffen und einen Omirgos-Kristall hinterlassen.

In seiner neuen, besonders widerstandsfähig gearbeiteten Kleidung und den Stiefeln, die er besser hier als auf Sandy Dala oder anderswo einlief, ging er zur Frühstücksecke und begrüßte auf übertrieben altmodische Art die junge Frau.

»Es muss ein guter Morgen sein«, sagte er leise. »Denn es ist der vorletzte.«

Artamay, die jede Stunde des Zusammenseins mit Fartuloon genossen hatte, senkte den Kopf. Sie hatte diese Mitteilung erwartet, gleichzeitig aber gehofft, der Abschied würde sich noch hinausschieben lassen.

»Dein Entschluss steht fest?«

»Ja. Immerhin hatten wir mehr als ein paar Handvoll bezaubernder, einzigartiger Tage miteinander verbracht.«

»Wann?«

»Morgen, nach einem ebenso ausschweifenden Frühstück.«

»Ich verstehe. Atlan ruft. Wie viele Jahre werde ich wieder regungslos dort drüben schlafen?«

»Wenn ich es wüsste, würde ich die Zeituhr schalten, Teuerste.«

Sie nahmen das Essen in aller Ruhe ein, hörten Musik aus den Bandspeichern, tranken einen seltsam schmeckenden, uralten Alkohol und stiegen dann in einen Gleiter.

Ein langsamer Rundflug schloss sich an; er brachte Artamay und Fartuloon an viele beachtenswerte Stellen dieser einzigartigen Welt. Fartuloon erzählte wohlgelaunt von dem offensichtlich geglückten Versuch der Calurier, hier einen Fluchtpunkt mit allen Raffinessen zu bauen und ihn so auszurüsten, dass jeder, der sich hierher zurückzog, auch überlebte. Von unterschiedlichen Welten waren Pflanzen und Tiere auf die namenlose Welt gebracht worden.

»Ich sehe das alles nur in großen Abständen«, erklärte Fartuloon, trotz seiner Aufbruchsunruhe nicht ohne Melancholie. »Einige Tiere starben aus, desgleichen etliche Pflanzen. Andere wieder vermehrten sich. Die Ökologie scheint perfekt ausgewogen zu sein.«

Sie sahen Vogelschwärme und Flugsaurier, wilde Rinder, Pferde und eine schwarze Kroker-Familie, kleine Beutesaurier und weiße Adler. Im Süden hob sich ein gewaltiger Gewitterturm aus weißen und schwarzen Wolken. Im See zuckten die Fische dicht unter der Wasseroberfläche dahin und flüchteten vor dem schwarzen Schatten der schwebenden Scheibe.

»Immerhin«, versuchte Fartuloon seine Freundin zu trösten, »haben wir schöne, lange Unterhaltungen gehabt.«

»In jeder Hinsicht«, lächelte sie.

»Kein Zweiergespräch, das nichts als ein Monolog mit einem Zuhörer war«, setzte er hinzu. »Das hier ist herrliches, konserviertes Leben. Irgendwo dort draußen, außerhalb des Zeitverstecks, meiner ›Zeitgruft‹, sind die Gefahren real und unmittelbar. Nicht, dass ich sie herausfordern würde. Wenn es irgend geht, ziehe ich ein gemütliches Überleben vor. Es gibt darüber hinaus Verhaltensweisen, die gewisse Gefahren zu entschärfen in der Lage sind.

Aber, du musst es verstehen, mir ist dieser Arkonide ans Herz gewachsen. Ich begleite ihn, seit er aus den ersten Schuhen herausgewachsen ist.«

Der Gleiter beschrieb eine weite Kurve und näherte sich einem Gebirgstal, einer riesigen Klamm aus Felsen, Steinen, kleinen und großen Wasserfällen und dunkelgrünen Gewächsen aller Art. Vor der Kulisse des Gebirges und, auf der gegenüberliegenden Seite, aus Hügeln und einer Kette kleiner Seen, war dies einer der schönsten Teile der näheren Umgebung. Mitten im Gischt des Wasserlaufes stand ein wuchtiger Kroker und holte dicke Fische aus den Wellen.

