Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 37
8.
ОглавлениеWie die ligridische Besatzung von BASTION II es in anderen Teilen dieses unablässig arbeitenden Organismus aus Technik und Logistik hielt, interessierte Fartuloon nicht sonderlich. Seit vier Stunden herrschte jedenfalls in diesem Sektor die Nachtphase. In den Korridoren waren nur die dunkelblauen Leuchtelemente eingeschaltet. Die Temperatur der Luft, die aus den Öffnungen der Umwälzanlagen kam, war abgesenkt worden.
An vielen Stellen arbeiteten leise summend die Reinigungsmaschinen. Fast alle Bildschirme zeigten stumpfes Dunkelgrau. Im Zellenbereich war es noch stiller als sonst.
Fartuloon warf sein Schlafsackbündel über die Schulter, zog das Skarg und sprach sich selbst Mut zu.
Er leerte den bewussten Kunststoffbecher, schaltete mit pedantischer Gründlichkeit die Lichtquelle und den Bildschirm ab und schob die Stahlplatte aus dem wirkungslosen Schloss.
Die Waffe in seiner Hand glänzte und funkelte, als er auf den Korridor hinaustrat. An den Kanten der Schneide bildeten sich bläulichweiße Reflexe. Ohne Hast ging er zur ersten Zelle, öffnete sie und sagte halblaut:
»Es geht los, Sparken!«
Seine Stimme war rau vor mühsam unterdrückter Anspannung. Der Daila hatte begriffen und war mit einem Sprung auf den Beinen. Er folgte Fartuloon zu Rubernek und Kornen Fus.
»Hinter mir her«, ordnete der Bauchaufschneider an. »Kein Wort, ehe wir im Hangar sind.«
Sie schwiegen auch aus Überraschung. Fartuloon kannte jeden Schritt des Weges, den sie bis zum mehrfach gesicherten Hangar zurückzulegen hatten. Er ging schnell, aber ohne verdächtige Hast. Die gesamte Länge eines Korridors, eine Rampe, ein stählernes Gitter. Das Skarg schnitt eine Lücke in das energetische Schutzfeld, das den Öffnungsmechanismus umgab. Das Gitter fuhr zur Seite, und Kornen Fus schloss es wieder.
Sie verzichteten darauf, die Antigravröhre zu benutzen und gingen eine weitere Rampe hinunter. Sie wichen zwei breiten Robotern aus, deren Walzen und Saugapparaturen den Boden säuberten. Ein Energiefeld sperrte den nächsten Abschnitt. Das Kontrolllicht über den wuchtigen Linsen einer der vielen Beobachtungspunkte blinkte. Fartuloon ignorierte das Signal, obwohl ihn der Schrecken packte. Bisher waren sie noch keinem Ligriden begegnet. Wieder schnitt die Waffe einen Durchgang in das flirrende Feld. Die drei Gefangenen, die vor Verwunderung keuchten, schlüpften schnell durch das ovale Loch.
Noch zweihundert Schritte!, sagte sich Fartuloon.
Nach zwei weiteren Sperren und einigen Korridorecken kamen sie auf einen käfigartigen Steg, an dessen Ende das Mannschott zum Hangar zu sehen war. Trotz aller Vorsicht erzeugten ihre Schritte auf den Metallrosten dumpfe Geräusche. Das Schott besaß eine normale Öffnungsanlage und ein manuell zu betätigendes Notaggregat. Fartuloon drückte auf das große Kontaktfeld, und die Platte schob sich nach oben.
»Hinein«, knurrte er mit trockenen Lippen. »Wie spät?«
Er schaute kurz die Ziffern oberhalb der Schaltungen an und sagte sich, dass sie noch innerhalb seines Zeitplans geblieben waren. Die äußere Tür schloss sich, die innere wurde geöffnet. Nur blaue Nachtlichter brannten in der Schleuse, aber sie genügten, um die Größe des Schiffes und das schwach beleuchtete Innere der Schleuse zu erkennen.