»Das weiß ich alles«, meinte sie. »Es war nie meine Absicht, dich zurückzuhalten.«

Fartuloon streichelte ihren Nacken und murmelte gerührt:

»Weiß ich, Arty, weiß ich.«

Das Zeitversteck mit seinen vielfältigen, großzügigen Einrichtungen nahm Fartuloon und Artamay wieder auf. Der Rest des Tages und die Nacht verliefen in Harmonie. Kurz nach Sonnenaufgang hob Fartuloon mit ernstem Gesichtsausdruck das Glas und schwenkte den farblosen Inhalt.

»Ich versuch's«, sagte er leise. »Und ich danke dir für alles.«

Er trug den abgewetzten, fast blanken Brustharnisch und, an einem unauffälligen Gehänge, das Skarg. Immer wieder heftete Artamay ihren Blick auf die Klinge des kurzen Schwertes.

Blickte die Frau auf den Griff, vermeinte sie im ersten Hinsehen eine silbernschimmernde Frauengestalt zu erkennen. Wenn sie versuchte, den Griff genauer in die Augen zu fassen, verschwamm diese Gestalt und wurde unscharf, schien sich aufzulösen oder ständig zu verwandeln.

Verwirrt schüttelte sie den Kopf.

»Dieses alte, immer wieder neu geschliffene Schwertchen«, meinte Fartuloon, leerte sein Glas und stand auf, »ist auch ein Mittel, manche Gefahren für meinen schönen, unnachahmlichen Körper abzuwenden. Ich erzähle es dir, wenn ich zurückkomme.«

Sie begleitete ihn durch die Halle, in der ihr Fartuloon den Planeten Sandy Dala zeigte und die ungefähre Lage des Kristalls.

»Wird es Nacht sein, wenn du dort ... erscheinst wie ein Geist?«

»Das weiß ich wirklich nicht«, antwortete Fartuloon und fing an, sein Zögern zu bedauern – ein Hinweis, dass er schnell gehen musste. Er war mehr als anfällig für Artamays Charme. »Hoffentlich ist es hell. Mehr Chancen.«

Sie durchquerten die Halle, öffneten die Schleuse, und Artamay blieb am Anfang des Kiesstreifens stehen. Der breite Pfad führte zu einer Konstruktion, die wie ein Tor aus weißen, mächtigen Holzbalken aussah, mit überstehenden, hochgeschwungenen Enden des oberen Querbalkens.

Fartuloon ging mit schnellen, entschlossenen Schritten über den Nullzeit-Pfad auf das Tor zu. Unter seinen Stiefelsohlen spritzte der Kies zur Seite. Dicht vor dem Tor drehte sich Fartuloon um, winkte lange und ging dann über die Schnittlinie, die beide wuchtigen Pfeiler verband.

Fartuloon war ganz plötzlich verschwunden.

*

Er blinzelte, als er sich im Zentrum eines intensiven, bernsteinfarbenen Leuchtens wiederfand.

Der große, unregelmäßig geformte Omirgos-Kristall glühte leicht pulsierend. Als sich Fartuloon bewegte, glitt er durch die Struktur dieses Minerals wie durch Wasser. Er hob die Arme und streckte die Hände vor, ging weiter, senkte Kopf und Schultern, bis seine Fingerspitzen eine harte und raue Fläche berührten.

»Sandy Dala?«, murmelte er.

Noch zwei Schritte, dann hatte er die äußere Schale des Kristalls durchstoßen. Er holte tief Atem und roch dumpfe, feuchte Luft. Der Kristall beleuchtete das Innere einer Höhle aus schwarzem Gestein. Er blickte sich rasch um und sah unter einer Staubschicht einige Kisten. Mit einem Sprung war er dort, wischte mehr als fünfzehn Zentimeter Staub vom Deckel herunter und riss einen wuchtigen Verschluss auf.

In einem Fach, versiegelt mit transparenter Folie, fand er wie erwartet drei kurze, dicke Röhren mit einem ausgeformten Handgriff. Er riss die Folie der ersten Röhre auf, fuhr kräftig mit dem oberen Ende über die Felswand und erzeugte lange Funken.

Dann entzündete sich am Oberteil der Fackel ein grelles, zuckendes Licht. Es bildete eine etwa kopfgroße Kugel. Fartuloon hob sie hoch und drehte sich herum. Langsam verlor der Kristall sein intensives Glühen. Die riesigen Einzelkristalle, die, miteinander verwoben und vernetzt, ein Muster bildeten, waren deutlicher zu sehen, als das Glimmen nachließ. Länger als zwei Minuten stand Fartuloon da und sah zu, wie der Glanz wich, und in dieser Zeit wünschte er sich wieder zurück in die Geborgenheit des Zeitverstecks.

Er schüttelte sich und lachte verlegen.

»Es scheint alles reichlich einsam gewesen zu sein«, sagte er sich und suchte nach dem Ausgang der Höhle. Er war seinerzeit noch sehr viel systematischer vorgegangen als heute in seinen alten Tagen.

Dieser Gedanke zog einen anderen mit sich: Er kicherte fröhlich, als er dem Metallband an der Höhlenwand folgte.

»Wenn Atlan mich sieht, erschrickt er. Ich sehe aus wie ein junger Springinsfeld.«

Das Metallband beschrieb einen Knick nach oben. Er tastete herum und fand ein Loch, größer als seine Hand. Es war verschlossen. Er holte aus und rammte seine Faust durch die Öffnung. Er hörte ein leichtes Poltern und stellte sich auf die Zehenspitzen.

Helles Licht drang durch die Öffnung, zuckte schräg nach unten, und in dem dicken Balken aus Sonnenlicht sah er die Staubteilchen tanzen.

»Unter den steinernen Götzen ist der Einäugige König«, sinnierte er und blickte nach draußen.

Vor ihm lag die Landschaft von Sandy Dala.

Aber weit und breit sah er keinen Sand, keine geriffelten Dünen, keine flirrenden Hitzewellen über der Wüste. Gras, mannshoch, Büsche und seltsame Bäume. Dem Sonnenstand nach zu urteilen, war es später Vormittag oder früher Nachmittag.

Fartuloon stand schweigend da, atmete die staubige Luft, hustete ab und zu und sah sich um. Er konnte keine Spuren von fremden Wesen erkennen. In der langen Zeit zwischen seinem ersten Besuch und heute hatte sich die Vegetation um mehr als zwei Kilometer weiter vorangeschoben.

»Ziemlich leer hier!«, brummte er, dann wechselte er mit der Fackel in die linke Hand. Mit der Rechten packte er einen übertrieben langen Hebel aus Metall und bewegte ihn in Pfeilrichtung.

Der Hebel beschrieb einen Viertelkreis. Mühsam war es, den Ausschnitt des Steines aufzustemmen; Erdreich und Gräser hatten sich festgesetzt. Fartuloon fluchte und stöhnte und bewegte die wuchtige Platte zentimeterweise nach draußen.

Er schalt sich einen Amateur, weil er damals diesen Umstand nicht berücksichtigt hatte.

Endlich war der Spalt so groß, dass er sich hinauszwängen konnte. Wieder lauschte er, sah sich um, versuchte, völlig lautlos zu sein.

»Hoffentlich ist es nicht zu leer«, murmelte er und ging einen leichten Abhang hinunter. Er drehte sich um und schaute den Felsblock an. Der tiefschwarze Stein, über und über mit farbigem Moos bedeckt, sah ohne viel Phantasie wie ein Dämonenschädel aus, wie das böse Antlitz eines Wesens aus einer schrecklichen Legende.

Fartuloon grinste sein Phantasiegeschöpf fröhlich an, legte die Hand an den Griff des Skarg und ging weiter, bis er einen Tierpfad entdeckte, der in Windungen weiter in einen Wald aus Büschen und mittelhohen Bäumen hineinführte.

»Schlimmstenfalls gehe ich zurück und versuch's auf einem anderen Planeten!«, brummte er.

Schließlich brauchte er, um von Sandy Dala wegzukommen und mit seiner neuerlichen Suche anzufangen, ein Raumschiff. Auch wenn es nur ein ganz kleines war.

Er folgte dem Pfad vielleicht eine halbe Stunde lang, dann kam er aus dem Wald hervor. Er kletterte auf den höchsten Baum am Waldrand und sah weit voraus die Zeichen einer Besiedlung.

Er meinte, Türme zu erkennen, seltsam geformt. Daneben standen hohe, schlanke Konstruktionen, von denen er annehmen konnte, es wären Sendemasten oder ähnliche Einrichtungen.

Er war zufrieden und kehrte um. Die Fackel, die er neben dem Felsspalt abgestellt hatte, brannte noch immer. Schnell stellte er eine Notausrüstung zusammen: Eines der Ferngläser aus der nächsten Kiste, ein winziges Zelt, mehr ein Schlafsack mit einigen Versteifungen und Falttricks, einen Plastikblock, auf dem er: »Fartuloons Reise-Allround-Gewürzmischung« las ... er entsann sich nicht mehr aller Ausrüstungsgegenstände und nahm an, dass diese Gewürze, bis auf das Salz, wohl nicht mehr viel taugen würden.