Klick. Das Stahlschott der Schleuse in seinem Rücken schloss sich mit einem endgültigen Geräusch. Fartuloon sagte drängend:
»Ins Schiff. Langsam.«
Nacheinander marschierten sie, als ob es ihr Auftrag wäre, eine schräge Metallrampe hinunter auf den Boden der Hangarhalle und von dort zur Gangway, die etwa im ersten Drittel des Schiffes zur Personenschleuse hinaufführte. Sie befand sich in der oberen schrägen Seitenflanke des Schiffes.
Schweigend verschwanden sie im Schiff. Fartuloon deutete auf den Zentralkorridor, der zum Bug führte.
»Jetzt muss es schnell gehen. Ich habe einen Testflug programmiert. Die Zentrale wird uns vielleicht dumme Fragen stellen. Euch darf man dann nicht sehen. Kümmert euch um den Antrieb und die Steuerung.«
Inzwischen hatten die drei Mitgefangenen ihre langen Schrecksekunden überwunden. Sie konnten die Verwunderung über diesen Mann abstreifen, der auf so beiläufige Weise die unglaublichsten Dinge tun konnte. Fartuloon schob schnell das Skarg in die Scheide und setzte sich vor das linke von zwei Steuerpulten.
»Kornen! Hierher.«
Fus setzte sich auf den Kopilotensitz. Ihre Finger führten zögernd erste Schaltungen aus, von denen sie wussten oder zumindest ahnten, dass sie die richtigen Abläufe auslösten. Fartuloon spuckte in die Hand und verschmierte den Speichel auf drei Linsen, die über den Bildschirmen angebracht waren.
Bildschirme schalteten sich ein. Instrumente flackerten und leuchteten. Fartuloon und Kornen studierten konzentriert die Symbole und Aufschriften. Fartuloon drückte einen schweren mechanischen Schalter und kontrollierte, las ab und brummte im Selbstgespräch.
»Gravopulstriebwerk an. Ausgezeichnet. Zentralpositronik läuft. Versorgung in Ordnung ...«
Sparken, der Daila, näherte sich leise und hielt Fartuloon einen ligridischen Raumanzug entgegen. Er verstände etwas von Raumschiffen, hatte er in seiner Zelle zugegeben.
»Hier«, sagte er leise. »Zieh ihn an. Dann halten sie dich für einen der Ihren. Unsere Schleuse ist zu und von innen gesichert. Die Heckschleuse auch.«
»Ausgezeichnet, danke!«
Fartuloon versuchte, sich in den Anzug zu zwängen. Schließlich gab er es auf; er war zu dick. Das Skarg blitzte auf und trennte den Anzug am Rücken vom Nackenwulst bis zum Schritt auseinander.
»Jetzt passt er!«, brummte Fartuloon. »Wie bekommen wir die Schleusentore auf?«
Kornen Fus, der »Kopilot«, schaltete den Monitor vor sich aus.
»Du sprichst«, entschied er. »Wenn etwas nicht funktioniert: wir sind das Testkommando.«
»Fartuloon heiße ich auch nicht mehr«, brummte er und nickte hinter der Scheibe des Helms seinem Nachbarn zu. »Gute Idee.«
Er wandte sich um. Die Zentrale von BASTION II würde nur ihn sehen. Der Daila beschäftigte sich mit anderen Dingen unsichtbar im Hintergrund. Rubernek stand gerade auf und deutete in eine vor Einblick geschützte Ecke.
»Reaktor auf Dienstleistung!«, sagte Kornen.
»Haltemagneten?«
Der Finger des Zyrphers lag auf dem Schalter.
»Bereit.«
Fartuloon bewegte die Griffe der Handsteuerung hin und her, vorwärts und zurück. Das gesamte Instrumentarium flammte auf: Lageanzeige, Stellarhorizonte, Vektorlinien ... und auch in diesem augenscheinlich neuen Schiff bewies sich, dass die meisten Anzeigen und Bedienungselemente einem bestimmten Standard der Zweckmäßigkeit untergeordnet waren.
»Unser Ziel ist, einen Testflug zu simulieren«, sagte er und streckte die Hand aus, um die Verbindung mit der Zentrale zu schalten. »Also vorsichtig hinaus, in sichere Entfernung, und dann erst in Überlichtgeschwindigkeit.«
»Verstanden.«
Fartuloon drückte den Schalter. Monitore zeigten den Blick in die Zentrale. Sie war kaum besetzt. Fartuloon führte mit der Hand im Raumhandschuh, dessen sechster Finger leer war, einen Gruß aus.