In die Taschen der Hose und der Jacke schob er andere, nützliche Kleinigkeiten; das meiste hatte er aus dem Zeitversteck mitgebracht. Er hängte sich eine Feldflasche um die Schultern, dachte lange nach und wühlte in der Ausrüstung. Er nickte und packte ein paar Dinge ein, die er möglicherweise als Tauschartikel brauchen konnte ...

»Schließlich habe ich keine Ahnung, wer dort vorn wohnt.«

Zum Schluss griff er noch einmal zu, schob ein gebraucht aussehendes Messer in das Innenfutteral des rechten Stiefels und zwängte eine altertümliche Schusswaffe mit längerem Lauf in den breiten Gürtel.

Eine halbe Schachtel Patronen schüttete er in die Jackentasche, dann wartete er geduldig, bis die Fackel ausgebrannt war, ehe er sie umgedreht in den schwarzen Sand und Staub rammte, der den Boden der Höhle bedeckte. Er schloss mit weniger Schwierigkeiten den Spalt im Götzengesicht und schob mit großer Sorgfalt Gras und Erde wieder zurück.

Er verwischte seine Spuren, bis er auf den Pfad kam, und ging entschlossen weiter. Der Sonnenstand bewies ihm, dass er die ganze zweite Hälfte des Tages noch vor sich hatte.

»So, Fartuloon«, meinte er zu sich selbst, als er den harzigen Baumstamm wieder hochkletterte, »jetzt gibt's schwerlich ein Zurück. Wo bin ich gelandet?«

Eine Sendeanlage konnte bedeuten, dass diese Wesen dort Hyperfunk benutzten. Es konnte aber auch ein lokaler Sender sein. Er hob das Fernglas, nachdem er es mit einem großen, stark geblümten Taschentuch saubergeputzt hatte, an die Augen und konzentrierte sich auf die Gebäude und Masten weit vor sich.

»Ruinen!«, flüsterte er.

Lange und in schärfster Konzentration betrachtete er die wenigen Häuser. Sie waren offensichtlich weitestgehend aus Fertigteilen, jedenfalls in einer systematisierten Weise errichtet worden.

Jetzt waren sie zerstört, halb verbrannt, von Einschlaglöchern übersät. Die Masten hingen schief in ihren Verankerungen und waren an einigen Stellen verschmort und geknickt. Was aus der Entfernung recht stattlich und erfolgversprechend ausgesehen hatte, jetzt entpuppte es sich als vernichtet.

»Aber diese Zerstörungen – sie sind frisch. Wer immer diese Siedlung angriff, er ist noch nicht lange weg. Nun, vielleicht kommt er wieder, und dann kann ich ihn mit der Steinschleuder abwehren!«, sagte Fartuloon und hangelte sich von Ast zu Ast zurück zu seiner Ausrüstung.

Auf dem Weg bis zur Siedlung achtete er peinlich darauf, dass er stets in Deckung blieb und keine größeren Tiere aufscheuchte. Trotzdem begleitete ihn ein kleiner, schimpfender Vogel mit farbensprühendem Gefieder.

Die Handvoll Ruinen war mehr als eine Stunde Fußmarsch von dem Steinblock entfernt. Fartuloon blieb zwischen dichtem, mit Ranken verfilztem Buschwerk stehen, als er vor sich eine offensichtlich kreisrunde Fläche sah, deren Bewuchs vor wenigen Tagen geschnitten oder gestutzt worden war. Sämtliche Pflanzen hatten sich nicht mehr als eine gute Handbreit über den Boden herausgewagt, der wahrscheinlich vor dem Bau der Anlage begradigt worden war.

Hier hinterließ jedes Wesen eine deutliche Spur. Fartuloon sagte sich, dass Eile ein Geschenk des Satans war und entschied sich schließlich, nach links weiterzugehen.

Er bewegte sich entlang der Grenze zwischen bearbeiteter Vegetation und den wild wachsenden Pflanzen und blieb immer wieder stehen, um die Häuser durch sein Fernrohr einer genauen Überprüfung zu unterziehen. Aber, abgesehen von seinem zeternden Freund, waren die fünf Bauwerke leblos und starrten mit leeren Fensterhöhlen zu dem stämmigen Fremdling herüber.