»Kommandant Dookart. Erbitte Startfreigabe zum Testflug.«
»Verstanden. Ziel?«
»Innerhalb unseres Ortungsbereichs«, sagte Fartuloon und bemerkte, dass der Wachhabende keinerlei Misstrauen zeigte. »Erste Überprüfung der Systeme im Unterlichtflug.«
»Verstanden ... Augenblick.«
Auf einem Kontrollbildschirm in der Zentrale sollte jetzt, ausgefertigt von Lorad, eine Bestätigung erscheinen. Aber der Wachhabende führte seine Schaltungen aus, ohne lange nachzudenken. Fartuloon schaltete die Vorausscheinwerfer an und sah, dass sich weißer Nebel vor dem Schiff bildete, und dass sich der Spalt zwischen den Hälften der Hangartore vergrößerte. Wieder blickte der Posten hoch und sagte schläfrig:
»Mit euren Linsen scheint es Probleme zu geben. Undeutliches Bild.«
»Überprüfung der Kommunikationssysteme ist ebenfalls Zweck des Tests«, gab Fartuloon zurück und bemühte sich, die richtige Betonung zu finden. »Start freigegeben?«
»Geht in Ordnung.«
Kornen Fus löste die Halterungen der Hangaranlage. Das Schiff gehorchte dem ersten Steuerdruck. Noch waren die gewaltigen Torflügel in Bewegung. Fartuloon brachte es, innerlich vor Spannung fast krank, immerhin fertig, nicht mit allen Triebwerken zu beschleunigen und wie ein Geschoss aus dem Hangar hinauszuschießen. Er hob das Schiff, drückte es vorwärts und setzte dann den Schub herauf. Die Frontscheinwerfer erloschen.
»Wann ist die Rückkehr geplant?«, wollte die Zentrale wissen.
»Vermutlich in einigen Stunden«, sagte Fartuloon. »Und vielleicht früher, wenn die Werft schlampig gearbeitet hat.«
»Verstanden.«
Der Wachhabende rang sich ein schwaches Grinsen ab und drehte den Kopf, entweder, weil sein Nachbar ihm etwas sagte, oder weil er auf andere Weise abgelenkt wurde. Die Fahrt des langgezogenen Schiffes wurde schneller, die Rahmen der Schleuse blieben zurück, und eine Minute später nahm die Geschwindigkeit zu, der Antrieb arbeitete kraftvoller, und BASTION II blieb zurück. Niemand sprach. Die Spannung war fast greifbar. Fartuloon schob den Unterlichtfahrthebel bis zum Anschlag vor und zog das Schiff in eine weite, flache Kurve.
Dann schaltete er die Verbindung mit der Zentrale ab. Er murmelte unter der Helmscheibe hervor:
»Sparken? Sind wir endlich allein?«
»Ich kann nichts feststellen. Nach meiner Ansicht besteht außer der Ortung keine Verbindung mehr mit BASTION.«
Fartuloon nahm den Raumhelm ab. Schweiß lief in breiten Bahnen über sein Gesicht.
»Freunde«, sagte er heiser, »wir haben es wohl geschafft.«
Die Geschwindigkeitsanzeige begann langsam, aber stetig zu klettern. Der Daila und Rubernek kamen wieder in den Leitstand. Noch mehr Schalter wurden, meist probeweise, betätigt. Die Klimaanlage arbeitete zuverlässig, und die Zentralpositronik lieferte auf Bildschirmen ständig neue Informationen. Auf den vier riesigen Frontbildschirmen standen die Sterne der Galaxis; ein herrlicher Anblick.
»So sieht es im Moment aus. Sie werden den Diebstahl wohl schnell bemerken«, brummte Rubernek.