Nach mehr als eineinhalb Stunden Marsch durch Gebüsch und vorbei an dicken Baumstämmen sah Fartuloon unmittelbar vor sich eine Straße. Nach sorgfältiger Prüfung riskierte er, auf die Fläche hinauszutreten. Sie bestand aus planiertem Material, dessen Oberfläche glasartig geschmolzen und mit einem kleinen Raster versehen war.

Er wandte sich nach rechts. Hier hinterließ er keine Spuren. Nach etwa einer Viertelstunde erweiterte sich die Straße zu einem Kreis, und an dessen Rändern entdeckte Fartuloon kantige Blöcke, die an der Oberseite und dort, wo sie zum Mittelpunkt des Kreises wiesen, große Linsen aufwiesen. Die Linsen waren aus rotem und weißem Material. Ihr Verwendungszweck war klar.

»Für senkrecht landende Flugkörper. Aber ob es ein Raumlandeplatz ist? Wer weiß?«, rätselte Fartuloon, zog die Waffe aus dem Gürtel und spannte den schweren Schlagbolzen.

Energisch, aber voller Wachsamkeit ging er weiter. Aber seine Vorsicht war unbegründet. Als er den Rand der kleinen Siedlung erreicht hatte, sagte ihm seine Erfahrung, dass hier niemand mehr lebte.

»Schade!«

Trotzdem steckte er die schussbereite Waffe nicht zurück. Er untersuchte eine Ruine nach der anderen. Zuerst fand er heraus, dass hier Wesen gelebt hatten, die etwa einen halben Meter länger als er gewesen waren. Sie dürften humanoid gewesen sein, denn die Tasten der unbrauchbaren Geräte und die Reste von Möbeln, Pulten und anderen Einrichtungen – und viele andere Hinweise – ließen diese Tatsache klar erkennen.

Zwischen zwei Mauern voller Brandspuren entdeckte er sieben verschmorte Körper. Obwohl sie bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren, sah er seine Vermutungen bestätigt: Sie hatten zwei lange Beine, zwei Arme und einen runden Kopf.

»Raumsoldaten?«, fragte er sich laut. Sein Wort verhallte gespenstisch in der verbrannten Leere zwischen den Häusern. Er hatte im Schutt und in der Asche einen ausgeglühten Helm gesehen, der auf die Größe des Kopfes schließen ließ.

»Guter alter Fartuloon«, sagte er sich und lehnte schwer gegen einen unversehrten Türsturz. »Ich wette, das waren einst Ligriden.«

Und nach einer Weile fügte er hinzu:

»Ligriden! Dann wurde dieser Stützpunkt von EVOLO angegriffen oder von einem Hilfsvolk dieses elenden Erleuchteten.«

Hundertfünfzig Tage etwa waren seit seinem Rückzug auf Weyngol vergangen. In der Galaxis schien sich nicht viel verändert zu haben. Vor schätzungsweise fünf Tagen – vielleicht drei, vielleicht auch sieben, wenn es nicht geregnet hatte – war dieser Stützpunkt verwüstet worden.

»Wie gut, dass Colemayn mit Ligriden zusammengetroffen ist. Erfahrungen liegen vor!«, sagte er und fuhr fort, nach Überlebenden oder irgendwelchen Resten zu suchen, die ihm Aufschluss über seine Chancen geben würden. Die Besatzung dieses Stützpunkts hatte keine Chancen mehr. Sie waren alle tot, mehr als fünfzig Ligriden.

Die Wohnhäuser waren ebenso vernichtet wie die Funkstation und andere Einrichtungen.

In einem Schuppen, dessen Dach verbrannt war, fand Fartuloon zwei Maschinen von ungewöhnlicher Größe und ebensolchem Aussehen. Nach langem Überlegen, während er weitere Leichen fand und sorgfältig den rußgeschwärzten, verformten Trümmern auswich, identifizierte er die Maschinen als Spezialfahrzeuge, die Straßen herstellten und Bäume rodeten und in gleichlangen, geschälten Abschnitten auswarfen.

»Also eine Pioniereinheit der Ligriden«, stellte Fartuloon fest und brauchte gar nicht lange in seinen Erinnerungen zu kramen, um sich perfekt an Ipolmen und die »Zwischenlandung« der NACHTJAGD zu erinnern.

Die letzte Beobachtung, die er machen konnte, war eine Art Funkraum; natürlich ebenso gnadenlos zerstört wie alles andere. Die Reste eines Körpers lagen zwischen einst hochkomplizierten Geräten.

»Ich kann also damit rechnen«, murmelte Fartuloon erschüttert, »dass die Überfallenen noch einen Notruf abgesetzt haben – könnten.«

Fartuloon verließ die zertrümmerte, versengte, zerschmolzene Station. Er schätzte seine Chancen ab und versuchte, die Lage in der Galaxis richtig abzuschätzen. Der Krieg ging also unverändert weiter. Er konnte nicht sicher sein, dass der Erleuchtete oder EVOLO für diesen vernichtenden Überfall verantwortlich war, aber er rechnete mit einer hohen Wahrscheinlichkeit.

Dies war eine Pionierstation gewesen.

Vermutlich die einzige auf Sandy Dala. Der Planet würde von den Ligriden selbstverständlich anders genannt worden sein. Ein Raumschiff hatte das Team abgesetzt und war weitergeflogen. Und dann waren die Angreifer aus dem Weltraum gekommen und hatten ohne Warnung aus Energiegeschützen das Feuer eröffnet.

»Vielleicht kommen die anderen Ligriden und sehen nach, ob's Überlebende gibt«, brummelte Fartuloon und verließ die traurigen Reste. Er hatte lange darüber nachgedacht, ob er die verschmorten Leichen begraben sollte. Aber er fand nicht einmal eine verbogene Schaufel in den durchglühten Trümmern.

Was blieb ihm übrig?

»Warten wir also, alter Fartuloon!«

Er schaute nach dem Sonnenstand und ging quer durch die niedrige Vegetation zum Waldrand. Mittlerweile spürte er Hunger; nicht gerade dringenden, aber er musste sich wohl oder übel auf ein langes Warten einrichten. Er versteckte sich in der Nähe eines Wasserlaufes und tötete mit einem gut gezielten Schuss ein dunkelbraunweiß geschecktes Tier in der Größe eines Rehs. Er füllte am selben Bach seine Wasserflasche und merkte, dass die Explosion des Schusses die Natur weit um ihn herum aufgescheucht hatte: überall flatterte, schrie, zwitscherte und raschelte es. Fartuloon zog sich an einen geschützten Platz zurück, schnitt mit dem Skarg Äste, sammelte Bruchholz und bereitete schnell, aber mit den sicheren Griffen einer unendlich langen Erfahrung den Braten vor. Nach kurzer Zeit saß er auf der zusammengefalteten Schlafsackmatte, über der Glut drehte sich ein Zweig, an dem die Fleischbrocken aufgespießt waren, Fartuloon trank Wasser und bestreute den Braten mit seiner Gewürzmischung, die verblüffenderweise noch in respektablem Zustand war.

Nach dem Essen trank er den Rest des famosen Weines, den er aus dem Zeitversteck mitgenommen hatte. Er schwankte noch immer zwischen den beiden Welten – den Annehmlichkeiten des Zeitverstecks oder den unwägbaren Gefahren seiner Suche nach Atlan.

Als sich die Abenddämmerung in Nacht verwandelte, befestigte Fartuloon den umknüpfbaren Schlafsack als Hängematte an zwei Baumstämmen und schwang sich geschickt hinein.

Hoffentlich, war sein letzter Gedanke, hatte er nicht verlernt, beim geringsten wichtigen Geräusch aufzuwachen.

*

Noch vor der Morgendämmerung erwachte er ganz plötzlich.

Er öffnete die Augen und starrte blinzelnd senkrecht in den Sternenhimmel. Nach einigen Sekunden, als sein Blick scharf geworden war, entdeckte er zwischen den zahllosen Lichtpunkten insgesamt drei winzige Pünktchen, die sich bewegten.

»Aha!«, bemerkte er wenig geistreich, rieb sich die Augen und ließ das Feuerzeug aufflammen. Der Boden unter ihm war sicher. Er rutschte aus der Hängematte, suchte seine wenigen Habseligkeiten zusammen und kontrollierte immer wieder die Punkte, die außerhalb der Planetenatmosphäre kreisten und die Sonnenstrahlen reflektierten.

»Hoffentlich sind es Ligriden!«, meinte er. »Dann gäbe es weniger Schwierigkeiten.«

Es war noch lange nicht sicher, dass diese drei Raumschiffe hier landen wollten. Alles war unsicher.