»Nicht allzu schnell«, gab Fartuloon zurück. »Ihr bürokratisches System ist viel zu hoch entwickelt.«
»Jedenfalls werden wir bald verfolgt und gehetzt werden«, meinte der Daila bekümmert. »Jeder ist hinter uns her.«
»Das wussten wir schon vorher«, bemerkte Fartuloon. »Hört zu. Gleich zum Anfang, damit keinerlei Zweifel bestehen. Ich bin der Kommandant und heiße Fartuloon.«
»Verstanden, Chef.«
»Kopilot, Bordmechaniker, Ortungsfachmann.«
Fartuloon deutete auf Kornen Fus, Rubernek und Sparken. Die zwei Zyrpher und der Daila stimmten schweigend zu.
Und schon fiel Fartuloon etwas Neues ein. Er fuhr fort:
»In meiner längst vergessenen Heimat ist ein unangenehmer Bursche bekannt gewesen. Wir nannten ihn KLINSANTHOR, den Magnortöter. So nennen wir dieses Schiff. Das Beiboot, das uns sicher gute Dienste leisten wird, bekommt auch einen Namen: STERNSCHNUPPE! Klingt gut, nicht wahr?«
Der Magnortöter, ein Helfer der Arkoniden in der Zeit der Unabhängigkeitskriege gegen Akon, war ein Rätselwesen, das besser ungeweckt geblieben wäre. Die Anzeige der Geschwindigkeit näherte sich der obersten Marke. Fartuloon konzentrierte sich darauf, mit Hilfe der ziellos arbeitenden Zentralpositronik eine Flugstrecke im überlichtschnellen Bereich zu programmieren. Die KLINSANTHOR verschwand aus dem Normalraum.
Fartuloon riss sich die Reste des Raumanzugs vom Körper, hob beide Arme und sagte laut zu seinen drei Besatzungsmitgliedern:
»Wir sind zugleich Kommandanten und Mannschaft. Zeit zum Kennenlernen haben wir genug. Sparken! Finde eine Flasche und öffne sie. Und dann werde ich auch erklären, was wir tun.«
»Und was wäre das?«, fragte unruhig der Kopilot. Fartuloon grinste und erwiderte:
»Wir suchen Atlan. Wenn jemand diese Galaxis vom Erleuchteten und vom Neuen Konzil befreien kann, dann ist er es. Mit meiner Hilfe, versteht sich.«
»Mit unserer Hilfe nicht?«, wollte Kornen wissen.
»Natürlich. Aber keiner von uns weiß, wo wir ihn finden. Es lohnt sich aber, ihn zu suchen.«
Er runzelte die Stirn und schaute seinen Verbündeten in die Augen.
»Oder will einer von euch aussteigen? Es gibt keinen Zwang – in der KLINSANTHOR herrscht Gedanken- und Redefreiheit. Ich kann mir vorstellen, dass es eine schwierige, abenteuerliche, aber auch sehr interessante Zeit werden wird.«
Rubernek zeigte sein Raubtiergebiss, rückte seine dicke Mütze zurecht und sagte mit einer Betonung, die wohl gutgelauntes Lachen bedeutete:
»Ich habe nichts Besonderes vor. Wie ist die Bezahlung, Kommandant Fartuloon?«
Fartuloon stimmte in das Gelächter der drei Freibeuter ein.
»Der schönste Lohn ist Ruhm, stille Zufriedenheit und das Bewusstsein, dass viele Feinde auch viele Ehren bedeuten.«
Sparken verteilte Kunststoffbecher, in denen jenes weinartige Getränk enthalten war. Fartuloon hob den Becher und rief voller Optimismus:
»Auf vier wagemutige Männer! Auf unser gestohlenes Schiff!«
Rubernek trank und knurrte:
»Und auf deinen seltsamen Freund Atlan.«
Sie tranken, betrachteten einander mit prüfenden Blicken, und Fartuloon sagte sich, dass er wohl recht brauchbare Verbündete gefunden hatte. Aber auch das war ein Glücksfall in seinem an Zufällen nicht gerade armen Leben.
ENDE
Der nächste Atlan-Band, der von Arndt Ellmer geschrieben wurde, hat den Freiheitskampf der Daila zum Thema.
Mutanten und »normale« Daila finden sich auf Aklard zusammen und beginnen, die Geheimstützpunkte der Besatzer systematisch auszuheben.
Die Daila, die diese Mission erfüllen, das sind die Konzilsjäger ...
DIE KONZILSJÄGER – unter diesem Titel erscheint auch der Atlan-Band 753.