Fartuloon verließ seinen Schlupfwinkel und setzte sich am Rand der leeren Fläche ins feuchte Gras. Er bekam Nackenschmerzen, weil er unentwegt die wandernden Reflexe beobachtete. Nacheinander verschwanden sie. Waren sie in die Lufthülle eingetaucht? Die wirklichen Sterne verschwanden nacheinander, im Osten zeichnete sich erste Helligkeit ab.

Schließlich erkannte Fartuloon drei schwach leuchtende Streifen. Sie verliefen zunächst parallel, verzweigten sich dann und wurden größer und trotz der zunehmenden Helligkeit deutlicher. Schließlich rollte der scharfe Donner des Unterschallknalls über das Land. Fartuloon stand auf und rollte seine Hängematte zu einem Bündel zusammen.

Nachdem die Raumschiffe einige Kreise gezogen hatten und dabei näher gekommen waren, bildeten sie mit flammenden Triebwerken ein unregelmäßiges Dreieck und kreisten über der verwüsteten Station. Reihenweise flammten mächtige Landescheinwerfer auf. In der zunehmenden Helligkeit sah Fartuloon genau, dass es keine Raumschiffe, sondern Beiboote waren; nicht sonderlich groß, aber schwer bewaffnet und von guten Piloten gesteuert. Das erste Boot landete an der Stelle, an der die Straße vom Landefeld ins Zentrum der Ruinen mündete.

»Gehen wir!«, munterte sich Fartuloon auf. Er setzte sich in Bewegung und war sich des Risikos, für einen Feind gehalten zu werden, wohl bewusst. Das nächste Beiboot landete. Scheinwerfer schwenkten herum, leuchteten die geschwärzten Mauerreste an, tasteten über die Umgebung.

Als das dritte Boot fauchend aufsetzte, als aus den Schleusen bewaffnete Ligriden stürmten und, ebenfalls mit Handscheinwerfern ausgerüstet, auf die Station zurannten, während Lautsprecherkommandos – unverkennbar ligridisch! – ertönten, kam Fartuloon ungesehen nahe an den Rand der Siedlung heran.

Als er im Sichtbereich einer offenen Schleuse stand, hob Fartuloon beide Arme, trat ins Licht eines Landescheinwerfers und rief laut:

»Ist unter euch der Diener des Gwyn, Wissenschaftler Ipolmen? Oder ist er noch immer auf Pjol-Kimorz?«

Drei Ligriden in leichten Raumpanzern hielten ruckartig an, warfen sich herum und kamen auf ihn zugerannt.

»Wer bist du?«, schrie einer. »Was ist hier geschehen?«

»Ich bin Fartuloon, der Sternenwanderer. Ich habe versucht, eure Kameraden zu begraben. Aber ich fand keine Schaufel.«

Die Antwort verblüffte die Ligriden und ließ Aggression nicht erst aufkommen. Fartuloon nahm die Arme herunter, zeigte auf die Siedlung und erklärte:

»Sie sind alle tot. Derjenige, von dem die Siedlung vernichtet wurde, hat blitzschnell und erbarmungslos zugeschlagen.«

»Zum Kommandanten!«, entschied ein Bewaffneter. »Dort hinein, Fremder.«

Es waren ligridische Raumtruppen. Sie hielten sich nicht lange mit förmlichen Überlegungen auf. Zwei Soldaten packten Fartuloon an den Armen und schoben ihn in die Schleuse. Er stolperte über einige schmale Metallstufen und blieb im rückwärtigen Teil einer spartanisch ausgestatteten Pilotenkanzel stehen. Ein breitschultriger Ligride im gepanzerten Helm saß vor einer Platte und nahm den Blick von einer Dreifachreihe kleiner Farbmonitore.

Ein Soldat, schräg hinter Fartuloon, machte eine kurze Meldung.

»Hast du etwas vom Überfall gesehen?«, fragte der Ligride scharf. »Ich bin Kommandant Saarnoy, Gward.«

Fartuloon sagte in ruhigem und furchtlosem Tonfall:

»Ich wurde von einem Handelsschiff der Naldrynnen mitgenommen. Sie tankten am Fluss Wasser und warfen mich aus der Schleuse; es gab Meinungsverschiedenheiten unlösbarer Art. Ich sah die Antenne und wanderte einen Tag lang. Als ich die Siedlung betrat, sah ich, was passiert war. Habt ihr eine Notmeldung aufgefangen?«

»Vor fünfeinhalb Tagen. Dein Name?«

Fartuloon wiederholte ihn und erklärte, dass Ipolmen ihn unter dem Namen Colemayn kannte. Er schilderte kurz, auf welche Weise er Talkart, Ipolmen und Kommandant Acalner geholfen hatte und unterstrich seine Verdienste nicht besonders.

»Du hast also nichts gesehen?«

»Ich kam zu spät. Nein.«

»Du kannst nicht bestätigen, dass es Hilfstruppen des Erleuchteten waren? Form der Raumschiffe?«

Fartuloon schüttelte den Kopf.

»Keine Überlebenden?«

»Ich suchte nach Spuren, aber ich fand nichts. Tut mir leid. Ich weiß, dass die Pioniere besonders feine Kerle sind.«

Saarnoy blickte ihn starr und prüfend an. Fartuloons gelbe Augen gaben die Blicke offen zurück. Dann kippte der Kommandant einen Schalter und sprach in das winzige Mikrophon, das vor seinen Lippen hing. Draußen dröhnte im ersten Morgenlicht die Lautsprecherstimme auf.

»Der Brauch gebietet, Männer, dass wir unsere toten Kameraden ehren. Hebt eine Grube aus! In einer Stunde sind sämtliche Leichen unter der Erde. Ich will einen Stein, auf dem ein paar treffende Worte stehen. Schnell.«

Hoffentlich sucht er sich nicht gerade meinen Dämonenkopf, überlegte Fartuloon und war ziemlich sicher, dass man sich nach ihm erkundigen würde. Er legte sich eine Ausrede für sein verändertes Aussehen zurecht. Er fragte sich darüber hinaus, wohin man ihn bringen würde.

»Steine findet ihr in dieser Gegend«, sagte er und zog auf der Karte, die vor Saarnoy lag, eine Linie mit einem nicht mehr sauberen Finger.

»Danke.«

Durch die offene Schleuse kam das Dröhnen der Triebwerke herein. Ein Beiboot stieg auf, setzte einen Strahlprojektor ein und zog eine breite, tiefe Furche abseits der Siedlung. Ein Haufen aus Grünzeug, Erdreich und Geröll bildete sich. Etwa dreißig Männer schleppten in Tüchern die Überreste ihrer Kameraden aus der Siedlung. Fartuloon, bemüht, seinen guten Charakter zu offenbaren und den Ligriden zu zeigen, dass er harmlos war, fragte:

»Soll ich helfen?«

Der Blick des Kommandanten fiel auf den abgewetzten Kolben der Schusswaffe.

»Nein. Unsere Sache. Her mit der Waffe.«

Fartuloon hob bedauernd die Schultern und händigte dem Kommandanten vorsichtig die Waffe aus. Der Ligride musterte sie misstrauisch und schien ein solches Schießgerät noch nie gesehen zu haben. Fartuloon verzichtete darauf, Erklärungen abzugeben und bemerkte, dass Saarnoy das klobige, aber zuverlässige Ding in eine Metallkiste wegschloss.

»Du wartest draußen«, sagte der Kommandant, der nicht wusste, wie er seinen seltsamen Fund einordnen sollte. »Hunger? Durst?«

»Durst.«

»Dort, im Fach.«

Fartuloon dankte, ging zur bezeichneten Stelle und klappte einen Deckel hoch. Das Militär, dachte er melancholisch, versteht wirklich, Ordnung zu halten. Er fand in einem stoßsicheren Fach verschiedenfarbige Einwegbehälter, zog einen heraus und ging damit aus dem Raumboot hinaus, setzte sich auf einen Vorsprung und sah zu, wie die Soldaten arbeiteten. Langsam trank er den Inhalt der Dose; irgendein Kraftgetränk, das nach Früchten schmeckte und sicherlich keinen Alkohol enthielt.

Eineinhalb Stunden später starteten, nachdem reger Funkverkehr mit dem Raumschiff im stabilen Orbit stattgefunden hatte, die drei Beiboote und schleusten ein.

Der Kommandant des Raumschiffs entschied, Fartuloon unter sorgfältiger Bewachung nach BASTION II zu bringen.

Damit kann ich mehr als zufrieden sein, dachte Fartuloon. Einen besseren Ausgangspunkt seiner Suche hätte er sich nicht im Traum wünschen können.

Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2)

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